Bei der Züchtung von Hunden kritisieren Tierschützer immer wieder sogenannte Qualzuchten, wie die extreme Kurzköpfigkeit mancher Hunderassen. Die menschliche Vorliebe bedeutet für die Tiere eine lebenslange Tortur, wie Dr. Alexander Pack erklärt.
Herr Dr. Pack, welche Rassen stechen in der Qualzucht besonders hervor?
Besonders stechen kurzköpfige Rassen hervor, man nennt sie brachycephale Rassen. Vor allem die Französische Bulldogge und der Mops sind davon betroffen. Diese Rassen sind sehr beliebt, und wir sehen sie sehr häufig in unserer Tierklinik.
Welche Probleme treten bei diesen Rassen auf?
Sie haben sehr viele Erkrankungen, die vor allem durch ihre Kopfform und die Züchtung bedingt sind. Das Ganze nennt man brachyzephales Syndrom. Es besteht aus vielen einzelnen Komponenten, die durch die Kurzköpfigkeit bedingt sind. Das sind zum Beispiel verengte Nasenlöcher und eine Ausformung der Nasenmuschel, die anders ist als bei langnasigen Hunden. Dann haben die Hunde eine zu dicke Zunge im Rachen und ein viel zu langes und zu dickes Gaumensegel. Die Luft kommt also erst gar nicht richtig in die Nase hinein und gelangt dann auch nicht weiter nach hinten. Oft ist auch der Kehlkopf zusammengefallen, das heißt, dass die Luft auch nicht richtig in die Luftröhre kommt. Bei manchen Hunden sind zudem die Luftröhren zu eng. Das bisschen Luft, das da noch durchkommt, ist kaum der Rede wert.
Deshalb röcheln diese Hunde auch so oft …
Ja, genau. Auch das Schnarchen ist kein Zeichen für Wohlbefinden, sondern dafür, dass zu wenig Luft reinkommt. Das ist aber nur ein Teil der Zuchtfolgen. Da diese Rassen dem Kindchenschema entsprechen, haben sie sehr hervorstehende Augen. Diese Augen sind prädestiniert für Erkrankungen der Hornhaut. Die Hunde haben sehr häufig Hornhautverletzungen und Hornhautgeschwüre. Dann zeigen diese Hunde oft auch Wirbelsäulenmissbildungen, die vielleicht auch die Ursache dafür sind, dass bei diesen Rassen gehäuft Bandscheibenvorfälle auftreten. Die klassische Dackellähme von früher sehen wir jetzt vor allem als ein Problem der Französischen Bulldoggen.
Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass – wenn man sich einen Mops oder eine Französische Bulldogge kauft – der Hund geschädigt ist?
Man kann davon ausgehen, dass fast alle Hunde mindestens milde Atemsymptome haben. Es gibt verschiedene Grade der Atemproblematiken. Ich habe gar nichts gegen diese Hunderassen, das sind tolle Hunde, wunderbare, nette, freundliche Hunde. Man müsste sie nur langnasiger züchten, dann wären sie immer auch genauso wunderbar und nett.
Warum tun sich die Züchter trotz allem so schwer, die Zucht zu verändern?
Die Hunde werden natürlich deshalb auch nachgefragt, weil sie wie gesagt diesem Kindchenschema entsprechen. Das spricht die Leute an. Da muss man auch ansetzen. Das sieht zwar nett aus, aber es quält die Tiere. Bei Katzen gibt es das ja auch. Wir haben Perserkatzen, die aussehen, als wären sie gegen die Wand gelaufen. Die haben ähnliche Probleme. Die kurzköpfigen Hunde kommen vor allem in der warmen Jahreszeit zu uns in die Klinik, weil sie zunehmend Probleme bekommen und zum Teil dann nicht mehr lebensfähig sind. Sie können gar nicht mehr laufen, müssen nach ein paar Metern abbrechen, weil sie keine Luft mehr bekommen. Teilweise erleiden sie auch Ohnmachtsanfälle, weil sie nicht mehr genug Luft bekommen. Der Grund liegt vor allem darin, dass Hunde nicht schwitzen können, wie wir Menschen, um abzukühlen. Wir Menschen können über unsere Haut die Temperatur regulieren, aber Hunde regulieren einen großen Teil ihrer Temperatur über die Nase. Eine große Nase hat eine große Oberfläche. Und die ermöglicht dem Hund, über die Atmung zu kühlen. Diese kleinen Nasen bei Möpsen und Französischen Bulldoggen haben gar keine Oberfläche mehr, das heißt, sie können nicht mehr kühlen. Sobald das Wetter zu warm wird, kommen sie in ein Regulations-Problem. Deshalb dürfte man diese Rassen nicht züchten. Wir haben ja eigentlich die gesetzlichen Grundlagen, um das zu verhindern. Paragraf 11b im Tierschutzgesetz besagt, dass durch züchterische Maßnahmen keine Veränderungen erzeugt werden dürfen, die dem Tier Schäden und Leiden zufügen. Ich weiß nicht, warum es keinen interessiert.
