Die Psychotherapeutin und Bloggerin Lena Kuhlmann wünscht sich, dass wir offener über unsere Gefühle und Gedanken sprechen. Oft werde aus Angst vor Reaktionen aus dem Umfeld eine psychiatrische Behandlung verschwiegen. Vor Kurzem legte Kuhlmann ihr erstes Buch vor.
Stress im Job, Ärger mit dem Liebsten oder Panikattacken, von denen kein Mensch weiß, woher sie eigentlich kommen. Wenn das Leben schwierig wird oder sogar aus dem Ruder läuft, kann auch die Psyche verrücktspielen. Warum aber geraten Körper und Seele manchmal aus dem Gleichgewicht? Warum ist das Thema auch heute noch so schambesetzt? Psychotherapeutin Lena Kuhlmann geht diesen Fragen als Bloggerin schon seit Jahren nach. Kürzlich veröffentlichte sie ihr erstes Buch zum Thema. In „Psyche? Hat doch jeder!" (Eden Books) räumt sie nicht nur mit alten Vorurteilen über psychisch Kranke auf, sondern gibt Betroffenen auch Tipps und Hilfestellungen.
Ihr Anliegen: Komplexe Zusammenhänge verständlich und ohne Fachchinesisch darstellen. Dabei räumt die 34-Jährige mit Schubladendenken auf und gibt spannende Einblicke in unser Seelenleben. Ein bisschen Eigenwerbung für den privaten Blog „freudmich" darf natürlich nicht fehlen.
„Ich habe versucht, das ernste Thema locker zu beschreiben und mit vielen lustigen Geschichten zu schmücken", sagt die gebürtige Hessin. Sie möchte eigenen Angaben nach aber auch auf Missstände in der therapeutischen Versorgung psychisch Kranker hinweisen. Letztlich sei jeder von der Materie betroffen, weil statistisch gesehen jeder Leser eine Person kennt, die psychische Probleme hat.
„Mir geht es aber nicht nur um reine Wissensvermittlung. Ich würde mir wünschen, dass wir offener über unsere Psyche sprechen. Ich merke das oft privat: Viele Leute kennen nicht einmal den Unterschied zwischen einem Psychiater und einem Psychologen", seufzt Kuhlmann. Vielen sei unbekannt, wie man in psychischen Krisensituationen handelt und wo man sich hinwendet. Eine Behandlung in der Psychiatrie wird vor Freunden oft verschwiegen – aus Angst, dass alle hinter dem Rücken tratschen. „Andersherum redet keiner schlecht über eine Person, die wegen einem anderen körperlichen Leiden im Krankenhaus liegt. Beides sucht man sich nicht aus. Beides ist keine Charakterschwäche!"
Bloggt locker über das ernste Thema
Psychische Probleme tauchen laut Kuhlmann oft in sogenannten Alters-Übergängen auf, etwa beim Wechsel auf eine weiterführende Schule, dem Eintritt ins Berufsleben oder der Geburt des ersten Kindes. In der Rangliste der psychischen Erkrankungen stünde die Depression auf Platz eins. Dann folgen Angst- und dann Zwangsstörungen. Bei der Frage nach der Entstehung gehen die Expertenmeinungen laut Kuhlmann auseinander. Mediziner suchen Ursachen im Körper, Verhaltenstherapeuten gehen von falsch erlerntem Verhalten aus. „Wir Tiefenpsychologen schauen uns die Vergangenheit der Patienten an. In jedem Fall kommen immer mehrere Faktoren zusammen."
Ein Nord-Süd-Gefälle bei psychischen Erkrankungen oder Unterschiede von Osten und Westen sind ihr nicht bekannt. „Ich weiß aber, dass es in Deutschland regionale Unterschiede in der psychotherapeutischen Versorgung gibt. Ländliche Gegenden sind meist schlechter versorgt", sagt die Buchautorin. Für das Bundesland Brandenburg kann sie das allerdings nicht bestätigen. Berlin ist laut Statistik ohnehin bestens mit Psychotherapeuten und Psychiatern versorgt.
Aufgrund ihrer Fernbeziehung pendelt Kuhlmann regelmäßig zwischen Frankfurt am Main und Berlin. „Ich mag beide Städte. Frankfurt am Main ist meine Heimat, Berlin finde ich aufregend. In der Hauptstadt treffe ich beispielsweise Leute vom Verlag, unter anderem meine Lektorin." Ihre Lieblingseisdiele befinde sich in Berlin-Mitte, den Volkspark Friedrichshain besuche sie sehr gern. „Im Volkspark mag ich den Märchenbrunnen, habe aber noch nicht alle Märchen erraten", schmunzelt die sympathische Frankfurterin. Egal, ob Mainmetropole oder Bundeshauptstadt: Am Wochenende wird ausgeschlafen. „Ich liebe ausschlafen – manchmal auch bis zwölf Uhr." Zum Sonntagsfrühstück gibt es einen schönen Kakao. Zum Morgenmahl liebe sie frische Waffeln, dazu im Hintergrund Jazzmusik und etwas zum Schmökern.
Zu ihren Hobbys zähle das Lesen, am liebsten Fachbücher, aber auch Sachbücher und Romane. In Buchhandlungen und Büchereien könne sie sich stundenlang aufhalten. Auch beim Schmökern in Bildbänden und Magazinen vergisst die Buchschreiberin schon mal die Zeit. Im Sommer geht’s mit ihrem Freund aber oft an einen der Märkischen Seen im Berliner Umland. Zu ihren Favoriten zählt der Liepnitzsee.
Mit kreativen Tätigkeiten innere Balance finden
Das Interesse am Thema Psychologie entstand Kuhlmanns Angaben nach schon in der Jugend. „Ich las schon recht früh Bücher darüber." Richtig gefunkt hat es aber erst im Studium, dank einer Professorin, die sich intensiv mit der Bindungstheorie (wie wirkt sich die Beziehung zwischen Bezugsperson und Kind auf die psychische Entwicklung des Kindes aus? Anm. d. Red.) befasste. „Das war sehr inspirierend. Ich fand die Bindungstheorie so spannend, dass ich darüber meine Diplomarbeit geschrieben habe", blickt die Autorin zurück. Noch vor dem Studium absolvierte sie eine Ausbildung zur Sozialassistentin.
Zum Schluss liefert sie noch einige Tipps zur Erhaltung einer gesunden Psyche: Gleich als Erstes nennt sie Sport. „Jogging hat beispielsweise positive Effekte auf die Stimmung und kann Symptome einer Depression verringern." Bei Bewegung in der Gruppe schlage man gleich zwei Fliegen mit einer Klappe, da man gleichzeitig „unter Menschen" kommt. Auch autogenes Training hilft, denn Entspannung ist das Gegenteil von Stress – ein gutes Mittel, um aktiv gegen Angst oder Panikattacken vorzugehen. Kreative Tätigkeiten können wiederum helfen, zu einem besseren seelischen Gleichgewicht zu finden.
„Ich nutze in meiner Arbeit gern Übungen, in denen Patienten ihr Inneres über Farben und Formen ausdrücken können. Noch mehr wird dieses Vorgehen in der Tanz-, Kunst- oder Musiktherapie eingesetzt." Wo Sprache fehlt, sagen ein Ton, eine Zeichnung oder eine Bewegung mehr als tausend Worte.
„Ich empfehle fast allen meinen Patienten, regelmäßig Tagebuch zu schreiben. Das klingt so einfach, dass viele es gar nicht glauben können. Aber das Aufschreiben zwingt einen dazu, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen. Tagebuch schreiben hilft, die Gedanken zu sortieren und kann Grübelschleifen durchbrechen."