Nach kleineren Startschwierigkeiten entpuppt sich das E-Lastenfahrrad im Selbstversuch mit zunehmender Eingewöhnungsdauer als praktischer Alltagshelfer.
Jetzt will ich’s wissen: Eine langgezogene, leicht abschüssige und perfekt asphaltierte Kurve am Saarufer. Strahlender Sonnenschein, keine Fußgänger zu sehen, mehrere Hundert Meter freie Fahrt. Ich schalte an meinem E-Lastenfahrrad vom energiesparenden Eco-Modus über den normalen Unterstützungs- bis in den Power-Modus und trete los. Die digitale Stundenkilometer-Anzeige auf dem Display des Lenkers steigt mit jeder Umdrehung. Bis ich 25 km/h schnell bin, werde ich von meinem Gefährt voll unterstützt. Danach setzt die Hilfe bei E-Bikes aus rechtlichen Gründen aus, das ist mir nach der Einweisung durch den Experten Thomas Abel von Cargo Velo Services heute Morgen bewusst. Doch bis zu diesem Punkt hat mir der elektrische, 3.200 Gramm leichte Hilfsmotor bereits solch hervorragende Dienste geleistet, dass ich nun auf meine eigene und volle Manpower umsatteln kann. Also strampele ich los – mit allem was ich habe. 30 Kilometer pro Stunde. Dann 40. Die elektronische Schaltung springt in den achten und somit höchstmöglichen Gang. 50 Kilometer pro Stunde. Jetzt 55. Der Fahrtwind drückt mir ins Gesicht. Ach was, gegen meinen gesamten Körper – macht das Fun! Dann muss ich leider abbremsen. Schade, die 60 hätte ich auch noch geschafft.
Bis ich mir zutraue, eine solche Leistung aus dem sogenannten eBullitt des Herstellers Larry vs Harry herauszuholen, dauert es aber eine ganze Weile. Denn die ersten Minuten auf dem mit 2,43 Meter ungewohnt langen E-Lastenfahrrad sind alles andere als einfach. Am verwirrendsten ist es, dass die extrem präsente Transportbox direkt vor mir sich in Kurven gefühlt in die entgegengesetzte Richtung zum Lenker und dem aus meiner Sicht nur schwer wahrnehmbaren Vorderrad zu bewegen scheint. Man konzentriert sich beim Fahren zunächst einmal also automatisch auf diesen großen Kasten statt auf das dünne und recht kleine Rad davor – und das ist ein Fehler. Obwohl ich zuerst instinktiv und wie von einem normalen Fahrrad gewohnt in die richtige Richtung lenke, versuche ich kurz darauf aus Reflex, weil die Transportbox in die andere Richtung abzudriften scheint, in die Gegenrichtung zu lenken, und komme dadurch im Endeffekt Passanten und Fahrzeugen ungewollt und schnell gefährlich nahe. Das 24 Kilogramm schwere E-Bike, das man zudem mit bis zu 180 Kilogramm inklusive Fahrer belasten darf, in solchen Momenten sicher und rasch zum Stehen zu bringen, ist gar nicht mal so leicht. Würde mich an diesem Morgen bei meinen ersten Fahrversuchen ein Polizist beobachten, müsste ich wohl einen Alkoholtest machen. Durch das Üben auf einer großen Freifläche mit immer wieder kurzzeitig geschlossenen Augen und dem Verlassen auf mein Gefühl beziehungsweise der reinen Konzentration auf das Vorderrad, bekomme ich meinen Packesel auf zwei Rädern dann aber doch recht zügig in den Griff. Das Anfahren auf den ersten Metern, bis man die ganze Last im völligen Gleichgewicht hat, ist allerdings jedes Mal aufs Neue eine Herausforderung – vor allem in unmittelbarer Nähe zu Passanten in der Fußgängerzone oder an Ampeln. Je schneller ich mit dem E-Lastenfahrrad unterwegs bin, umso leichter gestaltet sich das Handling.
