TV-Gelder im deutschen Fußball werden seit jeher zentral unter den Vereinen verteilt. Doch der Konflikt zwischen den Branchenführern und dem Rest der Liga spitzt sich zu.
Reinhard Rauball hatte natürlich eine Ahnung. Der Präsident von Borussia Dortmund hatte vor der Abgabe seines Postens als Präsident der Deutschen Fußball Liga (DFL) zu einem Pressegespräch geladen und berichtete in der Bilanz seiner zwölfjährigen Amtszeit – durchaus nachvollziehbar – überwiegend von Positivem. Als ihm die Frage gestellt wurde, ob er Spannungen in der Liga wegen des künftigen TV-Vertrages verspüre, wurde Rauball zunächst nachdenklich. „Dass diese Kräfte da sind, spüre ich auch", sagte er. „Das wird auch in Zukunft einer der schwierigsten Punkte sein, die zu lösen sind. Da braucht es viele Gespräche, auch unter vier Augen." Und dann schrieb er seinen Nachfolgern doch noch eine konkrete Aufgabe ins Stammbuch. „Da muss man für die Zukunft intelligente Lösungen finden. Wir haben immer gute Lösungen gefunden. Aber sie können sicher auch noch intelligenter sein als bisher."
Eine Woche später wurde Rauball offiziell verabschiedet und zum Ehrenpräsidenten ernannt. Und an diesem Tage erfuhr auch die Öffentlichkeit, wie groß der Graben in der Liga ist bei diesem Thema. Die Problematik kurz gefasst: Deutschland hat die Zentralvermarktung. Das bedeutet, dass die TV-Einnahmen in einer Summe ausgezahlt und dann nach einem vielfältigen Schlüssel unter den Vereinen aufgeteilt werden. Die Liga rühmt sich damit, dass dies die kleinen Vereine und auch die Zweitligisten mit ins Boot nimmt. Denn zum Beispiel in Spanien vermarkten die Vereine ihre Spiele selbst. Der FC Barcelona und Real Madrid verdienen damit naturgemäß deutlich mehr Geld als die kleineren Vereine. Aber in Deutschland gibt es auch große Unterschiede darin, welcher Verein wie viel aus dem gemeinschaftlichen Pott bekommt. Von den rund 1,2 Milliarden Euro, die in dieser Saison aus nationalem TV-Geld aufgeteilt werden, erhält der FC Bayern rund 72 Millionen, Mainz 49 und Paderborn 28. Hinzu kommen aus der internationalen Vermarktung noch mal 45 Millionen für die Bayern, rund acht für Mainz und rund drei für Paderborn. Somit liegen zwischen den Münchnern (117) und Paderborn (31) dann doch rund 80 Millionen Euro Unterschied.
„Da muss man für die Zukunft intelligente Lösungen finden"
Doch nun denken sich die kleineren Vereine eben: wenn schon gemeinschaftlich, dann richtig und mit einer gerechteren Verteilung. Denn sonst wird das Gefälle innerhalb der Vereine auch auf diesem Weg immer größer. Grob besteht die Liga – ohne die Zweitligisten, die quasi noch mal zwei eigene bilden – aber sogar aus vier Lagern: Den Top-Clubs um die Bayern München und Borussia Dortmund, den Werks- und Investoren-Clubs Leverkusen, Wolfsburg, Leipzig und Hoffenheim, den kleinen Vereinen wie Paderborn oder Union Berlin und den Teams aus dem breiten Mittelfeld. Das sind beispielsweise Hertha BSC, der 1. FC Köln, Eintracht Frankfurt oder Werder Bremen, das „Team Mittelstand".
Beschwörend hatte Rauball in seiner Abschiedsrede zur Einheit gemahnt. Doch rund um die Versammlung der 18 Bundesligisten am 21. August in Berlin zeigte sich, dass diese Einheit gerade wackelt. Das „Team Mittelstand" hat seinen Status als breiteste der Gruppen eindrucksvoll genutzt und sich im Präsidium der DFL breitgemacht. Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke zog am Abend vor der Abstimmung seine Kandidatur zurück. Laut „Bild" hatte es zwei Treffen des „Team Mittelstandes" gegeben, in dem sich dieses darauf verständigte, nicht zuzulassen, dass sowohl der FC Bayern als auch Borussia Dortmund im künftigen Präsidium sitzen werden.
Hinter Christian Seifert – der nach einer Struktur-Reform, laut der es keinen Rauball-Nachfolger gibt, als „Sprecher des Präsidiums" der alleinige starke Mann ist – und seinem Stellvertreter Peter Peters vom FC Schalke 04 wurden nun Oliver Leki (Freiburg), Jan-Christian Dreesen (FC Bayern), Alexander Wehrle (Köln) sowie Rüdiger Fritsch (Darmstadt), Steffen Schneekloth (Holstein Kiel) und Oke Göttlich (FC St. Pauli) von Zweitligisten in das Präsidium gewählt, das Ansgar Schwenken von der DFL komplettiert.
