Jeder Fünfte leidet regelmäßig unter Sodbrennen. Zur schnellen Linderung werden frei verkäufliche Medikamente geschluckt. Ab wann man aber zum Arzt gehen sollte, wie behandelt wird und welche ernstzunehmenden Erkrankungen hinter dem typischen Symptom stecken können, erklärt Prof. Dr. Daniel Grandt, Chefarzt der Inneren Medizin I am Klinikum Saarbrücken, im Interview.
Herr Prof. Dr. Grandt, was ist Sodbrennen?
Sodbrennen ist ein Symptom, das eigentlich jeder kennt und unter dem vielleicht jeder Fünfte regelmäßig leidet. Es ist das brennende Gefühl in der Speiseröhre, das man auf die Magensäure zurückführt. Manchmal ist auch das Gefühl des Aufsteigens von Säure bis in den Rachen, wir sprechen von Regurgitation, ein Problem. Es ist ein Symptom, das vor allem, gerade bei allen, die es nur manchmal haben, mit der Aufnahme bestimmter Nahrungsmittel oder auch mit Alkohol in Zusammenhang gebracht wird. Sodbrennen kann ein ganz harmloses, manchmal auftretendes Symptom sein, das ohne wesentliche Maßnahmen wieder verschwindet. Sodbrennen kann aber auch Zeichen einer ernst zu nehmenden und behandlungsbedürftigen Erkrankung sein, der sogenannten gastroösophagealen Refluxerkrankung.
Was ist der Unterschied zwischen dem einfachen Symptom und der behandlungsbedürftigen Erkrankung?
Zum einen wird ein Symptom dann zu einer behandlungsbedürftigen Erkrankung, wenn es mit einer gewissen Regelmäßigkeit und Intensität auftritt und damit die Lebensqualität des Patienten beeinträchtigt. Zum anderen kann es aber auch sein, dass es aufgrund dieses Rückflusses von Mageninhalt in die Speiseröhre zu entzündlichen Veränderungen kommt. Diese können gering ausgeprägt sein, nur eine leichte Rötung der Schleimhaut. Sie können aber auch zu oberflächlichen Schleimhautverletzungen, sogenannten Ulzerationen oder Geschwüren führen, zu Blutungen oder Magenveränderungen, aber auch zur Umwandlung von Schleimhaut der Speiseröhre in ein sogenanntes Barrett-Epithel. Das heißt, eine Vorstufe eines sogenannten Ösophaguskarzinoms, eines bösartigen Tumors der unteren Speiseröhre.
Kann man anhand der Regelmäßigkeit der Symptome Rückschlüsse auf eventuelle bösartige Erkrankungen ziehen?
Es wäre schön, wenn die Intensität des Symptoms Rückschlüsse zuließe auf die Gefährlichkeit und Behandlungsbedürftigkeit. Es ist aber leider so, dass es von Mensch zu Mensch verschieden ist. Es gibt Menschen, die haben fast kein Sodbrennen und wir stellen beim Blick in die Speiseröhre eine schwere Refluxösophagitis fest, die zwingend behandlungsbedürftig ist, um Komplikationen zu vermeiden. Und es gibt Menschen mit schwersten Symptomen, die deren Lebensqualität einschränken. Ein Blick in die Speiseröhre zeigt aber, dass sie intakt ist und es keine schweren Veränderungen gibt. Das zeigt, dass man bei der gastroösophagealen Refluxerkrankung eigentlich zwei Patientengruppen unterscheiden muss.
Welche Gruppen sind das?
Die eine Patientengruppe ist die, bei der es durch den schädigenden Rückfluss von Säure in die Speiseröhre zu einer Entzündung und Komplikationen dieser Entzündung kommt. Wir sprechen dann von erosiver Refluxösophagitis. Bei diesen Patienten ist eine konsequente medikamentöse Therapie notwendig. Sie brauchen ein klares diagnostisch-therapeutisches Konzept. Die zweite Gruppe besteht aus Patienten mit einer normalen Ösophagus-Schleimhaut, zumindest bei Betrachtung, trotz der gleichen Symptome eines gastroösophagealen Refluxes, also Sodbrennen. Wir sprechen hier von nicht-erosiver Refluxösophagitis.
Macht es dann Sinn, dass Patienten mit regelmäßigem Sodbrennen auch regelmäßig eine Magenspiegelung machen lassen?
