Sheryl Crow vereint vieles, was auf den ersten Blick vielleicht nicht zusammenpasst: Rockstar. Aktivistin. Ex-Freundin von Eric Clapton, Owen Wilson und Lance Armstrong. Mutter. Neunfache Grammy-Gewinnerin. Jetzt erscheint das spektakuläre Album „Threads", welches ihr letztes sein soll.
Sheryl, auf „Threads" singen Sie Duette mit Musikern, die Rockgeschichte geschrieben haben. Wollten Sie der Ära dieser Musiker ein Denkmal setzen?
Nun, das Projekt begann mit Kris Kristofferson, der inzwischen 83 ist. Je älter wir Musiker werden, desto geringer unsere Chancen, noch einmal mit unseren Helden zu spielen. Ich wollte diesmal eine Platte machen, die voller Liebe ist und diese wollte ich gern mit anderen teilen. Deshalb habe ich über einen Zeitraum von drei Jahren jene Künstler kontaktiert, die mich am meisten inspiriert haben. Herausgekommen ist eine wundervolle Gemeinschaftsproduktion. Zudem habe ich mich mit jüngeren Leuten wie Jason Isbell, Chris Stapleton und Lukas Nelson getroffen.
Sehen Sie sich selbst in der musikalischen Tradition Ihrer Duettpartner?
Ja. Ich habe von Anfang an mit anderen zusammengearbeitet. Bob Dylan oder die Rolling Stones haben mich zum Beispiel eingeladen, mit ihnen ihre Songs zu interpretieren. Jetzt wollte ich den Spieß einmal umdrehen und mit Gästen meine Songs spielen.
Haben Sie die Songs auf „Threads" speziell für Ihre Gäste geschrieben?
Das lief ganz unterschiedlich, aber immer sehr organisch. Eric Clapton spielt zum Beispiel auf einem Song mit, den George Harrison komponiert hat. Das fühlte sich für mich richtig an, weil die beiden sich kannten. Mit Joe Walsh habe ich sogar einen Song geschrieben. Ich habe alle meine Gäste persönlich getroffen mit Ausnahme von Mavis Staples. Mein Produzent hat sie aufgenommen, weil ich zu dem Zeitpunkt auf Tour war. Das alles zog sich über eine Periode von drei Jahren hin. Währenddessen habe ich noch ein Broadway-Musical geschrieben. Es basiert auf dem Film „Diner" von Barry Levinson.
Keith Richards ist ein Freund von Ihnen. Lag es da nahe, dass Sie ihn zu einem Duett einluden?
Er schrieb vor 25 Jahren den Song „The Worst" für das Stones-Album „Voodoo Lounge". Eine großartige Country-Nummer, die ich gern mit ihm singen wollte. Deshalb verabredeten wir uns in einem Studio in New York.
Wie arbeitet es sich mit Keith Richards?
Ich blieb ein paar Tage in New York. Wir haben in der Zeit ein bisschen aufgenommen und viel zusammen abgehangen. Das war toll. Keith spielt auf dem Song Gitarre und Piano und singt. Und ich bediene die Wurlitzer-Orgel. Das Ganze fiel in die Zeit, als Trump gewählt wurde. Keith hat vor Wut gebrüllt, als das Wahlergebnis bekannt gegeben wurde.
Nennt er Sie noch immer „kleine Schwester"?
Ja, das tut er. Ich mag es. Hey, allein die Tatsache, dass er sich überhaupt noch an mich erinnern kann, ist irre! Viele wissen nicht, wie belesen Keith eigentlich ist. Er ist sehr intelligent und sehr neugierig. Und er hat einen herrlich bösen Humor. Aber vor allem hat er ein ganzes musikalisches Genre aus der Taufe gehoben. Das, was zwischen ihm und Charly Watts passiert, ist definitiv einzigartig.
Wie fühlt es sich an, mit ihm Musik zu machen?
Surreal. Man muss sich von Zeit zu Zeit kneifen, um zu begreifen, mit wem man da gerade spielt. Ganz unabhängig davon, wie lange ich ihn schon kenne und wie oft wir zusammen gespielt haben, verfalle ich in solchen Momenten in Schockstarre.
Das erste Mal trafen Sie die Rolling Stones 1997. Die Band hatte Sie eingeladen, sie auf einer Tour zu begleiten.
Am Anfang war ein einzelner Gig in Florida, bei dem ich mit ihnen „Live With Me" spielte. Im Jahr darauf durfte ich die Stones bei sieben oder acht Konzerten begleiten. Das war super.
Ist es wahr, dass Sie zur Vorbereitung auf die Rolling Stones die Skandal-Doku „Cocksucker Blues" geschaut haben?
