Trockenheit, Stürme und sintflutartige Regenfälle haben dem Wald mehr zugesetzt als bislang angenommen. Waldbesitzer schlagen Alarm und fordern Hilfen. Dabei war die Entwicklung absehbar.
Auf die Bundeswehr könnte bereits im kommenden Frühjahr ein ganz besonderer Einsatz zukommen. Der wäre wohl nicht so gefährlich wie die Aufgaben in Mali, Afghanistan oder Somalia, aber die Rekruten bräuchten auch hier jede Menge Fingerspitzengefühl.
Eine Million Baumsetzlinge müssen dringend in den deutschen Forsten eingebuddelt werden. Die Forstämter bundesweit haben kein Personal, eine Folge der Personalsparpolitik der vergangenen Jahrzehnte, übrigens in allen Bundesländern. Nun hat sich Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner mit ihrer Kabinettskollegin Annegret Kramp-Karrenbauer kurzgeschlossen und die Verteidigungsministerin hat zugesagt, in diesem Falle die Bundeswehr im Innern einsetzen zu wollen.
Derzeit wird noch geprüft, ob die Soldaten nicht schon in den kommenden Wochen als „Wald Force" eingesetzt werden könnten. Immerhin lagern in den deutschen Wäldern zwischen 70 und 100 Millionen Festmeter Schadholz, die dringend geborgen werden müssten, so Klöckner. Aber ob der Borkenkäferbefall als Ausnahmesituation wie etwa Hochwasser oder Waldbrand gilt und damit einen zivilen Bundeswehreinsatz rechtfertigen kann, darüber sind sich die Justitiare der Truppe noch nicht klar.
Umweltverbände und Waldbesitzer uneins
Glaubt man der Politik und den Waldbesitzern nach den letzten beiden Sommern, dürfte kein Zweifel bestehen. Laut Bund Deutscher Forstleute werden von Anfang 2018 bis Ende dieses Jahres 250.000 Hektar Wald verloren gegangen sein. Das entspricht der gern zitierten Fläche des Saarlands. Der Waldexperte Andreas Bolte vom Thünen-Institut konstatiert: „Es gibt kein Waldsterben, sondern die Waldveränderung ist das Thema." Diese Waldveränderung hat aber nicht erst völlig überraschend im März 2018 eingesetzt, sondern ist schon seit Jahren zu beobachten, so der deutsche Wald-Guru. In diversen Vorträgen hat Bolte in den vergangenen Jahren darauf immer wieder hingewiesen, nur hat offenbar keiner so richtig zugehört. Es waren in diesem Sommer der Präsident des Deutschen Forstwirtschaftsrates, Georg Schirmbeck und der Präsident der Arbeitsgemeinschaft der Waldbesitzer, Hans-Georg von Marwitz, die Alarm schlugen. Der impulsive Schirmbeck sprach gegenüber FORUM von einem „Waldbeben", das nicht nur Deutschland, sondern ganz Westeuropa in den letzten anderthalb Jahren durch die Hitze und Trockenheit ereilt hätte. Das Kalkül der Waldbesitzer war dann schnell klar: Nachdem bundesweit die Landwirtschaft 2018 mit Dürrehilfen in dreistelliger Millionenhöhe bedacht wurde, wollten die beiden obersten Waldbesitzer nun eine ähnliche Hilfe für ihre Belange. Betroffen sind deutschlandweit etwa zwei Millionen Waldbesitzer, und denen, so ihre beiden Cheflobbyisten, müsse mit einer Soforthilfe von 2,3 Milliarden Euro geholfen werden. Das, so der Präsident der Arbeitsgemeinschaft der Waldbesitzer, Hans-Georg von der Marwitz, „wären erst mal nur die Kosten für die Beräumung des Schadholzes aus den Wäldern" (s. Interview).
Ministerin Klöckner staunte nicht schlecht über diese Zahl. Aber die Waldbesitzer haben in ihrer Misere derzeit alle Vorteile auf ihrer Seite. Gerade erst hat das Klimakabinett im Groben die Grundlagen für ein Klimagesetz umrissen, wobei die Finanzierung noch längst nicht klar ist. Beinahe alle Parteien haben das Klima zu ihrer Chefsache gemacht, und weiterhin demonstrieren wöchentlich bundesweit die Schüler für Klima- und Weltrettung. Nicht nur Fridays for Future ist klar: Ohne Wald gibt es keine Klimarettung. Darum sollten also alle daran ein Interesse haben, ihn zu säubern und wieder aufzuforsten, und das kostet nunmal Geld, so die Logik der Waldbesitzer.
Das sei ja alles gut und richtig, so die Vertreter vieler Umweltverbände, die sich aber gleichzeitig gegen eine Beräumung des Schadholzes aus den betroffenen Wäldern aussprechen. „Der Wald", so zum Beispiel der Naturschutzbund (Nabu), „soll nicht länger ein Wirtschaftsstandort-, sondern ein Naturschutzgebiet sein". Überlässt man den Wald also sich selbst, wird es die Natur schon richten – auch das mit dem Borkenkäfer. Doch weder die Waldbesitzer noch Landwirtschaftsministerin Klöckner wollen das gelten lassen. Im Wald muss Ordnung herrschen, und darum stellt Klöckner im Vorfeld ihres „Waldgipfels" Ende September schon mal 50 Millionen Euro Soforthilfe zur Beräumung in Aussicht. Insgesamt könnten die Waldhilfen bis zu 500 Millionen Euro betragen. In dieser Summe wären dann die finanziellen Möglichkeiten aus Bund, Ländern und der EU ausgeschöpft. Die von den Waldbesitzern geforderten 2,3 Milliarden Euro werden es also wohl nicht werden – aber vielleicht hilft am Schluss die Truppe tatkräftig mit.