Dieses neunköpfige Präsidium entscheidet über den Verteilungsschlüssel der TV-Gelder. Und da nun die mittelgroßen und kleineren Vereine in der Breite das Sagen haben, könnte das künftig zu einer Umverteilung führen. Das wiederum kann und wird vor allem dem FC Bayern nicht gefallen. Der Rekordmeister hat sich zwar stets offen zur Zentralvermarktung bekannt, aber auch immer wieder auf seinen Status als Zugpferd der Liga verwiesen und bei drohender Verschiebung der Kräfte auch gern mal unverhohlen mit einem Ausstieg aus der Zentralvermarktung gedroht. Als Druckmittel diente da auch oft das laute Nachdenken über eine europäische Superliga.
Bayern-Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge ließ nach der Wahl des DFL-Präsidiums dann auch sein Missfallen durchblicken. „Eigentlich kenne ich dieses Gremium nur mit Borussia Dortmund und Bayern München", sagte er. „Ich glaube, auch der Fakt, dass beide Clubs immer dabei waren, hat immer dazu geführt, dass man faire und seriöse Lösungen gefunden hat." Watzke monierte, dass im Endeffekt nur Finanz-Fachmänner im Gremium sitzen und keiner, „der als Fußball-Verantwortlicher im Verein den Sport verantwortet".
FC Bayern droht mit einem Ausstieg aus der Zentralvermarktung
Seifert erklärte etwas ernüchtert: „Dass da ein bisschen Porzellan zerschlagen wurde, will ich nicht ausschließen." Zwar werde immer viel über das Miteinander gesprochen, aber „es geht dann doch ein bisschen gegeneinander". Rummenigge betonte, die Formierung des „Team Mittelstands" sei vielen „auf die Nerven gegangen. Ich rate ihnen, schnellstens in den Kreis aller Vereine zurückzukehren und sich nicht zu separieren."
Kiels Clubchef Schneekloth betonte dagegen, dass die Wahl der Vertreter „ein Spiegelbild der Liga" abbilde. Der Mainzer Sportvorstand Rouven Schröder betonte, es sei „wichtig, dass alle vertreten sind. Auch die Großen. Alle können ihre Stimme heben, können ihre Meinung sagen." Auch Bremens Sportchef Frank Baumann war um Ausgleich bemüht. „Wir müssen die Spitzenclubs stärken, damit sie international konkurrenzfähig bleiben", sagte er. „Aber wir müssen auch dafür sorgen, dass die Liga spannend bleibt und auch kleinere Clubs reinkommen können." Der Solidargedanke sei wichtig. „Es ist aber auch klar, dass jeder für sich gut dastehen will."
Das ist, kurz und nett ausgedrückt, der Spagat, den nun alle Vereine hinbekommen müssen. Jeder wird Abstriche machen müssen, denn die Interessen liegen sehr weit auseinander. Ob sie unter einen Hut zu bekommen sind, ist seriös nicht abschätzbar. Und sicher wird es auch die eine oder andere Ausstiegsdrohung der großen Clubs geben, an deren Ende im schlimmsten Fall tatsächlich das Ende der Zentralvermarktung stehen könnte.
Wie rau der Ton werden könnte, zeigte schon ein Geplänkel zwischen Rummenigge und Frankfurts Marketing-Chef Axel Hellmann. Rummenigge (ausgerechnet) hatte sich beklagt, dass es „im Prinzip eigentlich immer nur ums Geld geht", und gesagt: „Das habe ich noch nie erlebt seit der Gründung der DFL, dass es eine Separierung der Interessenlage gab und dass das Fell des Bären schon vorzeitig verteilt werden sollte. Das war absolut nicht okay." Hellmann bezeichnete das in der „Bild" als „eine eher gespielte Aufregung" und sagte: „Herr Rummenigge spielt das Thema gezielt hoch."
Ab 2021 wird die neue Rechteperiode beginnen
Ab 2021 wird die neue Rechteperiode beginnen. Spannend wird dabei sein, ob verstärkt in den Markt drängende Player wie DAZN oder Amazon die Preise weiter hochtreiben werden. Erst bei der letzten Periode hatte sich die Liga auf ein „Vier-Säulen-Modell" verständigt. Demnach werden 70 Prozent der Gelder nach der Fünf-Jahres-Wertung verteilt, weitere 23 nach einer „gewichteten Fünfjahreswertung", in der eine 36er-Tabelle herangezogen wird, die die Zweitligisten stärkt. Fünf Prozent schließlich gibt es für „sportliche Nachhaltigkeit", darin wird gewertet, wie lange ein Verein in den letzten 20 Jahren zur Bundesliga gehörte. Die letzten zwei Prozent belohnen unter dem Titel „Nachwuchsförderung" den Einsatz von jungen Spielern unter 23 Jahren.
Das klingt schon sehr fantasievoll. Doch wie Rauball sagte: Vielleicht braucht man noch etwas intelligentere Lösungen, um alle halbwegs zufriedenzustellen. Denn das müsse das oberste Ziel sein, betonte Seifert. Der zur Bekräftigung seiner Worte Abraham Lincoln zitierte: „Jedes Haus, das in sich uneins ist, wird nicht bestehen."