Trumps Nibelungentreue zum Königreich heizt die Konflikte im Nahen Osten an
Spätestens der Angriff auf zwei wichtige saudi-arabische Ölanlagen am vergangenen Wochenende zeigt: Europa kann sich angesichts der Spannungen im Nahen Osten nicht zurücklehnen. Binnen eines Tages wurde die Produktion des weltgrößten Ölexporteurs Saudi-Arabien halbiert. Die Preise schossen nach oben, die Märkte reagierten nervös. Das ist Gift für die ohnehin schwächelnde globale Wirtschaft.
Die Hintergründe der Attacke sind unklar. Die von Teheran unterstützten schiitischen Huthi-Rebellen im Jemen reklamierten den Anschlag für sich. Sie begründen den Akt als Rache für den im März 2015 von Saudi-Arabien begonnenen Krieg gegen die separatistischen Huthis, bei dem bislang mehr als 100.000 Menschen getötet wurden. US-Außenminister Mike Pompeo beschuldigte hingegen direkt den Iran als Drahtzieher.
Doch die Botschaft hinter dem Drohnenbeschuss ist klar: Der Rohstoff-Gigant Saudi-Arabien ist extrem verwundbar. Die Hintermänner wollen zudem signalisieren, dass sie die Welt-Konjunktur jederzeit aus dem Rhythmus bringen können. Dies ist umso gefährlicher, als sich drei verschiedene Konflikte am Persischen Golf überlagern und gegenseitig hochschaukeln: das regionale Kräftemessen zwischen Saudi-Arabien – Schutzmacht der Sunniten – und dem Iran – Schutzmacht der Schiiten –, der Jemenkrieg und der Atom-Streit zwischen Washington und Teheran.
Seit der Kündigung des internationalen Atomabkommens mit dem Iran durch die USA im Mai 2018 geriet die Auseinandersetzung zwischen Washington und Teheran in eine neue Umlaufbahn. Präsident Donald Trump brach den Vertrag und änderte die Tagesordnung. Die Iraner sollten durch harsche Sanktionen gezwungen werden, für immer auf Kernwaffen zu verzichten, jedwede Einmischung in regionale Krisen zu unterlassen und ihr Raketenprogramm einzumotten.
Die Islamische Republik, die sich an alle Auflagen zur Reduzierung ihres Nuklearprogramms gehalten hatte, fühlte sich verraten. Die Hoffnung, im Gegenzug mit dem Abbau der wirtschaftlichen Strafmaßnahmen belohnt zu werden, erwies sich als Illusion. Insbesondere die Reformer um Präsident Hassan Rohani und Außenminister Dschawad Sarif sahen sich um den Erfolg ihrer Politik geprellt.
Die amerikanische Strategie des maximalen Drucks, die Mullahs durch die einschneidende Drosselung der lebenswichtigen Ölexporte auf Linie zu bringen, stellt sich als kontraproduktiv heraus. Die Reformer in Teheran verlieren an Einfluss. Dagegen bekommen die Hardliner Oberwasser. Ihnen war der Atomvertrag von Anfang an ein Dorn im Auge.
Vor diesem Hintergrund spricht einiges dafür, dass die iranischen Revolutionsgarden – die Verteidiger des Regimes – im Zuge der Verhärtung des US-Kurses ihr Heil in einer asymmetrischen Kriegsführung suchen. Eine direkte militärische Konfrontation mit den Vereinigten Staaten kann Teheran nie gewinnen. Also wehrt sich die Regierung mit einer Taktik der immer schmerzhafteren Nadelstiche.
Die Angriffe auf Öltanker am Golf sowie die Attacken auf saudi-arabische Ölanlagen seit Mai gehen vermutlich auf das Konto der Revolutionsgarden oder verbündeter schiitischer Milizen. Die Führung in Teheran arbeitet an einer „Achse des schiitischen Widerstandes", die sich vom Iran über den Irak und Syrien bis in den Libanon und den Jemen erstreckt.
Es rächt sich, dass Trump einseitig Partei ergriffen hat. Anstatt das politische Gewicht der Supermacht USA in die Waagschale zu werfen und die Rolle eines ehrlichen Maklers einzunehmen, hat er den Saudis einen Persilschein für eine aggressive Außenpolitik erteilt. Der unberechenbare Kronprinz Mohammed bin Salman konnte den Jemen in Schutt und Asche bomben und Drohkulissen gegen Teheran auffahren. Dafür bekam Trump von Riad Aufträge für Waffenkäufe in dreistelliger Milliardenhöhe. Hinter Amerikas Saudi-Connection steckt eine fatale Nibelungentreue, die als Brandbeschleuniger in den Konflikten der Region wirkt.
Eine Entspannung ist weit und breit nicht in Sicht. Aber Europa kann sich zumindest um Deeskalation bemühen. Gefragt sind diplomatische Initiativen von Frankreich, Deutschland und Großbritannien – den EU-3. Dazu gehört auch, deutlich zu machen, dass die Europäer Trumps Bulldozer-Politik nicht folgen. Dies alles ist wenig – aber mehr ist derzeit nicht zu erreichen.