Die E-Scooter prägen längst das Straßenbild in Europas großen Städten. Die Erfahrungen mit dem Boom ähneln sich. Aus einer Trend-Erscheinung ist eine dauerhafte Herausforderung geworden.
Da rollen sie also nun und machen deutsche Innenstädte je nach Sichtweise unsicher oder lebendiger. Womit Deutschland allerdings einmal mehr einem Trend hinterherhinkt. E-Scooter gehören nämlich längst zum Alltag in europäischen Metropolen – und nicht nur dort. E-Scooter haben sich längst ihren Platz erobert – und nicht nur in den klassischen Fahrradländern wie etwa den Niederlanden. Während Deutschland erst anfängt, Erfahrungen zu sammeln, ist bei den Nachbarn inzwischen eine Art Normalisierung nach dem Anfangshype zu beobachten. Prominentestes Beispiel mag dabei vielleicht Paris sein, wobei es beispielsweise in Madrid ganz ähnlich läuft.
Wer in diesem Frühjahr in der Seine-Metropole zu Gast war, konnte bereits ahnen, dass sich dort etwas tun muss. Dass die kleinen Flitzer, häufig mit zwei Leuten besetzt, dem Autoverkehr Respekt abzutrotzen versuchten, mag den ein oder anderen noch eher erstaunt haben. Dass aber herrenlose Geräte willkürlich in der Gegend lagen, und zwar in erstaunlicher Vielzahl, war schlicht nur ärgerlich. Da besänftigte der Anblick der Kleintransporter nur mäßig, die wie Müllwagen durch alle Straßen und Gassen fuhren, um die Geräte einzusammeln.
Zurückhaltend geschätzt dürften mindestens 15.000 E-Scooter in Frankreichs Hauptstadt unterwegs sein, manche gehen von deutlich mehr aus, doppelte so hohe Zahlen werden genannt, exakt weiß es niemand. Das mittlere Chaos hat die Stadtverwaltung inzwischen zu einer härteren Gangart veranlasst. Strafen bei Nichtbeachtung der Verkehrsregeln sind spürbar erhöht worden. Gleichzeitig will die Stadt aber auch für deutlich mehr regulären Abstellplatz sorgen und entsprechende Zonen signifikant ausweiten.
Viele Metropolen verschärfen die Auflagen
In jüngster Zeit hat Marseille in Sachen E-Scooter für Schlagzeilen gesorgt. Dort scheint sich ein merkwürdig-kurioser Trend ausgebreitet zu haben, der aber alles andere als ein Jugendscherz ist. Offenbar hat dort eine Art Scooter-Versenken oder Scooter-Weitwurf ins Meer eine wahre Fangemeinde gefunden. Freiwillige einheimische Taucher, die den Scooter-Schrott aus den Hafenbecken fischen, sollen gar schon von einem „Friedhof der Motorroller" gesprochen haben. Bislang gibt es allerdings noch keine Hinweise darauf, dass E-Scooter-Weitwurf auch andernorts Schule macht und zur neuen Trendsportart wird.
In Madrid fallen die Reaktionen ähnlich wie in Paris aus. Regeln werden zugunsten der Sicherheit verschärft und vor allem konsequenter kontrolliert. Vergleichbar reagieren andere spanische Großstädte wie Valencia oder Barcelona. In Spaniens Hauptstadt sind die Dimensionen des neuen Trends an handfesten Zahlen festzumachen. Zahlreiche in- und ausländische Unternehmen hatten sich um eine Lizenz für E-Scooter-Verleih bemüht, insgesamt hatten sie Anträge für 110.000 Roller gestellt (Madrid hat rund 3,2 Millionen Einwohner). Die Stadtverwaltung hat letztlich weniger als 9.000 genehmigt. Zum Zuge gekommen ist auch das deutsche Start-up-Unternehmen Flash – inzwischen umbenannt in Circ –, das nach Präsenz in sieben europäischen Ländern jetzt auch in Deutschland selbst auftritt. Bemerkenswert aber auch, dass mit „Ufo" ein spanischer Anbieter zum Zuge gekommen, mit dem sich der Autokonzern Seat verbündet hat, der wiederum zu Volkswagen gehört.
In Italiens Großstädten bietet sich in Sachen E-Tretroller ein ähnlich konfuses Bild wie in der großen Politik. Die Metropole Mailand hat beispielsweise kurzerhand alle Leihfahrzeug aus dem Verkehr nehmen lassen – weil es keine ausreichend klaren Regeln gab. Privat können E-Scooter mit erheblichen Einschränkungen genutzt werden – bis eine ausreichende Zahl regelnder Hinweisschilder aufgestellt ist. In Rom erfreuen sich die „Monopattini" vor allem bei Touristen großer Beliebtheit. Das gilt übrigens auch für Segways, die sich hierzulande nicht recht durchgesetzt haben. Richtige Regeln gibt es nicht, aber was würden die auch schon in der „ewigen Stadt" bringen, halten Spötter entgegen. Im Übrigen soll es Berichten zufolge in Griechenlands Hauptstadt Athen ganz ähnlich zugehen.
In Österreichs Hauptstadt Wien sollen ein halbes Dutzend Verleiher um die 5.000 Scooter anbieten. Auch hier sind Touristen die Hauptnachfrager. Etliche Unfälle in den ersten Monaten hatten für Aufregung gesorgt, inzwischen hat auch Österreichs Regierung Regelungen erlassen, wonach für E-Scooter praktisch dieselben Vorschriften wie für Fahrradfahrer gelten.
Formel-1-Fahrer als Investor eingestiegen
Mit die größten Anbieter von Leihrollern sind die amerikanischen Unternehmen Bird und Lime. Beide sind schon länger in europäischen Großstädten unterwegs. Zwei deutsche Anbieter tummeln sich recht rege auf den europäischen Märkten, etwa Circ, bereits erwähnt in Zusammenhang mit den Lizenzvergaben in Madrid. Dort ist im Übrigen auch der andere deutsche Anbieter, Tier Mobility, zum Zuge gekommen. Der hat unlängst mit einem prominenten Namen für Aufmerksamkeit gesorgt. Der ehemalige Formel-1-Weltmeister Nico Rosberg ist als Investor eingestiegen. Über die Summe sei Stillschweigen vereinbart worden, berichtete das „Handelsblatt" und zitiert Rosberg mit der Überzeugung, „dass das Unternehmen einer der Gewinner der E-Mobilitätsbranche sein wird".
Zudem ist das schwedische Unternehmen Voi unterwegs, nach eigenen Angaben größter Anbieter in Europa, neben Schweden in elf Ländern vertreten. Für Deutschland hat Voi einen eigenen Tretroller entwickelt, der vom Kraftfahrtbundesamt eine Betriebserlaubnis erhalten hat. Damit will Voi von Berlin aus auch den deutschen Markt beackern.