Die Saarlandklausur ist für die SPD traditionell der Ort für eine Standortbestimmung. Zur Halbzeit der Großen Koalition sieht Parteichefin Anke Rehlinger, zugleich Wirtschaftsministerin und stellvertretende Ministerpräsidentin, zentrale Herausforderungen durch die demografische Entwicklung, den Strukturwandel, die Digitalisierung und den Klimaschutz.
Frau Rehlinger, die traditionelle Saarlandklausur der SPD ist in diesem Jahr auch eine Halbzeitbilanz der Regierungsarbeit. Wie fällt die aus?
Die Saarlandklausur wird über die Zukunftsfragen des Landes diskutieren und was unsere Antworten darauf sind. Ich meine, dass wir an einem Punkt stehen, an dem es sinnvoll ist, einen Blick auf das Große und Ganze zu werfen. Seit Antritt der Landesregierung ist viel passiert in der Welt, mit vielen Auswirkungen für uns im Saarland. Es wird also darum gehen, für die zweite Hälfte der Legislaturperiode zu schauen, wo sind die Herausforderungen, wie schaffen wir Zukunft im Saarland und was braucht es dafür? Für mich persönlich waren die Sommerferien auch der Anlass, den Blick noch mal zu weiten. Bei der Saarlandklausur will ich aus meiner Sicht sagen, welche Weichen wir stellen müssen. Ich habe vorgeschlagen, dass wir das dann in einer Klausurtagung der Regierung besprechen, so wird es auch kommen.
Das heißt konkret?
Was müssen wir tun, um mittelfristig den Trend gedreht zu bekommen, dass wir immer weniger Saarländerinnen und Saarländer werden? Welche Impulse müssen wir für Wirtschaftswachstum setzen? Und was müssen wir tun, um mehr Investitionen im Land auf die Beine zu stellen? Die Investitionsquote ist nach wie vor schlecht. Das gilt insgesamt im privaten wie im öffentlichen Bereich, bei Land und Kommunen. Und letztlich geht es um die Frage, ob wir schon gut genug aufgestellt sind für die Zukunftsherausforderungen der Digitalisierung, des Klimaschutzes und des Strukturwandels, der uns hier im Saarland stärker und schneller treffen wird als andere Regionen in Deutschland. Dass das im Mittelpunkt unserer Politik stehen sollte, hat ja die jüngste Studie gezeigt, die die besondere Betroffenheit des Saarlandes unter 19 Regionen herausgearbeitet hat. Es sind also im Wesentlichen drei große Herausforderungen: Wie schaffen wir es, den Trend, dass wir immer weniger werden, umzudrehen, wie bekommen wir Investitionen in diesem Land nach oben gefahren und wie beantworten wir die Zukunftsfragen Strukturwandel, Digitalisierung und Umweltschutz? Dafür müssen wir als Landesregierung Antworten liefern und bei anhaltend knapper Kasse Finanzierungsschwerpunkte setzen.
Heißt das, den Koalitionsvertrag noch einmal aufzuschnüren?
Nein. Aber man wird sicherlich noch einmal einen Blick drauf werfen müssen, wo wir stehen. Wir haben vieles abgearbeitet. Das ist der beste Beleg, dass die Regierung in den letzten Jahren gute Arbeit geleistet hat. In dem Fall heben wir uns auch von der Bundesregierung ab. Ich glaube, die Saarländer haben eine gute Regierungsarbeit bekommen, und meine feste Absicht ist, dass wir das auch so fortsetzen. Aber es ist doch ganz natürlich, dass man von Zeit zu Zeit prüft, ob man noch überall die richtigen Antworten gibt und Schwerpunkte setzt. Ich glaube etwa, dass wir beim Klimaschutz konkreter und verbindlicher werden müssen. Und wir müssen deutlich machen, dass es für uns ein übergeordnetes Ziel ist. Deshalb habe ich vorgeschlagen, dass wir den Klimaschutz in die saarländische Verfassung aufnehmen. Wir müssen aber auch konkret machen, dass Digitalisierung eine Zukunftsfrage ist. Sie kann auch eine Zukunftslösung sein. Ich könnte mir vorstellen, dass wir im Saarland Vorbild werden für das Thema kostenfreies W-Lan in den Kommunen. Oder bei der Frage: Wie qualifizieren wir die Mitarbeiter, damit sie auch umsetzen können, was die Digitalisierung an Chancen bietet. Und bei Verkehrswende und Mobilität geht es zum Beispiel darum: Wie wird der Verkehrsraum zukünftig aufgeteilt sein, und machen wir Ernst beim ÖPNV? Ich habe dazu einige Vorschläge gemacht. Die kann ich aber nicht umsetzen, wenn wir nicht mehr Geld ins System geben.