Wie können Sie den Hunden in Ihrer Tierklinik helfen?
Wir machen erst mal Diagnostik, um zu schauen, wo genau das Problem liegt und wie man chirurgisch helfen kann. Im Regelfall werden die Nasenlöcher erweitert, die oft nur Schlitze sind. Dann wird im Nasenrachen das Gaumensegel verkürzt und verdünnt. Am Zungengrund kann man nichts ändern. Übrigens gibt es in Leipzig ein Brachycephal-Zentrum, das Professor Gerhard Oechtering leitet. Er macht dort seit vielen Jahren diese Operationen, wo er zum Beispiel laserassistiert die Conchen reduziert, damit ein Rohr entsteht, durch das der Hund atmen kann. Das Zentrum ist sehr überlaufen, es gibt längere Wartezeiten und die Eingriffe kosten bis zu 5.000 Euro – je nachdem, was alles gemacht werden muss.
Ist so ein Eingriff gefährlich?
Ja. Das Gefährliche ist aber nicht die OP. Erst danach kann es Probleme geben. Es treten postoperativ im Rachen Wundschwellungen auf. Deswegen werden bei uns in der Tierklinik die Hunde nur frühvormittags und nicht vor dem Wochenende operiert, damit wir immer genug Möglichkeiten haben, einzugreifen. Die Hunde bleiben bei uns nach der OP stationär mit einer Eins-zu-Eins-Betreuung. Es sitzt den ganzen Tag eine Tiermedizinische Fachangestellte oder ein Tiermedizinischer Fachangestellter bei dem Patient. Er wird keine Sekunde alleine gelassen, bis er wach ist und sich zeigt, dass er selbst richtig atmen kann. Wenn das nicht klappt, muss ein künstlicher Zugang zum Atmen gelegt werden. Dann bleibt der Hund noch bis zu zehn Tage stationär. Das ist totaler Stress für die Tiere.
Vor der OP untersuchen wir auch noch das Herz, denn durch die schlechte Luftversorgung haben diese Rassen oft auch Herzprobleme. Eine Operation und die Betreuung am Tag danach kosten bei uns circa 1.100 Euro.
Wie deutlich sind die Verbesserungen für den Hund nach so einer OP?
Es kommt darauf an, was die Hauptursachen der Probleme sind, denn es spielen viele Faktoren zusammen. Auch wenn ich eine Voruntersuchung mache, kann ich nicht hundertprozentig abschätzen, ob die Enge ganz beseitigt werden wird. Es gibt Hunde, denen geht es danach ein bisschen besser, manchen geht es deutlich besser. Es gibt aber auch Tiere, die überhaupt nicht von der OP profitieren. Die ganz schweren Fälle schicke ich nach Leipzig ins Brachyzephale Zentrum.
Haben Mops und Französische Bulldogge eine verkürzte Lebenserwartung?
Das müsste man statistisch erheben, aber ich denke schon. Manchmal sind sie so schwer geschädigt, dass sie eingeschläfert werden müssen, weil die Leute sie aus Kostengründen nicht operieren lassen wollen. Bei diesen Hunden besteht übrigens auch das Problem, dass viele schwangere Hündinnen ihre Welpen gar nicht mehr auf die Welt bringen können, weil die zu großen Köpfe nicht durch das Becken passen. Dann muss in der Klinik ein Kaiserschnitt gemacht werden. Ich mag diese Hunde sehr, aber ich mag sie mit langen Nasen. Möpse sind ja eine alte Rasse. Auf alten Gemälden sehen die ganz anders aus. Irgendwoher muss ja der Begriff „mopsfidel" kommen. Die waren mopsfidel, bis der Mensch angefangen hat, auf diese extreme Kurzköpfigkeit zu züchten.