Wenn man tatsächlich regelmäßig und mit einer gewissen Intensität unter Sodbrennen leidet, dann macht es Sinn, einmal eine Ösophagus-Magenspiegelung machen zu lassen. So kann man festlegen, in welche Patientengruppe – erosive Refluxösophagitis/nicht-erosive Refluxösophagitis – man gehört. Es ist nicht notwendig, bei Patienten mit Symptomen, die eine intakte Schleimhaut haben, regelmäßig zu schauen, ob das auch so bleibt. Das bleibt so. Nur bei deutlicher Veränderung der physischen Symptomatik muss man noch einmal endoskopieren. Auf der anderen Seite ist es notwendig, bei den Patienten, die eine deutliche entzündliche Veränderung der Schleimhaut, Geschwüre oder Blutungen haben, endoskopisch zu kontrollieren, ob denn unter Therapie auch tatsächlich alles so abheilt, dass kein Risiko besteht, dass es zu Komplikationen wie Blutungen, Stenosen oder Tumoren kommt.
Man sagt, dass Sodbrennen durch eine eingeschränkte Leistung des Schließmuskels am Magen entsteht. Stimmt das? Gibt es noch andere Ursachen?
Da hat sich das Verständnis ein bisschen geändert. Früher hat man gesagt: Wer Sodbrennen hat, produziert mehr Magensäure als andere. Stimmt nicht. Die Magensäure ist weder aggressiver noch wird mehr produziert. Dann hat man gesagt, Sodbrennen entsteht durch eine axiale Hiatushernie, eine Schließmuskelfehlfunktion gewissermaßen, ein Offenstehen des unteren Ösophagus. Jeder Zehnte hat aber eine solche Hiatushernie, aber nicht häufiger Sodbrennen als andere. Das heißt, diese Hiatushernie hat eine nachgeordnete Bedeutung bei der Entstehung der Erkrankung. Wir wissen heute, dass vor allem Störungen der Beweglichkeit, der Motilität der Speiseröhre und der Verschlussfunktion des unteren Ösophagus dazu führen, dass es zu einem vermehrten Rückfluss von Sekret in die Speiseröhre kommt. Und wir wissen heute, dass es auch nicht eine direkte säurebedingte Schädigung der Schleimhaut, sondern ein durch die Säure ausgelöster Entzündungsreiz ist, der diese Schädigung hervorruft. Das erklärt auch, dass nicht alle Menschen gleichermaßen anfällig sind für die schädigende Wirkung von Magensekret in der Speiseröhre und das erklärt auch, dass es notwendig ist, genau hinzuschauen. Wir haben bisher zwei Gruppen unterschieden und so getan, als wenn diejenigen, die keine Schleimhautschädigung haben, eine homogene Gruppe von Patienten darstellen. Das ist aber nicht so.
Wie kann man diese Gruppe von Patienten mit nicht-erosiver Refluxösophagitis weiter unterscheiden?
Wir haben Patienten in dieser Gruppe mit vermehrtem Säurerückfluss, die das auch merken. Bei diesen Patienten, ungefähr die Hälfte, helfen Medikamente, die die Säureproduktion des Magens hemmen. Dann haben wir einen gewissen Anteil an Patienten, die einen normalen Rückfluss von Säure in die Speiseröhre haben, so wie Sie und ich auch. Diese Patienten merken das aber stärker als der normale Mensch. Das bedeutet, hier gibt es eine stärkere Sensitivität gegenüber einem normalen Rückfluss von Säure. Auch diese Patienten profitieren von einer Hemmung der Magensäuresekretion. Die dritte Gruppe reagiert mit Symptomen auf den Rückfluss von Magensäure, unabhängig davon, ob die Magensäure nun sauer ist, also wirklich Säure enthält, oder ob sie andere Sekrete enthält. Das bedeutet, diese Patienten werden nicht oder nur minimal auf die Hemmung der Magensäuresekretion reagieren. Die vierte Gruppe hat ein normales Säuremaß in der Speiseröhre. Sie merken auch nicht den Rückfluss von Magensekret, haben aber trotzdem Beschwerden. Das sind Patienten, bei denen wir von funktionellem Sodbrennen sprechen. Das ist eine funktionelle Magen-/Darmerkrankung, bei der die gestörte Wahrnehmung das Problem ist. Diese muss natürlich mit ganz anderen Medikamenten behandelt werden.
Was kann man als Patient tun, um Sodbrennen zu minimieren oder zu lösen?
