Geld regiert die Welt, heißt es im Volksmund. Trotzdem investieren Menschen Geld häufig irrational oder lassen sich mit vermeintlichen Sparprodukten abzocken. Das liegt auch an psychologischen Effekten.
Am Ende des Geldes ist immer so viel Monat übrig: Viele Menschen kennen das Problem. Oft fragen sie sich, wo ihre Habe eigentlich hinfließt. Andere hingegen sind sich sicher, ihre Finanzen fest im Griff zu haben und sich nie über den Tisch ziehen zu lassen. Tatsächlich aber geben Menschen Geld häufig irrational aus oder fallen auf überteuerte Produkte herein. Das hängt auch mit psychologischen Effekten zusammen.
Morgens auf dem Weg zur Arbeit beispielsweise halten viele Menschen nochmal schnell beim Bäcker, holen sich ein Croissant, ein frisch belegtes Brötchen oder einen Coffee to go. David Bach, US-amerikanischer Finanzexperte und Autor hat ein ganzes Buch zu einem Phänomen geschrieben, das er „The Latte Factor" nennt. Seine These: Jeder dieser Menschen denkt sich morgens beim Bäcker „Ach komm, die paar Euro" und vergisst die langfristige Rechnung. Die geht so: Jeden Morgen 3,50 Euro mal 20 Arbeitstage macht 70 Euro im Monat. Für einmal Kaffee schlürfen in der Bahn. Sein Kollege, der Finanzblogger Peter Adeney, schlägt vor, für solche regelmäßigen Ausgaben die sogenannte 752-Regel anzuwenden. Das heißt, die Kosten mit 752 zu multiplizieren, um zu erfahren, wie viel Geld man hätte, wenn man diese Ausgabe zehn Jahre lang in einen Fond mit angemessener Rendite angelegt hätte. Wer also 17,50 Euro pro Woche für seinen Kaffee zahlt, käme nach zehn Jahren auf 13.610 Euro. Wer auf sein morgendliches Heißgetränk nicht verzichten mag, kann die Formel natürlich auch auf andere regelmäßige aber vielleicht nicht zwingend nötige Ausgaben anwenden, die „doch nur ein paar Euro" kosten.
Ein Effekt, der uns ebenfalls häufig im Alltag begegnet, ist der sogenannte Verknappungseffekt. „Es sind nur noch zwei Zimmer frei", „15 andere Menschen schauen sich dieses Angebot auch gerade an" oder „nur noch einmal in Ihrer Größe verfügbar" sind klassische Sätze, die zum Kaufen verführen und Erfindungen des Neuromarketings sind. Denn was vermeintlich nur noch in geringer Stückzahl vorhanden ist, scheint uns mehr wert, und schon sind wir bereit, mehr Geld auszugeben oder überhaupt erst zu kaufen. Der Psychologie-Professor Stephen Worchel hat in einem Experiment zum Verknappungseffekt seine Studenten in zwei Gruppen unterteilt. Die erste Gruppe erhielt eine Schachtel Kekse, die andere nur zwei einzelne Kekse. Die Studierenden wurden gebeten die Qualität der Kekse zu bewerten. Die zweite Gruppe, mit den zwei einzelnen Keksen, bewertete das Gebäck hochwertiger als die andere Gruppe. Das knappe Gut ist in unseren Augen mehr wert und führt zu diesem teuren Denkfehler.
