Neue Studienangebote – neue Herausforderungen. Präsident Manfred Schmitt nimmt Rückschläge als Ansporn, das Profil der Saar-Uni weiter zu schärfen, um sich im Wettbewerb zu behaupten. Gleichzeitig drängen etliche bekannte Baustellen – im wörtlichen wie übertragenen Sinn – darauf, abgeschlossen zu werden.
Herr Schmitt, das neue Semester steht vor der Tür. Da liegt die Frage auf der Hand: Welche Neuerungen erwarten uns auf dem Campus?
Wir haben einen neuen Studiengang, „Data Science and Artificial Intelligence", eingeführt. Das ist ein toller innovativer Studiengang, der eine wichtige Lücke schließt, die insbesondere in den Naturwissenschaften, in den Lebenswissenschaften sowie in der Medizin gefüllt werden muss. Unsere Informatik hat hierzu ein maßgeschneidertes Studienprogramm konzipiert, das genau in diese Richtung zielt und die heutzutage immer wichtiger werdende Brücke zu den Nachbardisziplinen schlägt. Ich bin überzeugt, dass dieser neue Studiengang auf ein großes Interesse stoßen wird und es hierfür auch eine starke Studienplatznachfrage geben wird. Als Universität müssen wir zudem bestrebt sein, auch unsere bestehenden Studienangebote immer wieder neu zu adjustieren und auf die rasanten Entwicklungen in der Wissenschaft anzupassen. Die Fachwissenschaften verändern sich permanent, es gibt immer mehr neue Fragestellungen und wir alle werden in den unterschiedlichsten Wissenschaftsdisziplinen mit massiven Datenmengen konfrontiert. Was uns hierbei häufig fehlt, sind Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die exakt in diesem Bereich ihre Kompetenzen haben. Insofern brauchen wir dringend Studienprogramme, die uns genau diese Art von jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern liefern, die sozusagen primär in der Informatik gefußt sind, die aber gleichzeitig auch die „Sprache" der angrenzenden Wissenschaftsbereiche verstehen und damit auch interdisziplinäre Fragestellungen bearbeiten und beantworten können. Ich gehe davon aus, dass „Data Science and Artificial Intelligence" ein sehr erfolgreicher Studiengang sein wird.
Wie wirkt sich das neue Helmholtz-CISPA-Zentrum auf die Entwicklungen an der Uni aus?
Für die Universität ist es zunächst einmal ein schmerzlicher Verlust gewesen, dass ein wissenschaftlich starker Bereich aus der universitären Informatik in ein solches Helmholtz-Zentrum überführt wurde. Auf der anderen Seite ist es für die UdS und für den Standort insgesamt natürlich auch eine fantastische Entwicklung. Bei dem massiven Wachstum und Ausbau der außeruniversitären Forschungsinstitute am Campus wird es extrem wichtig sein, dass auch die Universität sichtbar und attraktiv bleibt. Hierzu müssen wir uns dringend verstärken, insbesondere in den Profilschwerpunkten der Universität – da sind wir dabei. Wir haben einige laufende Berufungsverfahren in der Informatik, aber gerade in diesem Bereich stehen wir in einem extrem harten Wettbewerb. Viele Standorte national und international bauen jetzt Bereiche wie Künstliche Intelligenz aus. Wir wollen und müssen an unserem Exzellenzniveau festhalten, das hat die Informatik von Beginn an ausgezeichnet, und nur hierdurch konnte sich der Saarland Informatics Campus so erfolgreich entwickeln und international behaupten. Aber um die exzellenten Köpfe in der Wissenschaft kämpfen auch andere.
Im letzten Jahr hatte sich die Universität des Saarlandes um eine Förderung im Rahmen der „Exzellenzstrategie" der Deutschen Forschungsgemeinschaft beworben, scheiterte aber in der Finalrunde. Welche Lehren ziehen Sie daraus?
