Der Zugang zu Rohstoffen ist eine Frage von Sicherheit, Einfluss und Macht. Im Ringen um Rohstoffe in der Tiefsee sind erste Pflöcke eingeschlagen. Bei den Ressourcen an Land sind erste Schritte zu Transparenz gemacht.
Deutschlands Rohstoff liegt in den Köpfen der Menschen. Ein Satz, der regelmäßig in der politischen Diskussion auftaucht und einen höchst realen Hintergrund hat. Neben Japan ist Deutschland nämlich das Land unter den führenden Industrienationen der Welt, dessen Wirtschaft maßgeblich auf den Import von Rohstoffen angewiesen ist. Das gilt sowohl für den Energiebereich mit Öl und Gas, aber auch Kohle. Deutschland hat seine Steinkohleförderung bereits im vergangenen Jahr eingestellt (für die Braunkohle ist das Szenario bis 2038 beschlossen). Öl und Gas werden seit jeher importiert.
Es gilt aber auch für Zutaten, die in der Stahlindustrie gebraucht werden. Hochwertige Eisenerze werden vor allem aus Brasilien, Kanada und Australien, aber auch Mauretanien und Südafrika eingeführt. Buntmetalle kommen aus Papua-Neuguinea, Mexiko und Chile, Blei und Zink aus Brasilien, Australien und Kanada, Bauxit aus China und Guyana, Aluminium aus Russland und Norwegen.
Diese Importe lassen sich vergleichsweise leicht in den Handelsstatistiken nachvollziehen. Schwieriger ist die Frage zu beantworten, wo und wie auf der Welt Deutschland, oder richtigerweise: deutsche Unternehmen, selbst Rohstoffe fördern oder daran beteiligt sind.
Fokus maritime Wirtschaft
Die Deutsche Rohstoffagentur (DERA) – Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe – hat bereits vor knapp eineinhalb Jahrzehnten konstatiert, durch den Rückzug großer deutscher Konzerne aus dem Auslandsbergbau sei der Eindruck entstanden, dass kaum noch deutsche Firmen im Auslandsbergbau tätig seien. Was im Umkehrschluss heißt: Genaues war damals (2005) nicht präzise bekannt, selbst die Bundesanstalt hätte die Frage somit wohl nicht verlässlich ausführlich beantworten können. Das sollte durch eine Untersuchung geklärt werden. Seither gibt es eine im Fünf-Jahres-Rhythmus aktualisierte Umfrage unter Rohstoff gewinnenden und verarbeitenden Firmen, die, so die Beschreibung, „über Tochterfirmen beziehungsweise Beteiligungen mineralische beziehungsweise energetische Rohstoffe im Ausland gewinnen".
Damit wird deutlich, dass sich die Frage, welche Rohstoffe „Deutschland" wo auf der Welt ausbeutet und wie es sich dabei mit Umsätzen und Gewinnen verhält, im Grunde nicht mit einer einfachen Statistik beantworten lässt. Die Untersuchungen zum Auslandsbergbau geben zumindest einen Überblick über die unternehmerischen Aktivitäten. Demnach sind deutsche Firmen in 68 Ländern an der Gewinnung von 40 verschiedenen Rohstoffarten beteiligt, die wiederum teilweise der Versorgung in- und ausländischer Produktionsstandorte deutscher Firmen dienen. „De facto gelangt nur ein Bruchteil der von deutschen Firmen beziehungsweise mit deutscher Beteiligung im Ausland gewonnenen Rohstoffe nach Deutschland und dient damit untergeordnet auch der Schonung einheimischer Rohstoffressourcen", heißt es in der Veröffentlichung der Bundesanstalt. Diese Analysen beziehen sich auf die klassische Rohstoffgewinnung an Land.
Was die Gewinnung aus den Weltmeeren betrifft, ergibt sich ein anderes Bild, auch weil die in dem heute diskutierten Maßstab noch ziemlich am Anfang steht. Zumindest, was die Rohstoffe betrifft, die derzeit vor allem im Fokus des Interesses stehen: Mangan, Eisen oder Kobalt.
Bereits im Jahr 2000 hat das Bundeswirtschaftsministerium ein eigenes Amt für maritime Wirtschaft eingerichtet, damit auch den Tiefseebergbau in den Fokus genommen (neben Schiffbau, Hochseeschifffahrt, Hafenbau u. a.). 2011 wurden Strategien in einem „Nationalen Masterplan Maritime Technologien" fortgeschrieben. Erklärtes Ziel ist, die deutsche Industrie im internationalen Wettbewerb als führenden Produzenten von maritimer Hightech zu etablieren.
