Künstliche Intelligenz digitalisiert Tennis-Grand-Slams – smart, bedächtig und individuell. Mehrere Kameras erfassen jede Bewegung der Spieler und erstellen in Windeseile Videosequenzen und Statistiken. Der Sport wird immer gläserner.
Watson ist ein Tennisexperte. Und ein wissbegieriger Schüler. Er ist eine Künstliche Intelligenz (KI) von IBM, der Detektivisches an sich hat. Bei Grand Slams – zuletzt in Wimbledon und als nächstes bei den US Open – lernt das KI-System sehr fleißig anhand von Daten, Erfahrungen und Erlebnissen. Um etwa sofort zu erkennen, wann ein Ball, der geschlagen wurde, ein besonderer Ball ist, auch wenn kein lautes Raunen durch das Publikum geht. Diesen sonst unbeachteten Ball sollen auch Menschen zu sehen bekommen, die nicht auf der Tribüne oder vor dem Fernseher den perfekten Blick auf diesen einen Aufschlag, Return oder Ballwechsel haben. Sie bekommen ihn in Highlight-Zusammenfassungen, für die Watson blitzschnell fair ausbalanciertes Material für den Cutter bereitstellt oder gar automatisiert schneidet.
Hightech im Spitzensport. Es gibt 120 Kameras auf dem Gelände von Wimbledon. Technik von Sony. Zehn Kameras und mehrere Sensoren auf jedem Court verfolgen jede Bewegung der Bälle und der Spieler. Eine Menge Daten liefert so ein Grand Slam. So auch die US Open.
Technik, wie gewohnt, seit 1989 in Wimbledon und längst darüber hinaus: Üblich ist seit langem, dass IBM die Aufbereitung als Statistik liefert. Und zwar statistische Werte, die mit darüber entscheiden, ob jemand gewinnt oder nicht: Marken, die besagen, in welchem Feldabschnitt des Courts Bälle angenommen oder mit welcher Geschwindigkeit sie wohin gespielt werden.
Die Suche nach dem perfekten Blick
Neu ist in diesem Jahr die automatisierte Zusammenfassung mit Künstlicher Intelligenz, die trickreich agiert, direkt nach dem Match oder zum ganzen Tag: Indem sie Lautstärke speziellen Umständen zuordnet und ihre Wahrnehmung entsprechend dämpft.
Für Thomas Ross, der bei IBM den Bereich „KI und Technologien in den Medien" betreut, ist es ganz normal, dass hier Algorithmen, Mustererkennungen und Maschinelles Lernen ins Spiel kommen: „Watson wird absolut als Tennisexperte angelernt. Das muss so sein. Sonst kann ich auch keine Zusammenfassung schneiden."
Der Experte für Fan-Erfahrungen und technische Entwicklung erklärt das so: „Gerade wenn ich nicht nur ein Spiel highlighte, sondern mehrere Matches, ist auch die Atmosphäre im Stadion wichtig. Diese hängt stark davon ab, ob ein heimischer oder sehr bekannter Spieler mit auf dem Court steht, oder welche Tageszeit ist. In der Mittagszeit hat man weniger Chancen, viel Begeisterung zu bekommen, weil die Sonne heiß scheint und die Menschen hungrig sind. Die KI gleicht unvorteilhafte Gegebenheiten einfach aus, sodass auch leise und besondere Momente eine Chance haben, in die Highlights zu kommen."
Für Ross ist „eine verantwortliche KI, die ausgewogen und fair agiert", über Tennis hinaus, „insgesamt das Thema". Beim autonomen Fahren, bei sicherheitsrelevanten Fragen, sei Ausgewogenheit in der Künstlichen Intelligenz sehr wichtig.
Im Fußball spielte KI schon bei der jüngsten WM mit. Doch Ballspielen mit Teams und Toren und Fankurven-Tumulten ist anders. Der Watson-Experte: „Für Tennis muss speziell antrainiert werden, dass ein Spieler gerade emotional ist. Das ist hier ganz besonders".
