Die Zahl der Neubauten aus Holz ist in Deutschland in den letzten Jahren rasant gestiegen. Kein Wunder, gilt doch der natürliche Baustoff bezüglich Klimaschutz und Ökobilanz als absolut konkurrenzlos. Inzwischen gibt es weltweit auch immer mehr Holzwolkenkratzer.
Das Erscheinungsbild unserer Dörfer und Städte könnte sich künftig grundlegend wandeln, wenn die kargen Betonwüsten nach und nach durch einen ständig wachsenden Wald aus Häusern ersetzt werden sollten. Die Einstellung der Bundesbürger zum lange Zeit verpönten Holzhaus hat sich im Zuge der Nachhaltigkeitsdebatte sowie deutlichen Vorteilen bezüglich Klimaschutz und Energieeffizienz im Vergleich zu Bauten aus Stahl und Beton gewandelt. Derzeit werden hierzulande bereits 17 Prozent aller neuen Ein- und Zweifamilienhäuser mit dem nachwachsenden Rohstoff errichtet, in Süddeutschland wird sogar schon jedes vierte Haus aus Holz gebaut.
Wobei fraglos die dem Material Holz zugeschriebene wohltuende Wirkung auf Seele und Gemüt eine gewisse Rolle spielen mag. Doch weitaus wichtiger dürfte sein, dass in Sachen Klimaschutz und Ökobilanz der Baustoff Holz absolut unschlagbar ist. Jeder Kubikmeter verbautes Holz, vor allem Fichte und auch Kiefer, speichert rund eine Tonne Kohlendioxid (CO2), das vom Baum während seines Wachstum aus der Atmosphäre gebunden wurde. Als Zwischenlager des Treibhausgases leistet Holz damit einen großen Beitrag gegen den Klimawandel. Herkömmliche Baustoffe wie Ziegel oder Beton verursachen hingegen allein schon durch ihre energieintensive Herstellung einen vergleichsweise hohen Ausstoß des klimaschädlichen CO2.
In Sachen Energieverbrauch sind die kurzen Transportwege ein weiterer Pluspunkt für das Holz. Der Rohstoff wächst quasi vor der Haustür, schließlich ist etwa ein Drittel unserer Landesfläche von Wald bedeckt (der zwei Milliarden Tonnen Kohlendioxid speichert, mehr als doppelt so viel wie jedes Jahr durch Verbrennung fossiler Energie hierzulande freigesetzt wird), mit Hessen und Rheinland-Pfalz als den waldreichsten Bundesländern an der Spitze. Zudem gibt es Holz derzeit im Überfluss, sprich der Zuwachs von jährlich mehr als 120 Millionen Kubikmetern im Forst mit einem Anteil von 60 Prozent Nadelbäumen und 40 Prozent Laubbäumen liegt schon seit Jahrzehnten deutlich über dem Einschlag. Die Bundesregierung hat deshalb bereits einen deutlichen Anstieg der jährlichen Holzernte gefordert. Theoretisch würde schon ein Drittel der deutschen Holzernte ausreichen, um sämtliche Neubauten in deutschen Landen realisieren zu können.
Ein weiterer Vorteil von Holz gegenüber den traditionellen Baustoffen ist sein geringeres Eigengewicht. Vor allem für Aufstockungen von bereits bestehenden Gebäuden in größeren Städten ist das angesichts der grassierenden Wohnungsnot interessant, weil Holzausbauten die Statik weitaus weniger als andere Materialien belasten. Da moderne Holzhäuser aus in der Fabrik vorgefertigten Bauteilen bestehen und vor Ort wie ein Puzzle zusammengesetzt werden, sind die Bauzeiten in der Regel kürzer und die Baukosten geringer als bei Steinhäusern. Im Unterschied zu gemauerten Massivhäusern sind Holzhäuser wegen der Trockenbauweise gegen Baufeuchte gewappnet und bieten ihren Besitzern von Beginn an ein gutes Raumklima, während bei Steinhäusern in den ersten drei Jahren wegen der verarbeiteten wasserhaltigen Materialien wie Putz, Mörtel oder Beton mit höherer Luftfeuchte gerechnet werden muss.
Von Anfang an gutes Raumklima
Auch in punkto Energieeffizienz braucht das Holzhaus, von dem es inzwischen auch Passivhaus-Varianten gibt, die keine Heizungsanlage im herkömmlichen Sinne mehr benötigen, keinen Vergleich mit anderen Bauweisen zu scheuen, die Einhaltung der gesetzlichen Anforderungen der Energiesparverordnung (EnEV) stellt keinerlei Problem dar, nicht zuletzt weil Holz von Natur aus ein „warmer" Rohstoff ist und den niedrigsten Wärmeleitwert aller tragenden Baustoffe aufweist. „Vollholz erreicht gute Dämmwerte allein durch den Wandaufbau", so Dr. Oliver Mertens vom in München ansässigen Deutschen Massivholz- und Blockbauverband. „Teilweise kann auf zusätzliche Dämmung verzichtet werden. Und zweischalige Wände mit einer Kerndämmung schaffen sogar so hohe Dämmwerte, dass sie die Anforderungen der EnEV übertreffen." Zudem birgt die schlanke Konstruktion von Wänden in Holzbauweise einen Nutzflächengewinn von bis zu zehn Prozent. In Sachen Langlebigkeit gibt es keinen wesentlichen Unterschied.