Deutschland verfügt über zwei sogenannte Explorations-Lizenzen für Tiefseebergbau, eine davon im Pazifik zwischen Hawaii und Mexiko sowie eine im Indischen Ozean bei Madagaskar. Diese Lizenzen werden von der Internationalen Meeresbodenbehörde IMB der Vereinten Nationen vergeben. Sie formuliert Regeln und Umweltvorgaben, die in einem „Mining Code" festgehalten sind. Lizenzen werden eigentlich nur an Länder (nicht an Unternehmen) vergeben. An wen wiederum die nationalen Regierungen diese Rechte weiterreichen, liegt in deren eigenem Ermessen. Das erste kommerzielle Tiefseebergbauprojekt soll in diesem Herbst starten. Ausführen wird es die kanadische Firma Nautilus Minerals vor Papua-Neuguinea.
Die deutsche Politik und Industrie setzen zunächst einmal auf die Förderung, Entwicklung und Erforschung neuer Technologien und dabei wiederum auf starke und erfahrene Partner, allen voran Norwegen, das bekanntlich durch maritime Öl- und Gasförderung große Erfahrungen im Tiefseebereich hat. Im vergangenen Jahr fand eine erste Konferenz in Oslo statt unter dem Thema „Deep Sea Mining". Mit dabei waren sowohl Regierungsvertreter als auch Unternehmen.
Die Bundesregierung, genauer das Wirtschaftsministerium, hatte bereits 2016 eine Studie anfertigen lassen, die sich mit dem volkswirtschaftlichen Nutzen der Entwicklung kommerziellen Tiefseebergbaus und der Option eines Pilot-Mining-Tests in den Gebieten, für die es eine Lizenz gibt, auseinandergesetzt hat. In dem Gutachten ist festgehalten, dass es schon damals zahlreiche Unternehmen gegeben hat, die Interesse am Tiefseebergbau bekundet hatten und sich teilweise in der Deep Sea Mining Allianz zusammengeschlossen hatten. Die Gutachter sahen darin ein Indiz, dass man wohl davon ausgehe, dass sich solche Projekte auch betriebswirtschaftlich rechnen könnten, trotz erwartbar immenser Investitionen. Die Unternehmen haben vor allem Schwerpunkte in Logistik sowie Maschinen- und Anlagenbau. Allerdings hatten sich seinerzeit noch keine Unternehmen gefunden, die sich als Abbauunternehmen oder Projektentwickler betätigen wollten. „Von einer solchen Interessenbekundung würde ein starkes Signal in Bezug auf die Realisierung des Tiefseebergbaus ausgehen", so das Gutachten.
Deutschland hatte bis dahin rund 50 Millionen Euro Fördergelder für Forschung und Entwicklung für den Tiefseebergbau ausgegeben, war damit laut Gutachten „verhältnismäßig weit vorangekommen".
Technologie- und Umweltfaktoren
Ob das sinnvoll investiertes Geld ist, ist auch eine Frage des volkswirtschaftlichen Nutzens, der sich an Wertschöpfungs- und Technologieeffekten messen lässt, aber auch an Fragen wie Rohstoffverfügbarkeit und der Möglichkeit zu Einflussnahme und Mitwirkung bei internationalen Regelwerken. Selbst wenn sich aus betriebswirtschaftlicher Sicht Tiefseebergbau kaum rechnen würde, wäre die politische Frage die nach strategischer Rohstoffsicherung. Was also für die klassische Energieversorgung gilt, wäre in diesem Fall entsprechend zu entscheiden, schließlich sind mineralische Rohstoffe ebenso endlich und nur begrenzt zugänglich wie Öl, Gas und Kohle. Dazu kommen Fragen nach den politischen Risiken (instabile Regionen) und der Entwicklung des Bedarfs, etwa durch derzeitige Schwellenländer.
Das Gutachten zeigte, dass es noch „Kenntnislücken" für die Verarbeitung der Metallknollen aus der Tiefsee gibt. Mit normalen Verhüttungsmethoden könnte nur ein Teil der Rohstoffe gewonnen werden, darunter keine ‚Seltenen Erden‘. Ausgerechnet deren Gewinnung wird aber in der öffentlichen Debatte gerne zur Begründung von Tiefseebergbau herangezogen. Das Gutachten empfiehlt folglich eine Förderung der Forschung im technologischen Bereich (auch in europäischer Kooperation) sowie bei der Erforschung von Umweltfaktoren. Nach derzeitigem Stand wird die Bundesregierung wohl 2021 über eine mögliche Förderung eines Pilotprojektes und die Vergabe einer entsprechenden Lizenz an ein Privatunternehmen entscheiden.
