Obwohl die vor 200 Jahren geborene Clara Schumann heute im Schatten ihres berühmten Komponisten-Gatten Robert steht, war sie im 19. Jahrhundert als Solo-Pianistin ein gefeierter Weltstar – und er ein unbeachteter Niemand.
Sie war die berühmteste Pianistin des 19. Jahrhunderts und wurde in einem Atemzug mit männlichen Tasten-Titanen wie Franz Liszt genannt. Seit ihrem ersten öffentlichen Auftritt als gerade einmal neunjähriges musikalisches Wunderkind am 20. Oktober 1828 im Leipziger Gewandhaus bis zu ihrem letzten Konzert im Alter von 71 Jahren am 12. März 1891 in Frankfurt am Main zog sie das Publikum europaweit regelmäßig in ihren Bann. Und doch ist die von vielen Zeitgenossen geradezu ehrfurchtsvoll zu einer „Priesterin" der Kunst stilisierte Clara Schumann vor allem als Ehefrau und Vermittlerin der Kompositionswerke von Robert Schumann in die Musikgeschichte eingegangen.
Dass sie selbst neben den Auftritten am Klavier auch noch eine ernstzunehmende Komponistin war, aus deren Feder rund 70, heute teilweise verschollene Werke entsprangen, dass sie damit eine der ganz wenigen Frauen war, die im 19. Jahrhundert komponiert hatten und die sich damit über die gängige zeitgenössische Überzeugung hinweggesetzt hatten, wonach Kreativität und Genie rein männliche Tugenden waren, war mehr als ein Jahrhundert lang ebenfalls weitgehend in Vergessenheit geraten.
Robert Schumann war auf das Einkommen von Clara angewiesen
Clara und Robert Schumann waren das berühmteste Paar der deutschen Musikgeschichte. Doch diese Künstlerehe lief trotz der tiefen Zuneigung, die beide Partner verband, alles andere als reibungslos. Sie barg vielmehr jede Menge von beidseitigem womöglich sogar albtraumhaftem Konfliktpotenzial. Denn nach der Heirat 1840 erwartete der klassische Biedermann Robert von seiner Frau eigentlich nichts anderes, als dass sie ihre erfolgreiche Karriere aufgeben und sich vornehmlich um den Haushalt und die bald achtköpfige Kinderschar kümmern sollte. Diese wuchsen aber – wie in gehobenen Kreisen damals üblich – fast ausschließlich in der Obhut von Ammen oder Angestellten auf.
Clara hatte Robert schon vor der Eheschließung darauf hingewiesen, dass sie ihren Beruf weiter auszuüben gedenke. Er hingegen wollte sie immer in seiner Nähe haben und ermunterte sie – gleichsam als kleinen Ersatz für die große Konzertbühne – im häuslichen Käfig zum verstärkten Komponieren, was sie vor allem in ganz jungen Jahren häufiger gemacht hatte. Das Üben am Klavier war ihr weitgehend verboten, weil es Robert beim Schaffen seiner Werke störte. Erst mit der Niederlassung in Düsseldorf Ende 1852 bezogen die Schumanns ein ausreichend großes Haus, in dem Clara im Obergeschoss ein eigenes Studierzimmer zum Klavierüben zur Verfügung stand.
Clara lebte ständig mit der Angst, keine gute Hausfrau zu sein und dadurch womöglich die Liebe ihres Mannes zu verlieren. Sie versuchte daher, so weit wie möglich seinen Wünschen zu entsprechen. Geldmangel führte aber schon bald dazu, dass Clara wieder vor Publikum auftrat. Der als Komponist weitgehend unbekannte und somit mittellose Robert war schlicht auf das Einkommen seiner Ehefrau angewiesen. Sie sorgte als reisende Virtuosin am Klavier für den Unterhalt der Familie. Bei ihren gefeierten Auftritten nahm sie gelegentlich auch Werke ihres Gatten, der aufgrund einer starken Behinderung der rechten Hand nicht mehr selbst als Pianist arbeiten konnte, ins Repertoire auf. Der zunehmend kränkelnde Robert litt stark unter der Abwesenheit seiner Frau, und deren Erfolge nagten am eigenen Selbstwertgefühl. Für die Zeitgenossen war Clara der Superstar am Klavier und ihr Mann nichts weiter als ihr komponierendes Anhängsel.
Seine letzten beiden Jahre verbrachte Robert Schumann nach einem Selbstmordversuch und fortschreitender geistiger Verwirrung als Spätfolge einer verschleppten Syphiliserkrankung in einer Klinik in Bonn-Endenich, wo er 1856 starb
Enger Kontakt zu Johannes Brahms
Nach Roberts Tod gab Clara das Komponieren komplett auf und feierte auf unzähligen Konzertreisen Triumphe – vor allem in England, wo sie bis 1888 allein 19-mal auf langen Tourneen zu Gast war. Ihr großes Verdienst war es dabei, die Werke ihre Mannes bekannt zu machen, die noch vor den Kompositionen von Frédéric Chopin, Felix Mendelssohn Bartholdy und Ludwig van Beethoven zu ihren Standards zählten und gemeinsam mit Werken von Johann Sebastian Bach sowie Franz Schubert zur Herausbildung eines modernen Klavier-Konzertrepertoires beitragen sollten. Eine hilfreiche Stütze hatte sie in Johannes Brahms gefunden, der bereits zu Roberts Lebzeiten ein hochgeschätzter Gesprächspartner war. Ob beide darüber hinaus ein Liebespaar waren, ist reine Spekulation. Sicher ist nur, dass Clara nur noch eine weitere feste Beziehung in ihrem Leben mit dem Komponisten Theodor Kirchner hatte, nach gut einem Jahr zog sie 1864 allerdings schon den Schlussstrich, weil sie Kirchners Spielsucht nicht akzeptieren konnte.
