Der wichtigste Neuzugang bei den Eisbären Berlin steht hinter der Bande. Trainer Serge Aubin will deutlich aggressiver und schneller spielen lassen als zuletzt.
Die Fans der Eisbären Berlin gelten als besonders euphorisch, doch die Vorsaison hat bei der treuen Anhängerschaft Spuren hinterlassen. Die deutlich verpassten Ziele, die Fehlbesetzungen auf der Trainer-Position und die zum Teil überheblichen Auftritte der Mannschaft, die nur ganz selten ihr wahres Potenzial abrufen konnte, haben die Vorfreude auf den Saisonstart Mitte September getrübt.
Serge Aubin spürt das, der neue Trainer will unbedingt ein neues Feuer entfachen. „Ich verspreche, dass wir euch stolz machen werden", rief der Kanadier den 1.500 Fans zu, die bei der Saisoneröffnung zur Arena am Ostbahnhof gekommen waren. Und Aubin versprach auch: „Wir werden hart und schnell spielen und als Mannschaft zusammenhalten." Worte, die die Fans gerne hören. An Tempo und Zusammenhalt mangelt es dem Spiel des siebenmaligen Meisters seit Jahren. Unter Aubin soll das berüchtigte „Eisbären-Eishockey" zurückkehren, mit dem der Club einst die Deutsche Eishockey Liga (DEL) beherrscht hatte. Das erste Fazit von Geschäftsführer Peter John Lee über die Arbeit des neuen Trainers fällt positiv aus: „Bis jetzt wirkt alles sehr organisiert, sehr gradlinig. Er weiß, was er schaffen muss und hat einen guten Plan dafür."
„Immer eine halbe Sekunde langsamer als der Gegner"
Doch Aubins Maßnahmen fruchteten nur langsam. Die ersten Testspiele gingen verloren, nach der 3:8-Pleite bei den Vienna Capitals ging er mit seinen Spielern hart ins Gericht. „Es war einer dieser Abende", sagte der 44-Jährige, „an denen man das Gefühl hat, dass das ganze Team immer eine halbe Sekunde langsamer ist als der Gegner." Und wenn Aubin eines nicht toleriert, dann ist es Schwerfälligkeit. „Hart und schnell" – so sieht Aubin das Spiel der Eisbären in naher Zukunft. Neben der Laufstärke, die heute elementar sei, verlange er auch Leidenschaft und Spielintelligenz: „Ich möchte eine schlaue Mannschaft, die das Spiel bestimmt, den Puck kontrolliert und die unerbittlich ist, wenn wir den Puck nicht haben." Seine Mannschaft solle „dynamisch und mitreißend" agieren. Und das bedeutet für die Spieler: raus aus der Komfortzone. Immer wieder wurde den Profis des einstigen Serienmeisters vorgeworfen, zu wenig Erfolgshunger zu haben, zu wenig für Siege zu investieren. Damit soll unter Aubin Schluss sein. „Wir verlassen uns nicht darauf, den einfachen Weg zu finden, wir nehmen den harten Weg", sagte der frühere NHL-Stürmer (396 Spiele). „Ich möchte, dass wir eine Mannschaft sind, die hart arbeitet." Darauf legte er im Sommer während der Vorbereitung großen Wert. Immer mit dabei beim Training: die Trillerpfeife, mit der er seine Profis triezt. „Ich bin immer mittendrin, will auch ein bisschen Druck machen", erklärt Aubin. „Letztendlich arbeiten wir permanent am großen Plan." Und dieser lautet: die Eisbären zurück an die DEL-Spitze zu führen. Sechs Jahre nach dem bislang letzten Meistertitel für Berlin. Wie man Champion wird, weiß Aubin: Die Vienna Capitals führte er 2017 in der österreichischen Liga nach ganz oben.
