Die Entscheidungen des Klimakabinetts sollen der große Wurf für die Klima-ziele der Bundesregierung werden. Trotz Streit in der Sache machen die Koalitionäre nach außen auf gute Stimmung.
Union und SPD verbindet nicht nur der Koalitionsvertrag, sondern auch ihre kollektive Transusigkeit. Beide haben die Fridays for Future und ihre Breitenwirkung regelrecht verpennt.
Dass die CDU dann auch noch Rezo und seinem drittklassigen Video auf den Leim gegangen ist – geschenkt. Dass sich Bayerns Ministerpräsident Markus Söder zum obersten Klimakämpfer aufgeschwungen hat, macht die Glaubwürdigkeit in Sachen Klima für die Regierenden auch nicht überzeugender. Was angesichts dieser innerparteilichen Klima-Misere der Aufbruch in die eigens anberaumten Klimawochen für die CDU ebenfalls nicht der große Durchbruch war.
Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble oblag die Eröffnung des Werkstattgesprächs in der CDU-Zentrale. Seit 47 Jahren ist er Bundestagsabgeordneter und hat alle Klimaentscheidungen seiner Fraktion miterlebt. Dass Schäuble als einer der ersten Klima-Aktivisten der Unions-Bundestagsfraktion gilt, ist allerdings kein Witz. 1995 kämpfte er für die Einführung einer Ökosteuer – und scheiterte damals an der CSU. An seiner Seite der damalige Generalssekretär Peter Hintze, der bereits Ende 1994 erkannte: „Mit der Ökologie werden wir die nächste Bundestagswahl nicht gewinnen – ohne Ökologie werden wir sie verlieren." Genauso ist es dann auch gekommen.
Ab Dezember 1998 regierte dann Rot-Grün, doch dem Klima hat das auch nicht durchschlagend geholfen. Darum soll nun das im März dieses Jahres eingesetzte Klimakabinett unter der Leitung von Kanzlerin Merkel für den nötigen Ruck in Richtung „Einhaltung der Klimaziele 2050" sorgen. Finanzminister und Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) hängt die Latte vor dem Klimagipfel recht hoch. „Wir brauchen einen großen Wurf in der Klimapolitik, wenn wir als Regierung weiter eine Berechtigung haben wollen, das Land zu führen." Dass Scholz damit die Zukunft der großen Koalition infrage stellte, hat aber vermutlich weniger mit dem Klima zu tun als vielmehr mit seiner Kandidatur zum SPD-Vorsitz. Olaf Scholz gilt bei den Genossen seiner Partei als Mr. Groko und ist somit umstritten. Die SPD steht in der Klimafrage allerdings nicht mit leeren Händen da. Im Gegenteil. Umweltministerin Svenja Schulze hat intensiv vorgearbeitet und treibt seit Wochen die Union mit der CO2-Steuer vor sich her. Demnach soll zukünftig im Verkehr und beim Wohnen auf jede Tonne verursachten Kohlendioxidausstoß eine Steuer fällig werden. Zu Beginn sollen pro Tonne 35 Euro berechnet werden, in zehn Jahren dann 180 Euro. Damit die sozial schwächeren Bürger für den Verbrauch von Sprit und Heizöl nicht über Gebühr abgestraft werden, soll es für jeden am Anfang des Jahres eine Umweltgutschrift zwischen 80 und 120 Euro geben. Verbraucht man weniger, wird aus dem Guthaben eine Prämie, so der Plan der Umweltministerin. Damit wäre das System sozial gerecht und noch viel wichtiger, es könnte ohne großen Aufwand zum 1. Januar kommenden Jahres eingeführt werde.
„Nationale Alleingänge bringen beim Klima nichts"
In der Union ist man von diesem Modell nicht so begeistert. Gerade der Wirtschaftsflügel der Union befürchtet eine zu große finanzielle Belastung. Dabei geht es weniger um die „normalen" Bürger in den urbanen Zentren, als vielmehr etwa um die Kleinunternehmer. Handwerker können mit ihrem Werkzeug und Material nicht einfach so auf den Bus oder die Bahn umsteigen, sie sind auf ihr Auto angewiesen. Aber auch in den Flächenländern haben die Pendler das Nachsehen, fürchtet vor allem die CSU. Der CDU geht es um den richtigen Dreiklang. Wolfgang Schäuble brachte es bei den Klimagesprächen in seiner Parteizentrale auf folgenden Punkt: „Wir müssen Ökologie und soziale Marktwirtschaft verbinden. Es muss eine Weiterentwicklung zu einer ökologischen, sozialen Marktwirtschaft geben", daraus erwachse dann Nachhaltigkeit, so das CDU-Urgestein Schäuble. Also: schnell wirken, sozialverträglich und wirtschaftlich. Für Bundeskanzlerin Merkel gibt es dafür nur einen Weg: Den Zertifikatehandel für Emissionen auf Verkehr und Wohnen ausweiten. Der sei „der CO2-Steuer überlegen", so die Kanzlerin, die sich erst nach den Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen dazu überhaupt geäußert hat. Mit dem Emissionshandel durch die staatliche Ausgabe der Zertifikate lasse sich der Preis pro Tonne CO2 steuern.