Speziell in der distinguierten Atmosphäre von Wimbledon: Wo der Stuhlschiedsrichter ganz genau darüber wacht, ob Schläger zerbrochen, Finger unflätig gereckt, Verwünschungen gemurmelt werden, ironische Kusshände zum Gegner hinüberfliegen oder ein Sieger wie Novak Djokovic ein Stückchen Court-Belag kaut.
„Was sich ganz gewandelt hat, ist das mediale Umfeld. Fernsehübertragungen waren das erste, was da war. Jetzt gibt es ganz unterschiedliche mediale Anwendungen, in Echtzeit, unter Nutzung sehr vieler Daten", resümiert Ross. „Sie brauchen eine riesige, mediale Plattform, um auf alles vorbereitet zu sein, was genutzt wird." Ein Blick zurück: 1991 kam von IBM das Championships Information System, die erste integrierte Lösung für Presse, Medien, Rundfunk und Öffentlichkeit. Vier Jahre später baute der IT-Konzern die offizielle Wimbledon-Website auf – die erste Sportwebseite mit Live-Ergebnissen.
Heute könne ein großer Fanansturm auf die digitale Infrastruktur gemeistert werden: „Die digitale Nutzung übers Smartphone, über die digitalen Medien, steigt sehr stark an. Der Faktor 55.000 von Wimbledon gilt ähnlich für die US Open. Tennis ist in der Digitalisierung angekommen", bilanziert Ross.
Digitale Sicherheit ist ein großes Thema
Stichwort Highlights: „Die Clips bringen einen anderen Blick auf Ereignisse, auf die Elemente, an die man nicht denken würde, wenn man über die Lautstärke auf dem Center Court geht. Wo die KI auch die leiseren Spiele berücksichtigt, besondere Ereignisse abbildet, mehr Vielfalt in die mediale Berichterstattung bringt".
Nicht für alle Fragen, für die auf der Fan-App Antworten zu finden sind, braucht es Künstliche Intelligenz: Wer sind die Favoriten der US Open? – Novak Djokovic, Rafael Nadal, Roger Federer. Die Big Three, wen wundert’s?
Bei den Damen werden Serena Williams, Vorjahressiegerin Naomi Osaka und die aktuell dominante Tennis-Dame Ashleigh Barty auf der IBM-App genannt. Auch hier hätte es der Tennis-affine Nutzer sicherlich mit Watson aufnehmen können.
Doch der lernt ja immer weiter dazu. „App-solut" schlau, beispielsweise mit „Keys to the match", also Schlüsseln, die ein Muster im Tennis sehen: „Was wir mit den Veranstaltern machen, ist für die verschiedenen Nutzergruppen, auch für Ausrichter, Kommentatoren, Spieler, Schiedsrichter und Trainer verschiedene Apps bereitzustellen. Natürlich gibt es immer einen Coach oder Trainerstab, wie im Fußball, der das Spiel und die Statistik so auswertet. Aber prinzipiell wird die Mustererkennung schon genutzt", erklärt der IBM-Manager. „Die Player App, wo sie ihre Kontrahenten studieren können, mit allen Statistiken, bekommen alle Spieler – nicht nur Federer, Nadal oder Djokovic."
Watson ist übrigens nicht nur Tennisexperte. Vergangenes Jahr soll IBM Watson for Cyber Security dazu beigetragen haben, mehr als 200 Millionen Sicherheitsereignisse während des Grand Slams von Wimbledon zu verhindern. „Was sich sehr geändert hat, ist die Sicherheit, vom Zugang ins Stadion, hin zur digitalen Sicherheit", sagt Ross. Stichwort Hacking. „Das ist ein Thema, das man bei jedem großen Ereignis ernst nehmen muss. Wir haben ein großes Netz von Firmen, die darauf spezialisiert sind, das zu verhindern. Aufbauend auf der KI von Watson."