Der St. Wendeler Bildhauer Leo Kornbrust initiierte 1971 ein internationales Steinbildhauersymposium, das sich über die „Straße der Skulpturen" seit 1979 zur „Europäischen Straße des Friedens" entwickelte. Ein Rückblick auf die Anfänge.
Rund um die Damra herrschte 1971 wohl so etwas wie Woodstock-Feeling. Nur, dass weder Musik noch Drogen, sondern Sandstein und Basaltlava im Mittelpunkt standen. Der St. Wendeler Bildhauer Leo Kornbrust hatte vom 1. Juli bis zum 31. August 1971 elf Künstler nach St. Wendel auf die Baltersweiler Höhe zu einem internationalen Steinbildhauersymposium eingeladen. Die Teilnehmer campierten in Zelten und Wohnwagen und hatten teilweise auch ihre Familien mitgebracht. Zwei Sommermonate lebte und arbeitete man zusammen draußen in der Natur, abends gab es spartenübergreifend auch Dichterlesungen und Musik.
Die Idee zu einer „Skulpturenstraße" mit vorausgegangenem Symposium hatte Kornbrust 1967 in Österreich bei einer von Karl Prantl initiierten ähnlichen Veranstaltung kennengelernt und war begeistert – sowohl von der Idee als auch vom gemeinschaftlichen Arbeiten in der Natur. Vier Jahre später begann er selbst „in langen Gesprächen mit kunstinteressierten Bürgern für seine Idee und seine Vorstellungen" für ein Symposium zu werben. „Man musste erst Verständnis schaffen, die Bürger und Politiker mit ins Boot holen", erinnert sich Kornbrust. Im Januar 1971 gründete er den Verein „Internationales Steinbildhauer-Symposion St. Wendel" und organisierte finanzielle Mittel sowohl für die Materialien als auch für eine Kostenentschädigung, jeder Teilnehmer erhielt 1.000 Mark pro Monat. Und schließlich musste auch mit den Grundstückseigentümern wegen der Standplätze der Skulpturen verhandelt werden.
Arbeiten in der Natur
Und dann folgte der Woodstock-Sommer an der Damra mit Bildhauern aus Deutschland, Österreich, Polen und Japan. Kornbrust hatte keine Themen vorgegeben. Die Landschaft auf der Baltersweiler Höhe und der „richtige Umgang" mit dieser waren die einzige Vorgabe, der sich die Bildhauer stellen mussten. So idyllisch das gemeinsame Leben und Arbeiten in der Natur auf den ersten Blick gewesen sein mag – die unausweichliche Nähe erzeugte auch Probleme, denen Ernüchterung folgte. Kornbrust überdachte sein Konzept und lud im Folgejahr nur drei Künstler ein, die gemeinsam vor Ort arbeiteten. Nicht mehr das gemeinschaftliche Arbeiten, sondern der individuelle Umgang des einzelnen Bildhauers mit seinem Werk in der Landschaft – als Teil des Ganzen – wurde im Sinne des Gesamtkunstwerkes in den Mittelpunkt gestellt.
Die Initialzündung für eine Erweiterung des Geländes hin zu einer Skulpturenstraße lieferte im Jahr 1973 eine Baustelle in St. Wendel, bei der sich im Zuge von Baggerarbeiten große Sandsteinblöcke aus einer Felswand gelöst hatten. Ein Bildhauer wie Kornbrust war über diese Nachricht begeistert und ließ die Blöcke vorsorglich einlagern. Als 1974 der Saarland-Rundwanderweg neu angelegt wurde und nun auch über das bereits vorhandene Symposiumgelände mit den 14 Werken der Jahre 1971/1972 führte, ließ Kornbrust die zuvor eingelagerten Sandsteinblöcke entlang des Wanderweges platzieren, verbunden mit der Idee, dass diese nach und nach von Bildhauern bearbeitet werden sollten. So entstand die Idee einer „Straße der Skulpturen", die 1977 und 1979 mit je zwei weiteren Skulpturen ihre Verwirklichung fand. „1979 erfuhr ich von der Vision des von den Nazis ermordeten jüdischen Künstlers Otto Freundlich, Skulpturenstraßen für den Frieden quer durch Europa anzulegen. Sofort widmete ich diesem Künstler unsere St. Wendeler Skulpturenstraße", erinnerte sich Kornbrust jüngst an die Anfänge der „Europäischen Straße des Friedens".
Der St. Wendeler Teil, der 1988 mit zunächst 38 Werken von 35 Künstlern aus zehn Ländern als abgeschlossen galt, wurde durch ein trilaterales Bildhauersymposium 1993 noch mal mit neun Werken bis nach Braunshausen erweitert. Zahlreiche Projekte, darunter der „Skulpturenweg Salzgitter-Bad", das Stahlbildhauersymposium Dillingen und auch das von Paul Schneider initiierte Projekt „Steine an der Grenze", schlossen sich Kornbrusts Idee einer friedensstiftenden Skulpturenstraße an. Heute – im 40. Jahr ihres Bestehens – reicht die „Europäische Skulpturenstraße" von Saint-Aubin-sur-Mer in der Normandie über St. Wendel bis nach Moskau. Zu den beeindruckenden Werken des ersten Symposiums auf der Baltersweiler Höhe gehört etwa eine Arbeit aus rotem Sandstein des mittlerweile verstorbenen Koblenzer Bildhauers Rudi Scheuermann, die als „Komposition mit stereometrischen Elementen" betitelt ist. Getreu der Vorgabe von Kornbrust, in und mit der vorgefundenen Natur im Einklang zu arbeiten, hat Scheuermann die hügelige Landschaft in geometrische Formen übersetzt, die das Auf und Ab rhythmisch widerspiegeln.
Gegensätze der Landschaft
Von den drei Bildhauern, die Kornbrust 1972 zur zweiten Runde eingeladen hatte, bezaubert vor allem die Arbeit „Erinnerung an die Nike von Samothrake" der rumänischen Bildhauerin Gabriela-Sylva Beju. Die kopflose Figur aus gelbem Sandstein verkörpert in dynamischen Gewandfalten die stolze Siegesgöttin und trotzt den Naturgewalten der St. Wendeler Landschaft. Bei den ersten beiden Symposien waren Bildhauerinnen noch Mangelware, lediglich Beju und Anna Kubach-Wilmsen (im Team mit ihrem Mann Wolfgang Kubach) haben hier ihre Spuren hinterlassen.
Ebenfalls aus dem Jahr 1972 stammt die Skulptur „Ohne Titel" des US-Amerikaners Herbert George. Er hat ein Werk aus rotem Sandstein geschaffen, das die Gegensätze aus gefühlt weichem und hartem Material, die er auch in der Landschaft vorfand, aufgreift: Aus dem Boden scheint eine weiche „Hand" emporzuragen, die eine kristalline, kubische Form hält. Eine ganz andere Auffassung von Skulptur vermittelt der Stahlbildhauer Robert Schad mit seiner auf Linien basierten Skulptur „Im Wind". Die neun Meter hohe Skulptur aus Stahlstäben aus dem Jahr 2008 wirkt je nach Lichteinfall und Tageszeit wie ein versteinerter Blitz.
Wer einen haptischen und emotionalen Zugang zur Kunst sucht, kann entlang der Skulpturenstraße kostenfrei und zu jeder Jahreszeit die symbiotische Begegnung von Landschaft und Skulptur erkunden.