Das ist ein hoch kompetitives Verfahren in der Wissenschaft, bei dem man damit rechnen muss, dass man auch mal einen Dämpfer bekommt. Natürlich haben wir alle gehofft, dass das nicht passiert, aber es können nicht nur Gewinner aus einem solchen Wettbewerb hervorgehen. Wir waren ja in der Finalrunde, in der praktisch nur noch exzellente Clusterverbünde vertreten waren, aber von denen nochmals etwa die Hälfte ausgesiebt werden musste; und da trifft es eben auch exzellente Gruppen. An der wissenschaftlichen Qualität und Exzellenz der Saarbrücker Informatik hat sich nichts geändert – das ist auch ganz klar so in den Gutachten formuliert. Als Universität ist es uns gemeinsam mit dem Land gelungen, für die nächsten Jahre finanzielle Mittel bereitzustellen, um uns in unseren Schwerpunktbereichen moderat ausbauen und weiterentwickeln zu können, um so größtmögliche Chancen bei der nächsten Antragsrunde zu haben. Wir haben nach wie vor schwierige Zeiten was die strukturelle Unterfinanzierung der Universität als Ganzes angeht, aber wir haben auf der anderen Seite auch die Möglichkeit, uns gezielt in wichtigen Bereichen weiterentwickeln zu können. Das brauchen wir auch, um national und international sichtbar zu bleiben und uns in der Wissenschaft an vorderster Front behaupten zu können.
Im Rahmen der Schuldenbremse wurde an vielen Ecken gespart – auch an der Universität. Blickt man jetzt schon mehr auf 2020 oder sind da noch Altlasten im Hintergrund, die da ein bisschen mitschwingen?
Die Altlasten, die an der ein oder anderen Stelle aufbrechen, beschäftigen mich fast täglich. Zum Teil, weil in der Vergangenheit keine Entscheidungen getroffen wurden, zum anderen aber auch Dinge, die nicht unbedingt mit finanziellen Fragen zu tun haben. Ungemein wichtig ist hierbei eine größtmögliche Transparenz und Kommunikation innerhalb der Universität sowie ein gegenseitiges Verständnis, Vertrauen und Verlässlichkeit bei allen Entscheidungen. Nicht weniger wichtig ist dies auch für das Verhältnis zwischen Universität und dem Wissenschaftsbereich in der Staatskanzlei. Mit der früheren Wissenschaftsministerin gab es in vielen Dingen eine konstruktive und gemeinsame Wellenlänge; ich bin sehr froh, dass sich dies auch mit Herrn Hans fortsetzt. Er zeigt ein großes Interesse an Wissenschaft, Forschung und universitärem Wissenstransfer und ist hier auch sehr gut informiert. Unabhängig von seiner Person ist es für eine Universität aber auch durchaus schwierig, wenn ein für die Wissenschaft zuständiger Ressortminister auch gleichzeitig Ministerpräsident und Kabinettschef ist. Auch wenn diese Konstellation im Saarland schon seit vielen Jahren besteht, so ist dies insbesondere in konjunkturell schwierigen Zeiten für die Hochschulen im Land nicht unbedingt von Vorteil, wie es auch umgekehrt für einen amtierenden Ministerpräsidenten nicht einfach ist. Umso mehr hat es mich gefreut, dass die Landesregierung ein sehr offenes Ohr für die universitären Anliegen zeigt und unsere Bemühungen zur Erarbeitung eines längerfristigen Universitätsentwicklungsplanes bis 2030 unterstützt. Ziel- und Leistungsvereinbarungen zwischen Universität und Land beziehen sich in der Regel immer nur auf einen Zeitraum von drei Jahren, und das ist einfach viel zu kurz für eine Institution wie die UdS. Wir müssen über einen längeren Zeitraum planen können – sowohl was die finanzielle, die strukturelle und die inhaltliche Ausrichtung der Universität angeht. Das ist auf sehr fruchtbaren Boden gestoßen.