Im Übrigen ist die Kanzlerin überzeugt: „Nationale Alleingänge bringen beim Klima nichts." Für die CDU geht es um einen Mix aus höherer Bepreisung, Zertifikatehandel und Entlastung bei den Strompreisen. Die Schwester CSU setzt noch einen drauf. Die Kfz-Steuer soll sich zukünftig nicht mehr am Hubraum, sondern am CO2-Ausstoß orientieren. Berufspendler sollen dafür mit einer höheren Pendlerpauschale entlastet werden. Und als grünes Bonbon will die CSU gegen die Billigfliegerei vorgehen. Flügen unter 50 Euro pro Strecke hat Landesgruppenchef Dobrindt den Kampf angesagt. Im Gegenzug sollen Bahntickets preiswerter werden. Klar ist für die Unionsschwestern die Ablehnung einer CO2-Steuer.
Die Grundargumentation dazu lieferte bereits Anfang Juli der Präsident des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Christoph Schmidt. Der oberste Wirtschaftsweise räumte gegenüber FORUM zwar ein, dass eine CO2-Steuer zwar schnell eingeführt werden könnte, aber „man beim Preis nicht nachjustieren könne". Beim Zertifikatehandel dagegen würde immer der Marktpreis realistisch abgebildet, und es wäre eine europäische Lösung. Wer die Politik von Angela Merkel in den vergangenen 14 Jahren halbwegs aufmerksam verfolgt hat, weiß nur zu gut: Die Beurteilung der Wirtschaftsweisen hat Gewicht. Nun müsste nur noch die SPD überzeugt werden.
Umweltministerin Svenja Schulze kokettierte in den Tagen vor dem Klimagipfel gern damit, dass sie als SPD-Frau in den letzten Monaten viel Zeit mit Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner von der CDU verbracht habe. Die beiden Damen sind bedingt durch ihren Geschäftsbereich die Hauptträgerinnen der angestrebten, neuen Klimapolitik der Bundesregierung. Julia Klöckner ihrerseits bestätigt nur zu gern, die „schönen gemeinsamen Stunden", die sie mit Schulze schon verbracht habe. Zum Beispiel mit dem Insektenschutzgesetz, das erst kürzlich vom Bundeskabinett abgesegnet wurde. „Wir haben gezeigt, dass wir in der großen Koalition durchaus handlungsfähig sind", so Klöckner. Dass sie als Landwirtschaftsministerin mit ihrer Kollegin aus dem Umweltressort von der SPD nicht immer einer Meinung sei, muss als gegeben hingenommen werden. „Natürlich haben wir beide klare Zielkonflikte, aber das ist ja nur normal." Dieses so zur Schau gestellte Einvernehmen soll offenbar vor allem eines signalisieren: Trotz Diskussionen um die CO2-Steuer sei die Stimmung gut, in der großen Koalition und erst recht im Klimakabinett.
Den Umweltverbänden wird bei so viel „positiver Energie" auf Regierungsebene angst und bange. Ob BUND, Greenpeace, NABU oder Naturschutzring, ihre Vertreter sehen da schon einen absurden Mix an Maßnahmen auf sich zukommen, der zwar dem Koalitionsfrieden dient, aber für das Klima weitestgehend sinnlos ist. „Es fehlt der Wille", so die Klimachefin vom BUND, Antje von Broock gegenüber FORUM. Dabei wäre eine Reduktion der Emissionen eigentlich gar nicht so schwer. „Von heute auf morgen könnte man auf den Autobahnen, Fernstraßen und innerorts ein Tempolimit einführen." Eine Sofortmaßnahme ohne großartige Kosten. Doch das ist dann offenbar für das Klimakabinett doch zu einfach.