Bei guter Pflege können Holzbauten mehr als 100 Jahre überstehen, wobei Grundvoraussetzung ist, dass der Rohbau bei der Konstruktion keinerlei Nässe ausgesetzt werden darf. Denn nicht Feuer, wie gemeinhin angenommen wird, sondern Feuchtigkeit ist der größte Feind des Holzes. Holzhäuser sind bei Feuer nicht gefährdeter als konventionelle Bauten. Holz ist zwar weitaus entzündlicher als Stahl und Beton, brennt aber langsam und berechenbar. Wobei der erste Abbrand eine schützende, gleichsam isolierend Kohleschicht um das innere Holz legt, ein tragender Balken dadurch bis zu einer Stunde durchhalten kann, während ein Stahlträger innerhalb dieser Zeit in der Regel längst geschmolzen und die Decke infolge der Materialverformung längst eingestürzt sein dürfte.
Holzhäuser haben allerdings auch einige Nachteile im Vergleich zu herkömmlichen Bauten. Typische Schwachstelle ist zuweilen eine mangelhafte Wind- oder Luftdichtheit, sprich es kann von draußen schon mal heftig ziehen, wenn beim Bau Fehler gemacht wurden. Auch starke Regenfälle oder Feuchtigkeit in den Räumen, die nicht entweichen kann, können schon mal zu einem Problem werden. Auch der Schallschutz der Wände lässt oft zu wünschen übrig, was nur durch zusätzliche und recht kostenintensive Maßnahmen behoben werden kann. Bei Fassaden wird sich relativ schnell ein optisch nicht gerade schöner Grauton einstellen. Wer dieses Manko beheben möchte, muss die Fassade alle zwei bis drei Jahre neu lackieren. Alternativ kann man die Fassade gleich verkleiden oder verputzen lassen, auch wenn dabei die dekorative Holzmaserung verschwindet und das Gebäude von außen gar nicht mehr als Holzhaus zu erkennen sein wird.
Es gibt die verschiedensten Typen von Holzhäusern, von der weit verbreiteten Rahmenbauweise, bei der vornehmlich das tragende Gerüst aus Holzbalken besteht, bis hin zu Massivholzhäusern, bei denen alles, sprich auch Wand- und Deckenelemente, aus dem Naturmaterial gefertigt sind. Bekannt sind natürlich auch die typischen Blockhäuser oder die Schwedenhäuser, mit denen allerdings die meisten Neubauten nichts mehr gemein haben. Voll im Trend liegen außen verputzte Holzgebäude, die häufig im kubisch-weißen Bauhausstil gehalten sind. „Die Architektur und die Technik im Holzbau haben sich deutlich verändert", so Norbert Dreisigacker, der Geschäftsführer des Vereins Bauwirtschaft Rheinland-Pfalz in einem dpa-Interview im Zusammenhang mit dem in diesem Bundesland besonders stark angestiegenen Verbraucherinteresse an Holzbauten. „Wer beim Holzbau noch an ein Schwarzwaldhaus im ‚Landdoktorstil‘ denkt, der ist auf dem Holzweg."
Fassade regelmäßig lackieren
Da Holz leicht bearbeitbar und universell einsetzbar ist, gibt es bei der architektonischen Planung eigentlich keine Grenzen mehr, vom kleinen Einfamilienhäuschen bis hin zur extravaganten Trendsetter-Wohnskulptur ist alles möglich. Zumal derzeit allerorten daran geforscht wird, Holz mit anderen Materialien, beispielsweise Metallen wie Eisenoxid (Stichwort: magnetisierbares Holz), anzureichern oder auch bessere Verbindungen zwischen Holz und Beton, beispielsweise in Gestalt von Holz-Beton-Verbund-Decken, zu entwickeln. Wodurch künftig auch viele Hybrid-Bauten entstehen dürften, auf Basis des angesagten Hightech-Baumaterials.
Welche ungeahnte Möglichkeiten sich dabei für die Bauwirtschaft eröffnen können, lässt sich derzeit schon an ziemlich spektakulären Hochhäusern aus Holz ablesen. Vorreiter waren dabei bisher Norwegen und Schweden, wo der Holzbau ebenso wie in den USA seit jeher eine lange Tradition hat. Im norwegischen Bergen kann ein 50 Meter hoher Holzwolkenkratzer mit 24 Stockwerken bewundert werden. Im März wurde im norwegischen Brumunddal das mit 85,4 Metern bislang höchste Holzhochhaus der Welt namens „Mjostarnet" eingeweiht. Im Wiener Gemeindebezirk Donaustadt steht das „HoHo Wien" mit 84 Metern Höhe und 24 Geschossen kurz vor seiner Fertigstellung. In Deutschland ist das „Skaio" in Heilbronn mit 34 Metern Höhe und zehn Geschossen das bisher höchste Holzgebäude, bei dem es sich allerdings um einen Hybriden handelt, da für Sockelgeschoss und Treppenhaus Stahlbeton verarbeitet wurde. Die Fassade ist mit Aluminiumplatten verkleidet. Entworfen wurde das „Skaio" vom Berliner Architekturbüro Kaden + Lager, dessen Geschäftsführer Tom Kaden der „Taz" verraten hat, dass er Holzhäuser mit Höhen von 100 bis 130 Metern durchaus für möglich hält.