Die Universität hat im Übrigen deutlich artikuliert, dass wir ein sehr sichtbares Zeichen der Landesregierung darin sehen, dass ab 2021 das Land die Tarifkostensteigerung übernimmt, auch wenn wir uns das schon zum nächsten Jahr gewünscht hätten – aber immerhin wird es kommen.
Eine andere Baustelle – im wörtlichen Sinn – ist die Entwicklung auf dem Campus selbst. Geht es da voran?
Ich habe jeden Tag, wenn ich morgens auf dem Weg zur Uni an dem wachsenden Scheer Tower 2 vorbeigefahren bin, mit Wehmut gesehen, wie schnell es gehen kann, wenn ein Privatunternehmer ein Gebäude plant und dann auch hochzieht. Im öffentlichen Dienst ist das leider etwas völlig anderes: Man muss europaweit ausschreiben und, und, und … Es sind eben gänzlich andere Zeitschienen, mit denen wir leben müssen. Mit unseren Gebäuden C5 2 und C5 3 liegen wir aktuell zwar voll in den Planungen, die sind aber eben so lang wie sie sind. Was uns nach wie vor auf den Nägeln brennt, ist die Diskrepanz zwischen dem, was das Land – wenn auch an begrenzten Mitteln – für Hochschulbau zur Verfügung hat und dem was davon tatsächlich in die Umsetzung gehen kann. Die Universität leidet darunter, dass in den letzten Jahren das Land nicht in der Lage war, das an Bauvolumen zu verbauen, was eigentlich hierfür im Haushalt eingestellt war. Das alles ist schon paradox. Die in manchen Bereichen sehr kritische Infrastruktur an beiden UdS-Standorten wird sich noch weiter verschärfen, wenn es uns nicht gelingt, das was an Sanierungen und Neubauten finanziell möglich ist, auch in die Umsetzung zu bringen. Hieran muss sich dringend etwas ändern. Wir waren sehr froh, dass der für die Hochschulen so wichtige Hochschulbau in die Zuständigkeit eines einzelnen Landesministeriums (MIBS) überführt wurde, aber leider gibt es nach wie vor noch Abstimmungsprobleme zwischen den Häusern, die den gesamten Prozess erschweren und verzögern. Auch hat es lange gedauert, bis wir uns auf einen Hochschulstandortentwicklungsplan verständigen konnten – auch darüber, dass die Universität bei bestimmten Projekten selbst die Bauherrenfunktion übernehmen kann und hierdurch auch das ein oder andere Bauprojekt in eigener Regie durchführt. Wir waren sehr froh, dass es hierzu recht schnell zu einem Grundkonsens kam. Allerdings sind die hierzu notwendigen rechtlichen Grundlagen bislang noch nicht geschaffen.
Die Diskussion darüber, diese Zuständigkeit in die Hände der Universität zu legen, wurde doch bereits letztes Jahr geführt …
Ja, alle Beteiligten hatten grundsätzlich zugestimmt, dass es so kommen soll. Jedoch ist die entsprechende schriftliche Vereinbarung hierzu leider immer noch nicht final unterschrieben. Wir warten dringend darauf, denn wir haben unser Dezernat für Campusentwicklung und Baumanagement bereits in dieser Richtung personell verstärkt, um nun auch baldmöglichst die ersten Bauprojekte in die Umsetzung bringen zu können. Für die Universität ist das weiterhin ein sehr wichtiges Thema.
Stichwort Europauniversität: Die erste Runde war nicht erfolgreich. Es hieß, weil die Universität der Großregion eigentlich schon zu gut sei. Stimmt das?
