Die Fans sehen Gareth Bale kritisch, Trainer Zidane drängt auf seinen Abgang. Real Madrid baut an seinem Kader für die Zukunft, am liebsten ohne den Offensiv-Mann. Doch der Waliser denkt nicht daran zu gehen.
Gareth Bale wurde bei Real Madrid schon lange nachgesagt, dass er in den Momenten da war, in denen es eng für ihn wurde. Dann kam meistens ein wichtiges Tor von dem Waliser. Als solches kann sein Abstauber beim Comeback von Real Madrid gegen Arsenal London bei einem Vorbereitungsturnier wohl nicht bezeichnet werden, eine kleine Sensation war es trotzdem. Denn eigentlich sollte er nicht mehr für die Spanier spielen.
„Je eher er geht, desto besser", sagte Trainer Zinedine Zidane auf einer Pressekonferenz. „Schamlos", nannte das Bales Agent Jonathan Barnett erbost – „Gareth Sale" titelte die Sportzeitung „AS". Aktuell wäre Real Madrid nichts lieber, als den Waliser für überhaupt einen Cent bei einem anderen Verein unterzubekommen. Real soll Bale bei etlichen Vereinen angeboten haben, alle sollen abgelehnt haben. Lukrative Offerten gab es nur aus China. Lukrativ sind dort aber nur die Gehälter, denn bei Ablösen wird eine Luxussteuer in gleicher Höhe fällig. Um bei einem solchen Verein seine Karriere ausklingen zu lassen, sieht sich Bale noch zu sehr im Saft. „Seine Zukunft liegt weiter bei einem großen Club", sagt Berater Barnett. Gegebenenfalls werde sein Klient die kommenden drei Vertragsjahre „absitzen", so sagte es der Berater. Eine Ausleihe könne er demnach „ausschließen".
Präsident Perez als Befürworter
Deutlicher kann ein Profi nicht auf das Abstellgleis manövriert werden, wie es momentan mit dem Waliser geschieht. Doch wie gelangt ein so verdienter Spieler, der in 231 Spielen 102 Tore schoss und weitere 65 vorbereitete, so deutlich auf die Abschussliste? FORUM hat sich die Karriere dieses Ausnahmespielers genauer angeschaut und erklärt, warum sie nun ins Straucheln geraten ist. Als 17-Jähriger wechselt Gareth Bale im Jahr 2007 vom FC Southampton zu Tottenham Hotspur. Das Talent und der Offensivdrang sind damals schon unverkennbar und veranlassen die Verantwortlichen des Londoner Traditionsvereins dazu, knapp 15 Millionen für den Nachwuchsspieler zu berappen. In sechs Jahren bei den Spurs reift Bale dann zum Weltklassespieler heran. In 203 Pflichtspielen erzielt er 56 Treffer und bringt 58 Vorlagen. In der Premier League-Saison 2012/13 schießt er satte 21 Tore, zudem glänzt er auch auf der europäischen Bühne. Heute noch kursieren Videos über seinen Dreierpack gegen Inter Mailand im Internet. Im September 2013 scheint der Waliser genügend Argumente für sich gesammelt zu haben, dass die Königlichen aus Real Madrid ihn zum damals teuersten Spieler der Welt machen. Umgerechnet 101 Millionen Euro überweist Real nach London und durchbricht damit zum ersten Mal die dreistellige Millionen-Schallmauer. Vor allem Präsident Florentino Perez galt und gilt bis heute als großer Befürworter des Walisers. Zu Beginn kann es eigentlich nicht besser laufen. Bale gewinnt mit den Königlichen im ersten Jahr die Champions-League und steuert in der Königsklasse selbst sechs Treffer dazu bei. In der spanischen Liga trifft er 15 Mal. Dennoch zeigt sich da schon, dass Bale Probleme hat, in der spanischen Hauptstadt anzukommen. Probleme mit der Sprache, und auch das immer gute Wetter machen es Bale nicht gerade leicht. So kam es dann auch zu einem recht ungewöhnlichen Spitznamen für Bale. Seine Teamkollegen nannten ihn durchgehend „den Golfer", da er nach Trainingseinheiten meist seine Sachen packte, um sofort auf dem Golfplatz an seinem Handicap zu arbeiten. Um seinem Lieblingshobby nachzugehen, flog er teilweise auch nach Wales und blieb dann den Mannschaftsabenden mit seinen Kollegen bei Real Madrid fern. Und trotzdem scheint auf dem Platz die Chemie mit seinen Mitspielern zu stimmen. Wesentlich schlechter ist das Verhältnis zu den Fans. Nach fünf Monaten, als Bale einen Fehlpass spielte, der gegen Granada