Ein Patient kann sehr viel dazu beitragen, Refluxbeschwerden zu lindern. Wir wissen, dass die Beschwerden mit dem Alter zunehmen und vor allem zwischen 60 und 70 auftreten. Wir wissen aber auch, dass man die Beschwerden mit Verhaltensmodifikation verändern kann. Was zum Beispiel ein ganz wichtiger auslösender Faktor ist, ist Nikotin. Das Rauchen verdoppelt die Wahrscheinlichkeit, unter Sodbrennen zu leiden. Auch hochkonzentrierte Alkoholika sind Verursacher, während beispielsweise Wein, vor allem mit dem Essen genossen, weniger Probleme verursacht. Übergewicht erhöht den intraabdominellen Druck. Deswegen ist Übergewicht ein Faktor, der manifestationsfördernd ist. Es gibt auch Dinge, die fälschlicherweise mit Sodbrennen in Verbindung gebracht werden, wie zum Beispiel Kaffee. Es gibt zwei wissenschaftliche Untersuchungen, die festgestellt haben, dass weder Kaffee noch Tee mit dem Auftreten von Sodbrennen in Verbindung gebracht werden können. Es ist offensichtlich sogar so, dass durch den Konsum von mehr als sieben Tassen Kaffee pro Tag die Wahrscheinlichkeit von Sodbrennen reduziert wird. Mit einer ballaststoffreichen Ernährung, wenig Salz und vor allem nicht zu fettreich, kann man sich vor Sodbrennen schützen. Es gibt keine Notwendigkeit, auf Zitrusfrüchte, Fruchtsäfte, Schokolade oder stark gewürzte und scharfe Nahrungsmittel zu verzichten. Selbst für die Nahrungsmittelaufnahme am Abend gilt, dass sie meist gut zu vertragen, also nicht generell zu vermeiden, ist.
Was kann man sonst noch tun, abgesehen von den Ernährungstipps, die Sie bereits gegeben haben?
Alle kennen die Empfehlung, den Kopf beim Schlafen etwas erhöht zu legen. Das ist auch durch Studien belegt. Es ist aber noch besser, auf der linken Seite zu schlafen, als auf dem Rücken oder auf der rechten Seite. Auf der rechten Seite zu schlafen, verstärkt sogar das Sodbrennen.
Wie kann das sein?
Das hat damit zu tun, dass die Magensäure besser abfließt beziehungsweise der untere Teil des Ösophagus oberhalb des Spiegels des Magensaftes liegt. Das sind einfach mechanische Dinge.
Was halten Sie von frei verkäuflichen Medikamenten?
Es gibt grundsätzlich bei den freiverkäuflichen Mitteln verschiedene Gruppen. Es gibt einmal Arzneimittel, die direkt die Säure abpuffern. Solche Säurebinder haben den Charme, dass sie sofort wirken. Sie haben aber den Nachteil, dass sie mit der gebundenen Säure den Magen relativ schnell verlassen und die nächste produzierte Säure das gleiche Problem wieder verursachen kann. Das heißt: Sie wirken akut, aber nicht lange. Dann gibt es freiverkäufliche Mittel zur Hemmung der Magensäuresekretion, die sogenannten Protonenpumpeninhibitoren – Pantoprazol ist ein Beispiel dafür. Sie unterbinden für bis zu 24 Stunden zum Teil bis zu 90 Prozent der Magensäureproduktion. Es sind aber Medikamente, die insbesondere bei längerer Anwendung oder bei ungeeigneter Kombination mit verordneten Arzneimitteln gefährlich sein können. Also frei verkäuflich heißt nicht frei von Risiken. Und es heißt auch nicht, dass man sie ohne sinnvolle Indikationsstellung langfristig anwenden sollte. Das Problem ist nicht, dass man bei einmal Sodbrennen eine Tablette nimmt und sie hilft. Alles gut, da passiert nichts. Aber wenn man es als Therapieprinzip sieht, dann sollte man genau klären lassen, in welche Patientengruppe man gehört.
Neben einer Therapie durch Medikamente und eine Anpassung des Lebensstils liest man auch häufig von operativen Verfahren. Was gibt es da? Und was halten Sie davon?
Wissen Sie, die Operation als Behandlungsmethode für die gastroösophageale Refluxkrankheit hat ihren Ursprung in einer Zeit, in der man das Problem als rein mechanisches fehlverstanden hat. Es gibt auch heute noch wenige Patienten, bei denen eine Operation ein sinnvoller und notwendiger Bestandteil eines aus mehreren Komponenten bestehenden Behandlungskonzeptes ist. Aus der differenzierten Darstellung der Patientengruppen haben Sie aber schon gesehen, dass vor einer Entscheidung zur Operation tatsächlich eine genaue Klassifikation des Patienten oder der Ursachen der Beschwerden des Patienten erforderlich ist. Erst am Ende eines langen, sehr strukturierten, konservativen Diagnose- und Therapiekonzeptes kann dann auch mal eine Entscheidung zur Operation stehen. Die Entscheidung zur Operation ohne all diese Dinge ist meistens nicht richtig und auch in vielen Fällen nicht von Erfolg gekrönt. Zum einen gibt es keinen Beleg dafür, dass die Operation das Auftreten eines Ösophaguskarzinoms reduziert. Zum anderen ist es häufig so, dass es durch diese Verengung der Speiseröhre dem Patienten nicht mehr möglich ist aufzustoßen oder sich zu erbrechen. Eine Operation kann bei falscher Indikationsstellung nicht nur das Problem nicht lösen, sondern neue, zum Teil beeinträchtigende Symptome bewirken.