Geht man zurück zu ihren Anfängen, so lässt sich heute sagen, dass die am 13. September 1819 in Leipzig geborene Clara Josephine Wieck nach der Scheidung ihrer Eltern bei ihrem Vater Friedrich Wieck aufwuchs, der seiner Tochter als Klavier-Enthusiast und Besitzer einer Klavierfabrik sowie einer Leihanstalt für Musikalien vom fünften Lebensalter an eine exzellente, fortschrittliche Ausbildung zur Piano-Virtuosin ermöglichte. Das sich schon früh abzeichnende musikalische Ausnahmetalent Claras förderte er zudem, indem er sie Kompositionstechniken erlernen ließ. Clara wurde von ihm ganz gezielt zum Piano-Wunderkind aufgebaut. Zudem legte er neben der Musik Wert darauf, dass sie im Privatunterricht Französisch und Englisch lernte.
Nach einigen Konzerten im privaten Umfeld arrangierte der Vater schon früh Auftritte im In- und Ausland – von Dresden bis Paris. Erster Höhepunkt ihrer noch jungen Karriere war Wien, wo die damals 19-Jährige vom begeisterten Kaiser 1838 zur „k. k. Kammervirtuosin" ernannt wurde. Damit hatte sie sich bereits früh in der Spitzengruppe der europäischen Pianokünstler neben Franz Liszt oder Sigismund Thalberg etabliert.
Ihre erste eigene Komposition Opus 1, „Quatre Polonaise pour le Pianoforte", hatte sie bereits im zarten Alter von elf Jahren fertiggestellt, vier Jahre später entstand als Opus 7 das „Konzert für Klavier und Orchester a-Moll", mit dem sie die meisten Werke ihrer damaligen männlichen Kollegen in den Schatten stellte. Bis 1856 sollten 23 mit und gut 40 Werke ohne Opuszahl zusammenkommen, darunter Präludien, Fugen, Romanzen, Chorwerke, Lieder sowie ein Klavier-Marsch. Das 1846 geschriebene Opus 17 mit dem Titel „Trio für Pianoforte, Violine und Violoncello g-Moll" wird gemeinhin als ihr Meisterwerk angesehen.
Das Auftauchen des fast neun Jahre älteren Robert Schumann in Claras Leben drohte die ehrgeizigen Pläne des Vaters zunichtezumachen. 1830 hatte Robert Klavierunterricht bei Friedrich Wieck erhalten, sich als Hausgast mit Clara angefreundet, woraus sich ab 1835 eine zarte Liebesbeziehung zu entwickeln begann. Diese Liaison wollte Wieck mit allen Mitteln verhindern, weil er fürchtete, dass sie der Karriere seiner Tochter schaden könnte. Auch war in seinen Augen der mittellose Robert keine gute Partie für seine Tochter, weil er nicht einmal für den Unterhalt einer künftigen Familie sorgen konnte.
Wahrscheinlich waren ihm auch die Gerüchte um Roberts Alkohol-Eskapaden zu Ohren gekommen und womöglich auch Andeutungen über dessen etwaige homoerotische Neigungen. Die Heiratserlaubnis konnte das Paar gegen den Willen des Vaters dann auch nur per Gerichtsbeschluss erlangen. Die Schumanns zogen 1844 von Leipzig nach Dresden, 1850 ging es nach Düsseldorf, wo Robert endlich die ersehnte Festanstellung als Musikdirektor erhalten hatte.
Clara Schumann starb durch einen Schlaganfall
Nach Roberts Tod waren Berlin, Baden-Baden von 1863 bis 1874 und schließlich für fast 20 Jahre bis zu ihrem Tod infolge eines Schlaganfalls am 20. Mai 1896 Frankfurt am Main die weiteren Lebensstationen der Pianistin. In Frankfurt wurde sie 1878 zur „Ersten Klavierlehrerin" am neu gegründeten Dr. Hochs Konservatorium ernannt – mit sämtlichen Freiheiten für Konzertreisen, vier Monaten Jahresurlaub und einem Jahresgehalt von 2.000 Talern, was heute umgerechnet in etwa 43.000 Euro entsprechen würde. Die Wahl einer Frau für diesen anspruchsvollen Posten begründete der Konservatoriums-Direktor Joachim Raff mit dem bemerkenswerten Satz: „Mme Schumann kann ich eben wohl als Mann rechnen."
Am Main wurde Clara Schumann daher auch noch zu einer renommierten Klavierpädagogin und fand ab dem Jahr 1881 zudem die Zeit, gemeinsam mit Johannes Brahms das kompositorische Gesamtwerk Robert Schumanns zu editieren. 1886 hatte sie zusätzlich eine sogenannte Instruktive Ausgabe des Klavierwerks ihres verstorbenen Mannes herausgegeben – mit genauen und verbindlichen Interpretationsvorgaben für jedes einzelne Stück. Auch für die Veröffentlichung der „Jugendbriefe von Robert Schumann" zeichnete sie 1885 hauptverantwortlich.