Kurzfristige Ausleihe ist kein Problem
Auch wenn man mit dem eBullitt jetzt vielleicht nicht unbedingt einen Slalom-Wettbewerb gewinnen würde – über seine Praxistauglichkeit kann es eigentlich keine zwei Meinungen geben. Egal, ob man es als mobile Werkstatt, für einen Umzug, zum Kindertransport, einem Ausflug mit Freunden und Familie oder für einen Großeinkauf nutzen möchte, dieses spezielle Cargobike lässt sich mit verschiedenen Schalt- und Bremskomponenten sowie weiterem Transportzubehör und Lasten-Aufbauten individuell zusammenstellen und auf alle Bedürfnisse anpassen. Der Rahmen selbst verfügt darüber hinaus gerade im Bereich der Ladefläche über zahlreiche Laschen, Ösen und Streben, um auch eigene Behälterkonstruktionen oder den Kindertransport auf sichere Art zu realisieren. Das einzige Manko aus meiner Sicht: die unzureichende Federung. Denn nach dem Erklimmen mehrerer Bordsteine am Testtag tut mir auch noch 24 Stunden später der Hintern sowie der untere Rücken weh. Was allerdings fast schon wieder durch die Tatsache wettgemacht wird, dass ich in meinem ganzen Leben noch nie so entspannt auf einem Fahrrad den Berg hinaufgefahren bin – und das mit Gepäck. Was hätte ich in meiner Jugendzeit beim Zeitungsaustragen für diese Unterstützung gegeben!
Das Gefühl von Sicherheit kommt bei dem von mir getesteten E-Lastenfahrrad ebenfalls nicht zu kurz – zumindest nicht im Saarbrücker Straßenverkehr auf dem Radweg der viel befahrenen Wilhelm-Heinrich-Brücke. Ist es erst einmal in Gang, bewegt sich das eBullitt ganz stabil fort. Und durch die Größe meines Gefährts bin ich von den Autofahrern eigentlich auch nicht zu übersehen. Ich fühle mich zu allen Seiten hin gut geschützt und kann mich problemlos und entspannt in den regen Verkehr eingliedern. Im Ernstfall kann ich mich zudem auf die beiden hydraulischen Scheibenbremsen verlassen, die bei großer Last und bergab natürlich enorm wichtig sind. Die sperrigen Ausmaße des Cargobikes haben an anderer Stelle aber auch einen Nachteil. Durch seine Länge und sein Gewicht ist das Elektrofahrrad dieses Herstellers nicht unbedingt geeignet, um es ins Haus zu schleppen. Wer sein Lastenrad also nicht in der Garage oder im Hinterhof parken kann, sollte eine Versicherung abschließen. Diese kostet je nach Anbieter und Fahrradmodell etwa 300 bis 500 Euro im Jahr.
Als ich das eBullitt nach mehrstündigem Testen zu Cargo Velo Services zurückbringe und ein letztes Mal auf das am Lenker befestigte Display schaue, bin ich überrascht, dass der Akku noch zu über 90 Prozent geladen ist. Abhängig von der Wahl des elektrischen Fahrmodus’, berichtet mir der Experte, ist mit diesem speziellen Modell eine beeindruckende Reichweite von 125 Kilometern möglich. Das E-Lastenfahrrad kurzfristig für diesen Tag auszuleihen, war übrigens kein Problem. Die Verfügbarkeit wächst durch immer mehr Verleiher stetig an. Auch über den ADFC wäre eine Leihe beispielsweise möglich gewesen – wohlgemerkt ebenfalls kostenlos. Heute buchen und morgen abholen ist also durchaus möglich. Wo es Verleiher gibt, listet unter anderem das Internetblog cargobike.jetzt auf. Generell liegen E-Lastenfahrräder enorm im Trend, sodass die Hersteller mit der Produktion zurzeit kaum hinterherkommen. Im Gegensatz zur problemlosen Ausleihe kann die Lieferzeit bei einem Kauf schon mal bis zu zwei Monate dauern. Aber je nachdem wie oft und wofür man seinen Packesel auf zwei Rädern gebrauchen kann, lohnt sich das Warten.