Das knappe Gut ist in unseren Augen mehr wert
Wer sich hingegen ohnehin schon entschlossen hat, eine größere Summe Geld auszugeben, der denkt sich bei zusätzlichen Ausgaben öfter „Das macht den Kohl jetzt auch nicht fett" und tätigt sie. Wenn wir also beispielsweise das Auto für 60.000 Euro kaufen wollen, erscheinen uns 3.000 Euro für Sitze nicht mehr besonders viel. Wer sich für die vielen Überstunden belohnen und ein schickes Hotel buchen will, der denkt beim Preis eher: „Ach, jetzt kann ich auch Vollpension buchen". Es macht den Kohl ja eben nicht fett. Diese Überlegungen entstehen durch den sogenannten Kontrasteffekt: Dinge erscheinen uns immer preiswerter, wenn wir sie im Vergleich zu teuren Sachen sehen. So funktioniert das Discountgeschäft: Ein Produkt, das von 150 auf 90 Euro reduziert wurde, erscheint uns billiger als ein Produkt, das immer schon 90 Euro gekostet hat. Der Mensch reagiert stark auf Kontraste, aber weniger stark auf schleichende Verringerungen. Deshalb fällt auch den wenigsten Menschen auf, wenn ihr Geld auf dem Konto durch die Inflation weniger wird. Würde aber jemand beispielsweise einmal pro Jahr drei Prozent vom Gesparten abbuchen, sähe das ganz anders aus.
Die britische Psychologin und Autorin Claudia Hammond hat viele Phänomene rund ums Geld untersucht und darüber das Buch „Erst denken, dann zahlen. Die Psychologie des Geldes und wie wir sie nutzen können" geschrieben. Nach der Recherche hat sich auch ihr eigenes Verhältnis zu Geld geändert. So kauft sie nun beispielsweise nicht mehr im mittleren Preissegment ein. Warum? Durch ihre Recherche sei ihr bewusst geworden, dass viele Händler die teuersten Produkte oft nur ausstellten, weil es den zweitteuersten den Anschein gebe, als gehörten sie zur mittleren Preisklasse. Auch dieses Phänomen ist den meisten Menschen aus ihrem Alltag gut bekannt. Wer zum Beispiel eine Wohnung sucht, dem zeigen Makler gerne drei Versionen: eine unter den Ansprüchen, ein mittelmäßiges Objekt und eine Wohnung, die das Budget sprengt. Auch hier hofft der Anbieter, das mittelmäßige Objekt sehe dadurch so aus, als gehöre es zur mittleren Preisklasse. Kompromisseffekt nennt sich dieses Phänomen. Eine Vielzahl von Untersuchungen hat gezeigt, dass zahlreiche Kaufentscheidungen darauf basieren. Den Menschen erscheint es vernünftig, Extreme zu vermeiden und den Mittelweg zu wählen. „Geschäftsleute machen sich das zunutze, sie stellen das extrawattierte Toilettenpapier und den besonders ausgefeilten Computer nur ins Regal, um zu verhindern, dass die Leute zum billigsten Produkt greifen", erklärt es Hammond.
Mittelpreisige Version meist beliebter
Der Kompromisseffekt lässt sich auf fast alle Gegenstände anwenden. Für eine Studie haben der Marketing-Professor Itamar Simonson und der Psychologie-Professor Amos Tversky Teilnehmern Beschreibungen und Abbildungen von Spiegelreflexkameras gezeigt und gefragt, welches der zwei Modelle sie kaufen würden. Die Entscheidungsquote lag bei 50/50 – die eine Hälfte wollte das billigere Modell, die andere Hälfte präferierte die höherpreisige Version. Sobald die Auswahl jedoch um ein drittes Modell erweitert wurde, entschieden sich zwei Drittel für die mittelpreisige Version, während der Rest zu gleichen Teilen die billigste oder die teuerste Möglichkeit wählte. Die scheinbare Logik dahinter ist immer dieselbe: Ein Luxusgegenstand besitzt die besten Eigenschaften, hat aber den großen Nachteil des hohen Preises. Die Billigversion ist preislich gut, hat aber den Nachteil einer vermeintlich schlechteren Qualität. Das Angebot mittlerer Preisklasse siegt weder beim Preis noch bei der Qualität, hat aber auch keine Nachteile.
