Pünktlich zum Wahlkampf im Osten hat die AfD den Umweltschutz für sich entdeckt. Der Wolf ist für sie offenbar das Hauptproblem, weit vor dem Klimawandel.
Bis zum Frühsommer hatte Karsten Hilse scheinbar den mit Abstand überflüssigsten Job, den man in der Politik haben kann: Umweltpolitischer Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion. Das klang irgendwie wie Frauenbeauftragter der Männerpension. Zwei Trends aber haben den 54-jährigen aus dem sächsischen Bautzen ins Rampenlicht gebracht. Die „Fridays for Future"-Demos und die kommenden Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen. Erstere sorgten im Frühsommer für einen wahren Klimahype in Deutschland, und das hat nun auch Auswirkungen auf den Wahlkampf im Osten.
Abgesehen von den Grünen sind ja CDU, SPD, Linke und selbst die FDP schon lange um den Klimaschutz bemüht – auch wenn das viele nicht mitbekommen haben. Doch die AfD hatte dazu bislang fundiert nichts vorzuweisen, außer der Behauptung von Parteichef Alexander Gauland, dass die Menschen mit der Erderwärmung nichts zu tun hätten und darum auch nichts dagegen tun könnten. Doch ganz so einfach machen es sich die „Umwelt-Patrioten" dann doch nicht. Bei ihnen lautet nun die Parole: „Klimaschutz ist Heimatschutz". Dazu hat sich die Bundestagsfraktion mit den Landesverbänden und den Europapolitikern der Partei Mitte Juli in Dresden getroffen und einen Zehn-Punkte-Plan, die „Dresdner Erklärung" verabredet. Dabei ist das Papier so aufgebaut, das es im Wahlkampf in den Gliederungen der Partei auch ganz gut als „Sprechzettel" auf den Marktplätzen verwendet werden kann. Natürlich beruft man sich in der Präambel auf keinen geringeren als Alexander von Humboldt. Sozusagen den ersten Umweltschützer Deutschlands.
„Klimaschutz ist Heimatschutz"
Energie ist der Dreh- und Angelpunkt in dem Papier. Ohne Energie keine Arbeitsplätze und ohne diese kein Wohlstand. Dem würden bis dahin alle zustimmen. Doch um diesen Wohlstand zu sichern, sollten wir Deutschen uns besinnen und die Atomkraftwerke trotz technischer Neuheiten nicht abschalten, sondern anlassen. Aber auch die Kohlekraftwerke sollten am Netz bleiben, und die heimische Kohle sollte weiter verfeuert werden. Sonst bliebe dieses schwarze Kapital nutzlos im Boden liegen, das könne sich die deutsche Wirtschaft ja überhaupt nicht leisten, so die Logik. Umgekehrt will die AfD den Windrädern an den Kragen. Sofortiger Baustopp, und alle Subventionen sollten gestrichen werden. „Die Windräder verschandeln die Landschaft und vernichten die Vogel- und Insektenwelt", sagt Karsten Hilse und verweist auf angeblich ähnliche Kritik von Tierschutzverbänden. „Unterdessen sind die ersten Windräder mit ihrer Laufzeit durch und müssen rückgebaut werden, doch zum Beispiel die Windflügel aus Carbon können überhaupt nicht recycelt werden, da haben wir jetzt ein regelrechtes Umweltproblem", gibt Hilse zu bedenken.
Im Übrigen stört sich die AfD an den hohen Kosten des Ökostroms. „Das ist eine wahre Gelddruckmaschine, wenn mir der Staat über 20 Jahre einen festen Abnahmepreis für die Kilowattstunde garantiert, der erstens weit über dem Marktpreis liegt und zweitens auch gezahlt wird, wenn der Strom überhaupt nicht gebraucht wird". Diese Kritik ist nicht allein der AfD vorbehalten, Wirtschaftsverbände argumentieren ähnlich.
Doch beim AfD-Umweltprogramm geht es ja vor allem um den Wahlkampf im Osten und darum hat auch ein Tier in dem Papier gleich einen ganzen Programmpunkt bekommen: der Wolf. Dieser, so die AfD, müsse geordnet abgeschossen werden dürfen. Das würden vermutlich viele Hirten, Bauern und sonstige Tierhalter zwischen der Uckermark und dem Vogtland unterschreiben. Allein mit den genannten Beispielen wird klar, wohin es bei der patriotischen Umweltpolitik geht: für Atom- und Kohlekraft, gegen Windenergie und damit gegen die zugehörigen neuen Stromtrassen und vor allem aktuell gegen einen Aufpreis für CO2 im Alltagsleben. Genau diese Positionen kommen in den ländlichen Räumen des Ostens gut an.
Offenbar darum wird auch in dem ganzen Papier der Individualverkehr mit dem Pkw nicht mit einem Wort erwähnt. Denn die Debatte um Elektromobilität ist eine, die vorwiegend im urbanen, nicht aber im ländlichen Raum geführt wird. Deswegen macht die AfD wohlweislich einen großen Bogen um das Thema. In diesem Fall liegt die Partei gar nicht so weit weg von den Grünen und den Umweltverbänden, die genau wissen, dass sie den Landbewohnern ihre Autos nicht wegnehmen können.