Nein, nicht zur Vorbereitung auf die Tour. Aber ich habe den Film gesehen. Ich mag es, mich in ein Thema komplett hineinzuarbeiten. Dann ziehe ich mir alles rein, was ich in die Hände kriegen kann: Outtakes, Bootlegs, Dokus. Bei meinem ersten Konzert mit den Stones war ich so nervös, dass Bobby Keys mir eine Flasche Tequila reichte, damit ich mir Mut antrinke. (lacht)
Vor 50 Jahren schrieben die Rolling Stones die Protesthymne „Street Fighting Man". Wie mächtig ist Musik heute?
Ich glaube noch immer an die Macht von Musik. Heute gibt es diese gesellschaftlich und politisch motivierte Rock- und Popmusik nicht mehr, wie man sie in den 60ern und 70ern spielte. Musik kann jedoch nach wie vor die Körperlichkeit verändern. Deshalb halte ich es für wichtig, weiterhin konventionelle Songs zu schreiben. Dafür gibt es immer noch ein Publikum.
Ihr „Redemption Day" ist eine Reflexion über Krieg. Haben Sie Angst, dass Donald Trump eines Tages gegen Nordkorea oder den Iran zu Felde ziehen könnte?
Ich weiß nicht, wie es anderen Amerikanern geht, aber seit er im Amt ist, habe ich mich nicht einen einzigen Tag so gefühlt, als würde ich in einem friedvollen Land leben. Ich bete, dass die anderen Staatenlenker der Welt irgendwann merken, dass Trump ein instabiler Präsident ist, der hoffentlich nicht mehr lange im Amt sein wird. Ich hoffe, dass unsere Verfassung es ihm im Falle eines Falles verbietet, in den Krieg zu ziehen. Im Moment steht unsere Verfassung vor ihrer größten Herausforderung. Das löst in mir keine guten Gefühle aus, zumal ich Kinder habe. Wie wird deren Zukunft aussehen?
Wie bringen Sie Ihren Kindern bei, dass ihr Präsident ein notorischer Lügner ist?
Eltern mit kleinen Kindern haben es im Moment in Amerika sehr schwer. Sie müssen ihnen jeden Tag erklären, dass es nicht in Ordnung ist zu lügen. Dass man Mitgefühl zeigen sollte. Aber dann gibt es diesen Kerl im höchsten Amt, der genau das Gegenteil repräsentiert. Was mir fast noch mehr Sorgen bereitet, ist die Tatsache, dass Trump so viele Unterstützer hat, die sich immer unmenschlicher verhalten.
Geht der Riss nicht nur durch die Gesellschaft, sondern auch durch die Kulturszene?
Die meisten Künstler denken und handeln eher liberal, das war in Amerika schon immer so. Die Country-Welt hingegen ist eher konservativ und findet die Waffengesetze so in Ordnung, wie sie sind. Sie wollen nicht, dass sich an ihrem Lebensstil irgendetwas ändert. Meine Künstler-Freunde jedoch sind fast alle gegen Trump.
Wie konservativ ist Nashville, wo Sie seit Jahren wohnen?
Es ist eine spannende Stadt, die sich in den letzten zehn Jahren zu einem sehr begehrten Ort entwickelt hat. Nashville ist heute nicht mehr so konservativ wie früher.
In „Cross Creek Road" hört man neben Ihrem Gesang Lukas Nelsons und Don Henleys Stimmen sowie Neil Youngs fette Gitarrenriffs. Wo fand dieses Treffen statt?
In Los Angeles. Ich habe Neil angefragt und er hat sich den Song angehört. Er hat ihn nur einmal gespielt, weil er es mag, instinktiv zu arbeiten. Er achtet mehr auf den Spirit eines Songs als auf seine Mitspieler. Damit will er mich nicht runtermachen, aber ihm geht es immer nur um die Musik.
Wo haben Sie sich kennengelernt?
Bei einem seiner Bridge-School-Benefizkonzerte. Inzwischen war ich dreimal dabei. Ich kannte auch seine Exfrau Pegi, die vor einiger Zeit gestorben ist. Ich denke, Neil hat mich eingeladen, weil er meine Arbeit schätzt. Bei Bridge School geht es darum, so viele unterschiedliche Musiker wie möglich auf eine Bühne zu bringen. Die Erlöse des Festivals kommen behinderten Kindern zugute.
Neil Young ist berühmt-berüchtigt für seine Spontaneität. Wie kommen Sie damit klar?