Dass sich viele Menschen in solchen Fällen für den vermeintlichen Kompromiss entscheiden, hängt auch mit der sogenannten Verlustaversion zusammen. „Wir hassen Verluste so sehr, dass wir uns darüber manche Gewinnchance nehmen", erklärt es Claudia Hammond. Dieses uralte Muster liegt nicht nur in der menschlichen Natur, sondern lässt sich auch bei Affen beobachten. Der US-amerikanische Psychologie-Professor Alan Silberberg hat gemeinsam mit Kollegen ein Experiment mit den Tieren durchgeführt. Ein Tierpfleger gab den Affen jeweils drei Trauben, manchmal nur zwei. Ein anderer wiederum verteilte zwei Trauben und legte hin und wieder eine Extra-Traube dazu. Die Affen gingen lieber zum zweiten. Vom ersten fühlten sie sich betrogen. Ähnlich wie die Tiere ärgern sich auch die meisten Menschen über einen Verlust in einer bestimmten Höhe mehr als sie sich über einen Gewinn in gleicher Höhe freuen würden. Die Verlustaversion ist auch ein Grund dafür, dass die Deutschen, im Vergleich zu Einwohnern anderer Industrieländer, ihr Geld nicht besonders gerne in Aktien anlegen. Sie fürchten einen möglichen Verlust viel mehr als sie sich über einen möglichen Gewinn freuen würden.
Der Mensch hängt aber nicht nur am Geld, sondern auch an Besitz und tappt deshalb nicht selten in die sogenannte „Sunk-Cost-Falle". Wer zum Beispiel schon zehn Jahre sein Auto fährt und bei der letzten Reparatur bereits 2.000 Euro gezahlt hat, der wird bei der nächsten Reparatur möglicherweise sagen: „Jetzt habe ich schon 2.000 Euro in das Auto gesteckt, jetzt zahle ich diese Reparatur auch noch, sonst war die letzte Investition umsonst." Er rechtfertigt also mit Investments aus der Vergangenheit auch zukünftige Investitionen. Experten raten dazu, diese Rechnung anders zu machen: „Sunk Cost" – also in dem Fall die 2.000 Euro – sind ohnehin schon „versenkt" und sollten die Entscheidung nicht beeinflussen. Rationaler sei es, nur die zukünftigen Erträge und Kosten zu berücksichtigen.
Wer mit Karte bezahlt, gibt mehr Geld aus
Ein Alltagsphänomen, das einigen bereits bekannt sein dürfte, ist, dass wir mit Karte mehr Geld ausgeben als bar. Aber nicht nur das: Wer mit Karte einkauft, entscheidet sich häufiger für ungesunde Sachen. Forscher fanden heraus, dass unsere Bereitschaft, uns ein Vergnügen zu gönnen steigt, wenn wir das Gefühl haben, dafür kein „richtiges Geld" ausgeben zu müssen. Mit Karte zu zahlen führt außerdem dazu, dass wir uns nicht so gut merken, wie viel wir bezahlt haben und großzügiger mit dem Trinkgeld sind. Französische Psychologen haben zudem bei einem Experiment in der bretonischen Küstenstadt Vannes beobachtet, dass Kellner ihr Trinkgeld um 150 Prozent steigern konnten, wenn sie die Gäste vorher leicht am Oberarm berührten. Auch rote Oberteile, Rechnungen auf herzförmigen Tellern und kleine Witzchen mit den Gästen sollen Forschern zufolge die Zahlungsbereitschaft der Besucher erhöhen.
Nicht nur bei Kellnern sondern auch bei allen anderen Verkäufern gilt: Menschen zahlen lieber, wenn ihnen jemand sympathisch erscheint. Eine Person ist uns besonders sympathisch, wenn sie attraktiv ist, uns ähnelt und sie uns sympathisch findet. Wenn uns jemand sagt, dass er oder sie uns mag – selbst, wenn es gelogen ist – neigen wir dazu, diese Person ebenfalls zu mögen.
Geldausgaben und Investitionen hängen also häufig nicht nur mit rationalen Kriterien sondern mit unterschiedlichen psychologischen Effekten zusammen. Wer sie kennt, kann lernen, sie zu vermeiden und so am Ende des Monats möglicherweise etwas mehr Geld übrig haben.