Routinier André Rankel, der von Aubin als Kapitän bestätigt wurde, hat beim neuen Chef ein gutes Gefühl. Und auch der neue Teamspirit und die Spielweise überzeugen den Nationalspieler. Entsprechend selbstbewusst formuliert er sein Saisonziel: „Ich will jedes Spiel gewinnen. Von daher will ich Meister werden. Definitiv." Alles andere als das Erreichen des Halbfinals wäre aus Berliner Sicht abermals eine enttäuschende Saison. In der Hauptrunde streben die Eisbären einen Platz unter den besten vier an, um in den wichtigen Play-offs zumindest im Viertelfinale Heimrecht zu haben.
Um in die Erfolgsspur zurückzukehren, schreckte der Club – anders als in den Vorjahren – vor einem größeren Umbruch nicht zurück. Zwölf Spieler mussten die Eisbären verlassen, darunter sogar der siebenmalige Meister-Verteidiger Jens Baxmann (jetzt Iserlohn Roosters). Bei Spielern wie Daniel Fischbuch und Martin Buchwieser griff man sogar tief in die Tasche und trennte sich durch das Auflösen bestehender Verträge. Von den Neuzugängen ist auf dem Papier Maxim Lapierre das größte Kaliber. Der 34 Jahre alte Kanadier weist eine stolze Bilanz von 694 NHL-Spielen auf – die bekommt man in der besten Eishockey-Liga der Welt nicht geschenkt. Der Center, der zuletzt in der Schweiz aktiv war, ist an der Scheibe noch immer herausragend, aber nicht mehr so schnell. Das ist dafür Leo Pföderl. Der Olympia-Held von 2018, der von den Nürnberg Ice Tigers gekommen ist, könnte mit Lapierre ein gefährliches Duo bilden. Im Tor ist für den dänischen Nationaltorhüter Sebastian Dahm die Rolle der Nummer eins vorgesehen. Bei der Weltmeisterschaft in der Slowakei glänzte der Däne mit einer Fangquote von 92,8 Prozent. Da Dahm auch einen deutschen Pass besitzt, bewahren sich die Eisbären eine Importlizenz für einen anderen Spieler. „Es ist toll, mit allen Deutsch sprechen zu können", sagte Dahm, „dann fühle ich mich ein bisschen mehr zu Hause."
Sebastian Dahm ist die nummer eins
Insgesamt hat sich der Kader stark verjüngt. Die Verantwortlichen hoffen, nach dem sensationellen 85er-Jahrgang mit Spielern wie Florian Busch, Frank Hördler und André Rankel eine neue Erfolgsgeneration entwickeln zu können. „An dieser Vision, diesem Prinzip festzuhalten, ist keineswegs leicht", sagte Geschäftsführer Lee der „Berliner Morgenpost". „Am Ende des Tages steht die Frage, ob der Trainer den Mut hat, das durchzuziehen. Es kann auch viel schiefgehen." Der wichtigste Neuzugang ist und bleibt also Aubin. Nicht alle Fans sind glücklich mit seiner Verpflichtung. Bei einigen ist die Skepsis groß. Aubin ist ein Freund von Sportdirektor Stéphane Richer, der bei den Anhängern nach der schwachen Vorsaison kaum noch Kredit hat. Beide kennen und schätzen sich seit gemeinsamen Tagen bei den Hamburg Freezers. Dort hatte Aubin nach dem Ende seiner erfolgreichen aktiven Karriere erste Erfahrungen als Trainer gesammelt. Die Entscheidung für Aubin sei aber alles andere als ein Freundschaftsdienst, versichert Richer: „Im Eishockey gibt es keine Kumpels, es ist und bleibt ein Geschäft." Geschäftsführer Lee zeigte zwar Verständnis für die Aufregung unter den Fans, stellte aber auch klar: „Letztlich müssen wir so entscheiden, wie wir es als richtig empfinden." Für Aubin sprechen seine „starke Führungsqualitäten, eine gute Kommunikation und offensives, erfolgreiches Eishockey", erklärte Richer. Der neue Mann an der Bande muss nun genau das beweisen.