Der US-Präsident spielt mal den Krawallmacher, mal den Friedensstifter
Der G7-Gipfel am vergangenen Wochenende im südfranzösischen Badeort Biarritz war ein Gipfel der Überraschungen. Zunächst mit Blick auf Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron. Der Chef des Élysée-Palastes lässt immer mehr erkennen, dass er nicht nur eine Führungsrolle in Europa anstrebt. Macron begreift sich zunehmend als einer der maßgeblichen Akteure der internationalen Politik. Die Gelbwesten-Proteste über soziale Ungleichheiten, die ihn monatelang innen- und außenpolitisch geschwächt hatten, hat er durch eine offensive Kommunikation neutralisiert. Nun verfügt er über Rückenwind –
und er nutzt ihn.
Die sorgsam eingefädelte und bis zum Schluss unter der Decke gehaltene Einladung des iranischen Außenministers Dschawad Sarif nach Biarritz war einer der größten Coups in der Geschichte der internationalen Spitzentreffen. Am Vorabend hatte Macron die übrigen Gipfelteilnehmer informiert. Eine äußerst kunstvoll orchestrierte Aktion, die vom wieder gewonnenen Selbstbewusstsein des Franzosen zeugt.
Mit seinem riskanten diplomatischen Eisbrecher-Manöver hat der Präsident neue Bewegung in den festgefahrenen Atom-Konflikt zwischen den USA und dem Iran gebracht. Seine Kompromissformel – niemals Kernwaffen für Teheran, dafür wirtschaftliche Vorteile des Regimes als Ausgleich – könnte die Lage entkrampfen und die Tür für ein Treffen zwischen Trump und Irans Staatschef Hassan Rohani zumindest einen Spalt weit öffnen.
Die zweite Überraschung des G7-Gipfels war US-Präsident Donald Trump. Fast jeder ging davon aus, dass der Chef des Weißen Hauses streitlustig und mit Blockadehaltung nach Biarritz reisen würde. Das Gegenteil war der Fall. Trump gab sich ungewohnt samtpfotig. Die von ihm oft gescholtene Bundeskanzlerin lobte er plötzlich als „brillante Frau". Und raspelte in nie dagewesener Weise Süßholz: „I have German in my blood" – „Ich habe deutsches Blut", sagte der Mann, dessen Großvater Frederick 1885 aus dem rheinland-pfälzischen Kallstadt nach New York ausgewandert war. Da zuckten selbst Angela Merkel kurz die Mundwinkel.
Trump betreibt eine janusköpfige Politik. Er ist hart – und das Gegenteil davon. Er sieht sich einerseits gern als den testosterongesteuerten politischen Muskelprotz, der die aufstrebende Weltmacht China mit Zöllen an die Kandare nimmt und die exportstarke EU mit Abgaben auf Importe das Fürchten lehrt.
Dahinter steckt das etwas naive Bild vom Handelskrieger, der sein eigenes Land gegen die bösen Chinesen und Europäer da draußen in Schutz nimmt. Andererseits offenbart der US-Präsident immer wieder seine weiche Seite. In Biarritz kündigte er einen „baldigen" Besuch in Deutschland an. Das Land, das er bislang wegen vermeintlich unzureichender Verteidigungsausgaben als Trittbrettfahrer des militärischen Schutzschirms der USA gegeißelt hatte.
Auch in der Iran-Frage legt der Präsident neuerdings eine ungewohnte Geschmeidigkeit an den Tag. Er wolle keinen „Regimewechsel" in Teheran, bekräftigte er in Biarritz. Er sei bereit, mit dem iranischen Präsidenten Rohani zu reden, wenn die „Umstände es hergeben". Ein krasser Gegensatz zu den Tiraden der Vergangenheit, in denen Trump den „Terrorstaat der Mullahs" angeprangert hatte.
All diese Widersprüche lassen sich auflösen: Der Amerikaner sieht sich im Dauer-Wahlkampf. Im November 2020 stimmen seine Landsleute darüber ab, ob Trump weitermachen darf oder ein Demokrat oder eine Demokratin ins Weiße Haus einzieht. Der Amtsinhaber wird von zwei gegensätzlichen Kräften angetrieben. Er sucht zum einen den Auftritt in der Krawall-Arena, in der er den starken Mann markiert und feindliche Mächte in Schacht hält.
Zum anderen begreift er sich als Friedensstifter, der die Schurken durch einen harten Auftritt zähmt und so die Bedürfnisse der kriegsmüden Nation zu Hause bedient. Trump hat einen Traum: Er würde gern den Iran und Nordkorea an den Verhandlungstisch bringen, beide Länder auf einen Atomwaffen-Verzicht für immer verpflichten und sich als der große Weltenlenker feiern lassen.
Beide Rollen werden von Trumps Anhängern geschätzt. Da der Präsident in hohem Maß von seinen Impulsen gesteuert wird, neigt er einmal der einen und bald darauf wieder der anderen Seite zu. In Biarritz gab sich Trump sanft. Von Dauer ist dies sicher nicht.