Zwei seiner Filme waren für den Oscar nominiert, doch berühmt wurde der vor 95 Jahren geborene Ephraim Kishon, der den Holocaust überlebte, vor allem durch seine Bücher. Rund 70 hat er geschrieben und etwa 43 Millionen Exemplare davon wurden verkauft.
In gewisser Weise legte Ephraim Kishon mit seiner 1945 in einem Budapester Kellerversteck während der russischen Belagerung geschriebenen Nazi-Parodie „Mein Kamm" den Grundstein für seine Schriftsteller-Karriere. Seine Tante Anna schickte die Satire auf die NSDAP über eine imaginäre Partei, die die totale Vernichtung von Glatzköpfen zu ihrem Ziel erklärt, ohne sein Wissen an die ungarische Literaturzeitung „Welt". Tatsächlich gewann er damit den ersten Preis bei einem Wettbewerb. Auf dieser Kurzfassung beruhte sein gleichnamiger Roman von 1997. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Satire-Blatt „Ludas Matyi" auf ihn aufmerksam und machte ihn zum Redaktionsmitglied. Aus bescheidenen Anfängen – dem Verfassen von Theaterstücken, Hörspielen, Glossen und Parodien – entwickelte sich über die Jahre eine literarische Karriere, die Kishon in den Olymp der Satire hieven sollte.
Nach seinem internationalen Durchbruch mit der 1959 vom New Yorker Verlagshaus Atheneum publizierten und sogleich von der „New York Times" zum Buch des Monats gekürten Satire-Sammlung „Drehn Sie sich um, Frau Lot!" brachte Kishon ungefähr alle zwei Jahre ein neues Buch heraus. Ein Bestseller reihte sich an den nächsten – vor allem dank des deutschen Lesepublikums. Der Büchermacher Dr. Herbert Fleissner, der sich selbst als deutsch-konservativ bezeichnete, sollte später kein Problem damit haben, auch die Werke des britischen Holocaust-Leugners David Irving zu publizieren und machte Langen-Müller schon Anfang der 60er-Jahre zu Kishons deutschsprachigem Hausverlag.
Gewaltige Startauflagen von 100.000 Exemplaren waren bei Kishon-Neuerscheinungen selbstverständlich. Schließlich rissen sich die Leser in der Bundesrepublik zwischen den 60er- und 80er-Jahren regelrecht um Kishons Satiren, die mit Titeln wie „Der Blaumilchkanal", „Der Fuchs im Hühnerstall", „In Sachen Kain und Abel", „Kein Öl, Moses?", „Arche Noah, Touristenklasse" oder dem Kompendium „Familiengeschichten", dem nach der Bibel meistverkauften originär hebräischen Buch der Welt, zu einem festen Bestandteil vieler bürgerlichen Bücherregale werden sollten. Stolze 33 Millionen Kishon-Bücher wurden alleine in Deutschland verkauft, weltweit sind es bis heute 43 Millionen.
Das machte Kishon nicht nur zum berühmtesten israelischen Schriftsteller, sondern auch zum weltweit erfolgreichsten und meistgelesenen Satiriker des 20. Jahrhunderts. Im Jahr 2000 wurde er auf Initiative des israelischen Schriftstellerverbandes mit Unterstützung von 18 internationalen Verlagen für den Literatur-Nobelpreis nominiert, doch der Preis blieb ihm verwehrt. Vielmehr droht es dem Autor gar, bei der jüngeren Generation in Vergessenheit zu geraten.
Das Publikum liebte seine Werke, die Kritiker verrissen sie
Bis heute wird immer wieder darüber spekuliert, weshalb Kishon gerade in Deutschland so populär werden konnte, obwohl es kaum einen anderen Schriftsteller gab, der hierzulande vom breiten Publikum so sehr geschätzt und gleichermaßen von einflussreichen Literaturkritikern so sehr ignoriert wurde. Die wichtigsten deutschen Feuilletons machten einen weiten Bogen um den Autor mit seinen satirischen Anmerkungen um die Absurditäten des israelischen Alltags. In der „Zeit" wurden seine Werke 1984 einmal als „Routine-Satiren von oft mäßiger Qualität" abgestraft. In der „Süddeutschen Zeitung" war 2010 von einer „veritablen Massenproduktion" die Rede.
Die Vorliebe der deutschen Leserschaft für den Schriftsteller könne laut „SZ" viel mit „nachkriegsdeutschen Schuldgefühlen" zu tun gehabt haben. Aber auch damit, „dass der Humor-Ton des israelischen Patrioten, der sich später in seinen politischen Äußerungen oft als ziemlicher Hardliner erwies, schlicht dem entsprach, was ein breites Publikum nach nationaler Katastrophe und Wirtschaftswundermühen zur Entspannung und Entlastung brauchte: den Mittelweg zwischen Allerwelts-Plattheiten und leicht abgeschrägter Schlitzohrigkeit."
Kishon selbst fühlte sich zeitlebens von den hiesigen Intellektuellen und Kritikern ungerecht behandelt, dem Literaturpapst Marcel Reich-Ranicki attestierte er sogar einen regelrechten „Kishon-Komplex". Dagegen bezeichnete der Holocaust-Überlebende seine große deutsche Lesegemeinde geradezu als eine Ironie der Geschichte: „Ich verspüre Genugtuung darüber, dass die Enkel meiner Henker in meinen Lesungen Schlange stehen." Es gebe aus seiner Sicht keine kollektive Schuld, sondern nur eine kollektive Schande.