Dieses Engagement ist nicht unumstritten. Naturschützer warnen vor den ökologischen Folgen. Aber auch das Vorgehen selbst steht in der Kritik. Forschung, Erkundung und Tests werden von öffentlichen Einrichtungen beziehungsweise mit öffentlichen Geldern durchgeführt. Die Nutzung soll aber später in privater Hand liegen, die von diesen Vorarbeiten profitiert. Führend in der Erforschung der „Ozeane der Zukunft" ist das entsprechende Exzellenzcluster an der Uni Kiel, das sich interdisziplinär, also fächerübergreifend, mit solchen Fragen beschäftigt. Sprecher Martin Vilsbeck hatte bei der Vorstellung eines Berichts feststellt, dass Rohstoffe im Meer zwar „großes Potenzial" hätten, aber selbst angesichts steigender Metallpreise kaum jemand „sehr viel Geld für den Tiefseebergbau in die Hand" nehmen würde. Mittelfristig würden sie aber größere Bedeutung erlangen, ist sich auch der Nationale Masterplan sicher.
Tiefseebergbau steht somit erst ganz am Anfang. An technologischen Lösungen wird ebenso mit Hochdruck gearbeitet wie an politischen Fragen. Beides gilt aber auch für die klassischen Rohstofffragen. Der BDI verweist darauf, dass Deutschland zwar in einigen Bereichen sogar eine führende Produzentenrolle hat (Kali und Salz), in anderen den eigenen Bedarf immerhin zu einem großen Teil selbst decken kann (Kies, Sand, Naturstein, Ton, Kalk) und darüber hinaus bereits ein Fünftel des Rohstoffbedarfs aus Recycling gedeckt wird (bei Massenmetallen wie Stahl, Zink, Kupfer oder Aluminium sogar über die Hälfte). Ein großer Teil komme aber aus dem Ausland über Rohstoffhändler, Warenterminbörsen oder in Form von Zwischenprodukten. „Bei Primärmetallen beispielsweise ist Deutschland zu 100 Prozent von Importen aus dem Ausland abhängig", heißt es in einer BDI-Analyse. Das Problem: „Eine direkte Beteiligung der deutschen Industrie an Rohstoffprojekten im Ausland existiert heute so gut wie nicht mehr."
Erste Schritte zur Transparenz
Der Zugriff auf und die Ausbeutung von Bodenschätzen weltweit hat zunehmend für Konflikte und Kriege gesorgt. Ging es lange Zeit vor allem um Öl und Gas, stehen heute zunehmend sogenannte Seltene Erden im Blickpunkt, sind die doch der Rohstoff des digitalen Zeitalters. Vor mehr als eineinhalb Jahrzehnten, 2002, wurde auf dem Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung in Johannesburg die Initiative EITI (Extractive Industries Transparency Initiative) gestartet. Ziel dieser Initiative für Transparenz in der Rohstoffwirtschaft war und ist, Geldströme deutlich zu machen. Erfasst werden Fördermengen, Lizenzen, Steuerzahlungen und andere Daten. Dieser Standard wird inzwischen weltweit von über 50 Staaten angewandt. Ein Motiv war, insbesondere für Entwicklungs- und Schwellenländer Transparenz zu schaffen und dadurch zu ermöglichen, dass die eigene Bevölkerung an Vorkommen und deren Ausbeutung partizipiert. Schließlich hatten gerade Intransparenz und Misstrauen zur Schwächung und nicht selten militärischen Auseinandersetzungen geführt. Deutschland gehörte mit einem ersten Bericht vor zwei Jahren (2017) mit zu den Vorreitern der Umsetzung. Das Besondere: Daran ist auch die Zivilgesellschaft beteiligt. Die Bundesregierung unter Federführung des Ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung unterstützt die Umsetzung, „aus außen- und entwicklungspolitischen Interessen", wie es auf den Ministeriumsseiten heißt. Transparency International sieht in der deutschen Beteiligung den berühmten „Schritt in die richtige Richtung" und betont: „Wir sind stolz darauf, dass der Bericht die Handschrift der Zivilgesellschaft trägt." So seien Fragen um Rohstoffabbau, Umgang mit Eingriffen in die Natur, Energiewende, Subventionierung und Folgekosten des Rohstoffabbaus auf deren Initiative mit aufgenommen worden. Für den Folgebericht müsse es aber „eine deutlich ambitionierte Umsetzung" geben", forderte Transparency International. Vor allem müssten noch mehr Unternehmen berichten und Steuerzahlungen (Gewerbe- und Verbrauchssteuern) aufgenommen werden, um ein genaueres Bild zu erhalten. Dieser Folgebericht war ursprünglich für Frühjahr dieses Jahres in Aussicht genommen worden.
Im zurückliegenden Juni beschloss die inzwischen achte EITI-Weltkonferenz in Paris, weitere Standards in den Katalog aufzunehmen, dazu zählen Umwelt, Gender, Vertragstransparenz und staatliche Beteiligung. Auf dieser Konferenz hat übrigens Deutschland das Prädikat „EITI-konform" bekommen.