Das Land wird ab nächstem Jahr zwar mehr Spielräume haben. Was antworten Sie Kritikern, die sagen: Das zusätzliche Geld ist jetzt schon mehrfach ausgegeben?
Wir haben uns bei den Bund-Länder-Finanzbeziehungen zusätzliche Spielräume erarbeiten können. Diese Chance haben wir uns durch die Haushaltskonsolidierung der letzten Jahre geschaffen. Die müssen wir nun nutzen, indem wir das Geld klug einsetzen. Ich glaube aber, dass es nicht geht, ohne dass der Bund weiter in die Pflicht genommen wird, Stichwort Entlastung der Kommunen. Soweit wir das als Land leisten können, haben wir mit dem Saarlandpakt unseren Teil beigetragen. Trotzdem hinken wir in der Frage der Investitionen deutlich im Bundesdurchschnitt hinterher, das müssen wir aufholen. Deshalb ist wichtig, was man in der Kommission gleichwertige Lebensverhältnisse angedeutet hat, nämlich hochverschuldeten Kommunen zu helfen. Das muss auch konkret umgesetzt werden, nachdem das Land seinen Teil schon geleistet hat. Das ist ein wichtiger und entscheidender Punkt für die Investitionsfähigkeit. Wir müssen aber auch die Auswirkungen der Schuldenbremse ansehen. Es war immer schon mein Credo, dass die Schuldenbremse keine Investitions- und Wachstumsbremse sein darf. Ich freue mich insofern, dass diese Debatte, die ich schon länger führe, prominente Fürsprecher gefunden hat. Es geht nicht darum, Geld in konsumtive Ausgaben zu stecken. Aber wir brauchen einen Topf, einen Fonds, um die ganzen Infrastrukturprojekte zu finanzieren, die wir in diesem Land brauchen, etwa bei der Bahn oder dem Breitbandausbau.
Die jüngste Diskussion über Lehrer- und Polizeistellen war ziemlich heftig. Ist das ein Indiz, dass in Zukunft mehr untereinander in der Koalition gerungen werden muss?
Es ist doch klar, dass es in Zeiten, in denen wenig Geld zur Verfügung steht, ein hartes Ringen gibt. Es geht nicht darum, Bildung und Sicherheit gegeneinander auszuspielen, beides ist wichtig. Wir wollen im Saarland uns nicht von anderen abhängen lassen. Deshalb muss unser Ziel bei den Standards sein, dass wir nicht nur nicht weiter verlieren, sondern dass wir auch aufholen können. In Zeiten der Haushaltskonsolidierung haben wir gesagt: Wir dürfen uns nicht dauerhaft mehr leisten als andere. Jetzt müssen wir in einigen Bereichen mal sagen: Wir dürfen uns aber auch nicht dauerhaft weniger leisten als andere. Deshalb ist gut, wenn für mehr Sicherheit durch mehr Polizisten gesorgt wird. Es ist aber auch gut, wenn wir eine gute Unterrichtsversorgung haben. Der letzte Bildungsmonitor hat uns gezeigt, dass – bei allen Erfolgen, die Ulrich Commerçon in der Bildungspolitik vor allem in Sachen Bildungsgerechtigkeit erzielt hat – Digitalisierung in den Schulen noch eine große Aufgabe ist. Wenn wir uns als IT-Standort hervortun wollen, wird das nicht gehen, wenn wir das Thema ausschließlich aus dem Blickwinkel von Instituten und Universität betrachten. Das muss auch in den Schulen mit unseren Kindern aufwachsen.