zum Gegentor führte, wurde er zum ersten Mal unüberhörbar ausgebuht. Selbst für die Fans der Königlichen, die für ihre divenhafte Art bekannt sind, war das ein Tiefpunkt. Ein Tiefpunkt, der aber in der vergangenen Saison um einige Tiefen unterboten wurde. Im Clasico gegen den FC Barcelona blieb Bale blass, hatte kaum gute Aktionen. Bei seiner Auswechslung bekam er den kompletten Hohn und Spott der Madridistas zu spüren und wurde massiv beschimpft. Innerhalb der Mannschaft war Bale dagegen lange Zeit zumindest sportlich hoch angesehen. Das änderte sich aber gewaltig, als im Januar 2016 Zinedine Zidane auf Carlo Ancelotti folgte. Bereits im Mai 2018 teilte der Franzose ihm mit, nicht mehr mit ihm zu planen. Und trotzdem schraubte Bale seine beeindruckenden Zahlen weiterhin nach oben. Unter seinen vielen Toren waren auch zwei ganz wichtige am 26. Mai 2018 im Olympiastadion in Kiew. Nur zwei Minuten nach seiner Einwechslung schraubt sich der Waliser hoch und erzielt mit einem Fallrückzieher die 2:1 Führung, nur um Minuten danach das entscheidende 3:1 zu erzielen. Dadurch gewinnt Bale im Trikot von Real Madrid zum vierten Mal den Henkelpott. Trotzdem arbeitet Real Madrid bereits im Hintergrund daran, den mit 17 Millionen Euro Jahresgehalt fürstlich verdienenden Ausnahmespieler vor die Tür zu setzen. Hauptgrund ist die Verletzungsanfälligkeit des Walisers. Insgesamt 20 Verletzungen warfen Bale immer wieder aus der Bahn. In seinen sechs Jahren bei den Königlichen verpasst der walisische Nationalspieler satte 72 Partien. Diese Zwangspausen bringen ihn logischerweise regelmäßig außer Form, so wurde es immer mehr zum Problem für ihn, wieder in die Stammformation zurückzukommen. In der zurückliegenden Spielzeit 2018/19 bestreitet Bale zwar 42 Pflichtspiele, die Hälfte davon jedoch nur als Einwechselspieler. „Gareth hat seine Art, Fußball zu spielen und Zidane eine andere. Das ist der Hauptgrund für die Differenzen", begründet Bales Berater die mangelnden Einsatzzeiten. Nachdem Bale beim letzten Saisonspiel 90 Minuten auf der Bank sitzt, eilt er nach Abpfiff umgehend in die Kabine, statt sich gemeinsam mit seinen Kollegen bei den Fans zu bedanken. „Wenn sie mich loswerden wollen, müssen sie mir 17 Millionen im Jahr zahlen. Wenn nicht, bleibe ich hier. Und wenn ich Golf spielen muss", sagt Bale anschließend zu seinen Teamkollegen. Die gegenwärtige Situation ist nun bekannt. Bale und sein Berater wissen die Zeit dabei aber auf ihrer Seite. In China ist der Transfermarkt geschlossen, in England schloss er am 8. August, und sowieso benötigt Madrid schnell Geld und freie Gehaltsposten, um den Transfer-Wunschspieler Paul Pogba in Angriff zu nehmen. Mit jedem Tag, der ins Land geht, erhöht sich somit der Druck auf die Verantwortlichen von Real Madrid. Auch weil es auf den Pressekonferenzen immer nur um das ein und dasselbe Thema geht, nämlich Gareth Bale. Am Tag vor dem Arsenal-Match leitete Zinedine Zidane seine Antwort zur fünften Bale-Frage mit ohnmächtigem Humor ein: „Scheiße, Alter, meine Güte, meine Güte."
Aufbruchstimmung lässt so auf sich warten
Die ersehnte Aufbruchstimmung lässt sich so im Verein nicht erzeugen, auch weil die Vorbereitungsspiele derweil keine Euphorie im Umfeld auslösen. Die groß angekündigte Transferoffensive hat zwar mit über 300 Millionen Euro die höchsten Ausgaben der Clubgeschichte verursacht, in Eden Hazard aber bisher nur einen neuen Stammspieler gebracht. Wo deprimierende Darbietungen zum Ende der vergangenen Saison erste Schatten auf Zidanes Lichtgestalt warfen, kratzt der Machtkampf mit Bale nun weiter an seinem Denkmal. Die „totale Offensive gegen Bale" („El País") berührt sein zuvor tadelloses Curriculum als Personalmanager. „Zidane lässt den Takt vermissen", kritisierte selbst das Hofblatt „Marca". Gibt es für den Waliser also doch noch einen Weg zurück? Marco Asensio hat sich das Kreuzband gerissen, Zidane bleibt aber hart. „Nichts hat sich geändert, die Lage ist bekannt."