Wer Lorch am Rhein als Standort wählt, um ein ausgedehntes Wanderroutennetz zu erkunden, landet einen Volltreffer. Rheinsteig, Rhein-Burgenweg, Wispertalsteig, Klostersteig, Rheingauer Rieslingpfad, Rheingauer Gebück-Wanderweg und der Rheinbergsteig liegen direkt vor der Tür. Hinzu kommt das Mittelgebirge Hunsrück.
Als ich mich Ende März entschloss, gemeinsam mit meiner Beaglehündin Emma und meinem Freund Werner einige Tage zu wandern, entschied ich mich für Lorch im Weltkulturerbe Mittleres Rheintal. Eine Freundin, die im Rheingau lebt, hatte mir den Wispersteig und ein ehemaliges Schulhaus, das zu einem Hotel umgebaut worden ist, empfohlen. Zusätzlich fand ich im Internet einen Text, der mich neugierig machte: „Augen, Ohren, Nase und Füße leiten zugleich Eindrücke der seltenen Art an das Innere im Wanderer, es entsteht ein besonderes Wohlempfinden. Die Farben und Geräusche des Waldes wechseln im Jahreskreis, gleich bleiben die hohe Luftqualität, die gute Qualität der Fließgewässer und die Stille. Während der Wanderung sind erhebliche Temperatur- und Luftfeuchtigkeitsunterschiede erfahrbar, schattiger Wald und Wiesen, steile Felsformationen und Fernblicke sind die Begleiter beim Auf und Ab auf angenehm zu gehenden Wegen und Pfaden."
Schattiger Wald und weite Wiesen
In Lorch kann man seit einigen Jahren in einem außergewöhnlichen Hotel übernachten. Dort, wo man früher in der Wisperschule die Schulbank drückte, entstand ein Haus, indem auch Hunde besonders willkommen sind.
Das „Hotel im Schulhaus", wie es offiziell seit 2013 heißt, liegt direkt an der Wisper. Auffällig sind die klaren Konturen des Hauses. Hotelchefin Susanne Röntgen-Müsel klärt uns auf: „Das Schulhaus ist ein Kulturdenkmal aus dem Jahr 1933 und wird in seiner Ausführung dem späten Bauhaus-Stil zugeschrieben. Im Jahr 1919 von Walter Gropius in Weimar als Kunstschule gegründet, waren die Ideen, die in dieser Stilrichtung verwirklicht wurden, damals etwas völlig Neues: ein Zeugnis der Avantgarde der klassischen Moderne in Architektur, Kunst und Design. Sie bildeten einen Gegenentwurf zur Ästhetik des Historismus mit seinen kunsthandwerklich entwickelten Ornamenten. An ihre Stelle trat eine neue Sachlichkeit."
Susanne Röntgen-Müsel war bereits beim Umbau des Hauses involviert und konnte ihre Ideen einbringen. Zusammen mit ihrem Mann lädt sie Gäste zu gemeinsamen Wanderungen rund um Lorch ein.
Der Wispertal-Steig, ein Rundwanderweg zwischen Laukenmühle, Espenschied, der Wisper und dem Sauerbornbach verspricht „in Stille wanderbar". Tatsächlich treffen wir an diesem Tag nicht einen einzigen Wanderer. Stille Wälder und Ausblicke von den Höhen ins schier unendlich scheinende Waldmeer des Taunus liegen auf dem rund 15 Kilometer langen Rundweg. Das Gluckern kleiner Bäche und Vogelgezwitscher an einem noch kühlen Frühlingstag sind die einzigen Geräusche, die unser Ohr erreichen. Hinzu kommen einige Steigungen, die wir gerne auf uns nehmen, denn sie verleihen uns wohlige Wärme.
Zurzeit entstehen im Wispertaunus 14 Premium-Rundwanderwege und ein Streckenweg entlang der Wisper von der Quelle bis zur Mündung in den Rhein in Lorch. Insgesamt warten 210 Wanderkilometer auf Wanderer. Mehr über die „Wisper Trails" unter wisper-trails.de.
Rund um Lorch sind in den letzten Jahren zehn verschiedene Rundwanderwege entstanden. Wir entscheiden uns für die Wegmarkierung mit der Nummer sieben. Der Weg führt teilweise durchs Historische Lorch. Zunächst wandern wir am 1567 erbauten alten Festungsturm, dem sogenannten Strunk, vorbei. Es folgt das Hilchenhaus in der Rheinstraße, einst vornehmer Sitz des Lorcher Adelsgeschlechts von Hilchen und bedeutendster Renaissancebau des Mittelrheintals. Am Abend werden wir im Keller des Hauses in angenehmer Atmosphäre unser Abendessen zu uns nehmen. Weitere Prachtbauten auf unserem Weg sind die Alte Apotheke, der Gräfliche von Walderdorff’sche Hof, das „Hotel Zur Krone", der ehemalige Gasthof Zum Schwanen, Weingut Fendel sowie die Schwanen-Kellerei Friedrich Altenkirch, wo wir später einer vorzüglichen Riesling aus den Steillagen rund um Lorch probieren werden.
Grandiose Ausblicke ins Rheintal zur Schönburg über der Oberwesel
Danach bringt uns die Wegtrasse auf Höhe, der Blick reicht von Burg Kaub, die mitten im Rhein steht, bis zur Burg in Bacharach. Auf der Höhe verläuft unser Wanderweg gemeinsam mit dem Rheinsteig auf der gleichen Trasse. Einige Rheinsteigwanderer sind im frühen Frühjahr bereits unterwegs.
Am dritten Wandertag unseres Kurztrips wechseln wir mit der Fähre die Rheinseite. Eine Viertelstunde später parken wir oberhalb des Rheins am Günderodehaus bei Oberwesel. Wir wollen ein Stück auf dem Rheinburgenweg Richtung Maria Ruh wandern. Von dort hat man den besten Blick zur Loreley.
Bevor wir loswandern, wagen wir einen ersten Blick von der Terrasse des „Günderodehauses". Unter Kastanien und Birken steht das schiefergedeckte Fachwerkhaus, Filmarchitektur des Autors und Regisseurs Edgar Reitz. Im dritten Teil seines „Heimat"- Epos spielt das Haus eine Hauptrolle. Die Blicke von der Terrasse ins Rheintal, zur Schönburg, die über Oberwesel thront, sowie die Hochfläche des Vordertaunus sind grandios.
Auf dem Rheinburgen-Weg begegnen uns an diesem Morgen nur wenige Wanderer. Der Blick vom Landschaftspark Loreleyblick Maria Ruh zum gegenüberliegenden sagenumwobenen Loreleyfelsen hat etwas Magisches. Eine Bronzetafel erinnert an die drei Väter des Loreleyliedes: Clemens Brentano, Heinrich Heine und Friedrich Silcher. Clemens Brentano hat 1800 mit seiner Ballade „Lore Lay" diesen mythischen Ort aufgegriffen. Heinrich Heines Verse haben der Gestalt der Jungfrau eine Form gegeben. Durch die einfühlsame und volksliedhafte Melodie Friedrich Silchers erlangte das Lied größte Popularität.
Später gönnen wir uns auf der Terrasse des Günderodehauses einen warmen Milchkaffee und essen dazu ein Stück hausgemachten Kuchen. Wir sind entschlossen zurückzukommen, zum Rhein und zum Wandern und werden im Schulhaus-Hotel in Lorch nochmals Quartier beziehen. Wanderer und ihre vierbeinigen Begleiter sind dort bestens aufgehoben.