Man kann schon sagen, dass es in dem ersten Antragsverfahren wohl eher von Nachteil war, wenn man als bestehender Verbund angetreten war. Unser Hochschulverbund der UniGR macht im Grunde ja schon seit zehn Jahren vieles von dem, was mit dieser Initiative gefördert werden soll. Das Konzept war auch grundsätzlich positiv und innovativ beurteilt worden, allerdings wurde eine geografische Ausgewogenheit der Partner vermisst, da die sechs Universitäten der UniGR alle aus einem Bereich Europas kommen – dem Westen – und nicht aus allen vier Himmelsrichtungen. Im Rückblick und im unmittelbaren Vergleich zu der wissenschaftsgetriebenen Begutachtung im Rahmen der bundesweiten Exzellenzstrategie habe ich schon den Eindruck, dass in diesem EU-Förderprogramm letztlich eher formale Dinge bewertet wurden und entscheidungsrelevant waren. Ob dies der ursprünglichen Vision von Emmanuel Macron für Europäische Hochschulen entspricht, möchte ich hier mal so stehen lassen.
Die verkehrstechnische Anbindung des Standorts ist ja auch ein sehr leidiges Thema. Vor Kurzem wurde die Idee einer Seilbahn von der Stadt zum Campus in den Raum gestellt …
Ich fände es fantastisch, wenn etwas in dieser Art käme – ich würde sogar fast noch weiter gehen: Wir sind ein führender Informatik- und KI-Standort. Warum können wir hier nicht auch über autonome Fahrzeuge vom Hauptbahnhof zum Campus nachdenken – meines Wissens wurde das bereits vor einigen Jahren diskutiert. Aber auch eine Seilbahn fände ich gut, hierfür gibt es ja auch Vorbilder wie Dortmund und einige andere Städte, die so etwas haben oder aktuell planen. Der öffentliche Nahverkehr ist für die Hochschulen im Land nach wie vor ein großes Problem. Wenn wir uns den ÖPNV mal in anderen Bundesländern ansehen, dann wird deutlich, dass das Saarland hier noch in einer anderen Liga spielt. Beispielsweise bietet der Rhein-Main-Verbund ein sehr attraktives Netz für die Studierenden und Mitarbeitenden der Universitäten und Hochschulen in dieser Region. Deshalb wäre die Universität absolut begeistert, wenn so etwas – in welcher Form auch immer – realisierbar wäre.
Demnächst tritt mit Uwe Conradt ein neuer Oberbürgermeister sein Amt an. Wie groß ist denn der Wunschzettel an ihn?
Wir hatten bislang immer eine gute und enge Verbindung zur Landeshauptstadt und erhielten auch an vielen Stellen die unmittelbare Unterstützung durch Frau Britz, das war sehr positiv. Für die nahe Zukunft kann man natürlich immer wieder neue Projekte andenken. Beispielsweise die zahlreichen Ringvorlesungen in der Stadt, die von der Uni in den letzten Jahren verstärkt aus den einzelnen Fächern und Bereichen der Universität angeboten wurden. Diese kommen in der Bevölkerung sehr gut an, und sie tun auch uns als Universität gut, weil wir damit nach außen gehen und versuchen zu vermitteln, was wir eigentlich machen. Wir könnten sicher noch viel mehr gemeinsam machen – auch in kultureller Art. Beide Partner, Stadt und Uni, profitieren gleichermaßen. Die Universität braucht eine attraktive Stadt Saarbrücken – auch ein attraktives Homburg, denn wir haben schließlich zwei Standorte – wie auch umgekehrt die Stadt von einer starken und attraktiven Universität profitiert. Auch die Stadt muss daran interessiert sein, dass die Universität und die Hochschulen insgesamt den Zuwachs an Studierenden haben, den wir uns alle wünschen. Wie sollen denn sonst junge Menschen hier ins Saarland kommen? Wir brauchen auch internationale Angebote. Ich möchte da jetzt nicht allzu sehr in die Kerbe von Herrn Backes schlagen, aber er hat da sicherlich recht: Wenn wir uns ansehen, wie hoch der Anteil an internationalen Studierenden und an wissenschaftlichem Personal an beiden Universitätsstandorten mittlerweile geworden ist – fast 20 Prozent – dann muss sich das auch in entsprechend internationalen Angeboten widerspiegeln. Hier gibt es sicher noch viel zu tun.