Wenn man mit Neil arbeitet, darf man nicht erwarten, das zu bekommen, was man sich wünscht. Sondern man bekommt das, was er liefert. Für Erwartungen ist er die falsche Person. Neil Young wird immer nur Neil Young abliefern. Es wird niemals etwas Konventionelles oder Perfektes sein, sondern einfach nur das Richtige. Das war ein weiterer surrealer Moment für mich.
Warum haben Sie eigentlich „Redemption Day" noch einmal aufgenommen?
Es ist interessant, wie Songs funktionieren. Als ich diese Nummer 1997 schrieb, hatte ich das Gefühl, dass sie den damaligen Zeitgeist sehr gut reflektiert. Vier Jahre später wollte Johnny Cash den Song aufnehmen. Er erzählte mir bei verschiedenen Gelegenheiten, dass „Redemption Day" eine der Säulen seines nächsten Albums sein soll. Aber dann starb Johnny und der Song erschien posthum. Als ich vor drei Jahren anfing, dieses Album zu machen, musste ich wieder an den Song und die Situation in Amerika denken. Auf mich wirkte der Titel aktueller denn je, weshalb ich Johnnys Familie fragte, ob ich seine Stimme verwenden dürfe. Sie hatte nichts dagegen.
Wie gut kannten Sie Johnny Cash?
Er war ein Freund von mir. Kein enger, aber ich kannte ihn und seine Frau June von verschiedenen Begegnungen.
„Threads" soll Ihr letztes Album sein. Wollten Sie es noch einmal so richtig krachen lassen?
Ich hatte nicht geplant, dass dies mein letztes Album wird. Aber als es nach drei Jahren schließlich fertig war, dachte ich, es wäre doch ein schönes Werk, um sich damit vom Albummachen zu verabschieden. Ich werde aber nicht aufhören, Songs zu schreiben, Musik zu machen und aufzutreten. In Zeiten von Streamingdiensten erscheint mir ein Album als etwas Extravagantes. Die Leute wollen sich keine Langspielplatten mehr anhören. Man investiert sehr viel Zeit, Geld und Gefühle in solch eine Produktion. Das ist eine tolle Tradition, der ich mit „Threads" ein letztes Mal huldige.
Werden Sie in Zukunft nur noch Singles veröffentlichen?
Ich werde einzelne Songs veröffentlichen und hoffe, dass Menschen sie mögen und auf ihre Playlists setzen. Wenn ich das Gefühl habe, dass ein Song wirklich etwas bedeutet und in die Zeit passt, werde ich ihn herausbringen. Ich habe aber keine Ahnung, wie ein Song beschaffen sein muss, damit er kommerziell erfolgreich wird. Unsere Aufmerksamkeitsspanne liegt angeblich bei acht Sekunden, weshalb heute Songs von 18 Leuten geschrieben werden. Auf diese Weise kann keine wirklich gute Musik entstehen.
Sind die besten Songs bereits geschrieben worden?
Nein! Wenn ich das glauben würde, müsste ich sofort aufhören. Ich habe immer das Gefühl, dass das Beste erst noch kommt. Je älter ich werde, desto klarer ist mein Blick auf meine Arbeit. Als Künstlerin fühle ich mich heute frei.
Werden Sie in Zukunft kürzer treten?
Wenn man älter wird, verändern sich die Prioritäten. Ich ziehe zwei kleine Jungs auf, für die ich da sein möchte. Ich will nicht mein ganzes Leben in Tonstudios verbringen, wo ich etwas schreibe, das erst ein Jahr später erscheinen und womöglich von niemandem gehört wird.
Ist Musik für Sie ein politisches Werkzeug oder sollte sie lediglich unterhaltsamen Charakter haben?
Für mich kann Musik alles sein. Wenn sie eine spezifische Botschaft hat, kann sie Menschen wachrütteln. Manche Lieder berühren die Seele und können einen Menschen verändern. Wenn ich Musik schreibe und aufnehme, denke ich aber nicht darüber nach, welchen Effekt sie haben könnte. Ich mache mir eher Gedanken darüber, in welche Richtung ein Song gehen und wie man ihn arrangieren könnte. Und wenn sich am Ende Business-Leute überlegen, auf welche Weise man den Song am besten herausbringen kann, finde ich das gut.
Glauben Sie, dass Ihr neues Album viel im Radio gespielt wird?
Das bezweifle ich. Ich weiß nicht, wie hier die Radiolandschaft aussieht, aber in Amerika orientieren sich die Sender am Geschmack der Jugend. Sie spielen vorwiegend Musik für 14- bis 26-Jährige. Das Gute an der modernen Technologie ist, dass man Musik auf viele Straßen schicken kann. Auf verschiedenen Streaming-Plattformen kann man seine eigenen Playlists zusammenstellen.