In Israel verscherzte er sich viele Sympathien wegen seiner reaktionären politischen Ansichten, beispielsweise dem vehementen Eintreten für den Siedlungsbau oder den latenten Hass auf die Palästinenser. Aber auch wegen seines zweiten Wohnsitzes im schweizerischen Appenzell, wo er seit 1981 die meiste Zeit des Jahres verbracht hatte, was ihm viele in Israel als klammheimliche Auswanderung ankreideten.
Behördenmitarbeiter änderte den Namen
Ephraim Kishon erblickte unter dem Namen Ferenc Hoffmann am 23. August 1924 in Budapest das Licht der Welt. Als Sohn des Bankiers Dezsö Hoffmann und dessen früherer Sekretärin Erzsébet wuchs er unbeschwert in einer komplett assimilierten jüdischen Familie auf, in der weder Jiddisch noch Hebräisch gesprochen wurde. Trotz eines Prädikatsabiturs 1941 konnte er wegen der Judengesetze kein Studium aufnehmen, sondern begann 1942 eine Lehre als Goldschmied. Ab 1944 begann für ihn eine Odyssee durch verschiedene Konzentrationslager. Schließlich gelang ihm nach dem Transport ins Vernichtungslager Sobibor die Flucht. Auch der Deportation in ein russisches Arbeitslager konnte er knapp entgehen. Von seiner ehemals 20-köpfigen Familie überlebten neben ihm nur seine Eltern und seine Schwester Ágnes den Holocaust.
Nach dem Krieg nahm er an der Universität Budapest ein Studium auf und schloss es 1948 mit Diplom als Metallbildhauer – mit Reliefarbeiten als Spezialdisziplin – und Kunsthistoriker ab. Seinen bürgerlich klingenden Nachnamen hatte er aus Furcht vor den Kommunisten in Kishont geändert. Trotz erster schriftstellerischer Erfolge bestieg er 1949 mit Ehefrau Chawa, die er drei Jahre zuvor geheiratet hatte, im italienischen Bari das Flüchtlingsschiff „Galiläa" mit Ziel Israel.
Ein Mitarbeiter der Einwanderungsbehörde änderte den Namen des Neuankömmlings eigenmächtig in Ephraim Kishon um. Nachdem er anfangs in einem Kibbuz bei Nazareth einfachste Arbeiten als Elektriker, Pferdeknecht und Latrinenreiniger erledigt und nebenbei Glossen für die ungarischsprachige Zeitung „Uj Kelet" verfasst hatte, machte er sich 1951 mit einer eigenen Metallwerkstatt selbstständig. Schon wenig später jedoch beschloss er, sich ganz der Schriftstellerei zu widmen, weshalb er 1952 einen einjährigen Hebräisch-Crashkurs absolvierte. Nach ersten Beiträgen im Blättchen „Omer" gelang Kishon der Einstieg bei der größten israelischen Tageszeitung „Maariw", für die er eine tägliche Kolumne schreiben durfte – und das insgesamt 30 Jahre lang.
Zwei Nominierungen für den Oscar
1953 wendete er sich erstmals auch dem Theater zu und brachte sein Stück „Der Schützling" auf die Bretter, die die Welt bedeuten. Nachdem er sich 1957 von seiner ersten Ehefrau Chawa, die gerade Sohn Rafael geboren hatte, hatte scheiden lassen, heiratete er 1959 die ausgebildete Pianistin Sara, die ihm Sohn Amir und Tochter Renana schenkte. Danach verstärkte er sein Bühnen-Engagement durch die Gründung des eigenes Theaters „Die grüne Zwiebel" in Tel Aviv. 1962 stieg er aus, um als Regisseur und Drehbuchautor seinen ersten Film „Sallah – oder: Tausche Tochter gegen Wohnung" zu realisieren, der 1965 für den Oscar als bester fremdsprachiger Film nominiert wurde und zwei Golden Globes gewann. 1972 wurde Kishon mit seinem Film „Schlaf gut, Wachtmeister!" nochmals für den Oscar nominiert und heimste einen weiteren Golden Globe ein.
Große Aufmerksamkeit erregte Kishon, der übrigens zeitlebens auch ein ausgezeichneter Schach- und Billardspieler war, mit seiner heftigen Kritik an der modernen Kunst und vor allem den Auswüchsen des zeigenössischen Kunstbetriebs, was er am ausführlichsten in der Streitschrift „Picasso war kein Scharlatan" 1983 dargelegt hatte. Nach dem Tod von Sara ehelichte Kishon, dem nach eigenem Bekunden Gesundheit und Reichtum im Leben am wichtigsten waren, im Frühjahr 2003 die österreichische Schriftstellerin Lisa Witasek. In deren Armen starb er am 29. Januar 2005 infolge eines Herzanfalls im zum Bezirk Appenzell gehörenden Örtchen Meistersrüte. „Ich bedauere nur", sagte Kishon im Vorausblick auf sein Ende, „dass ich bei meiner Beerdigung nicht lauschen kann. Man wird so schöne Sachen über mich sagen, ich werde ein großer Philosoph sein. Schade, dass ich das verpasse."