Der italienische Künstler Lorenzo Silvestrini präsentiert derzeit seine Werke im Victor’s Residenz-Hotel Rodenhof in Saarbrücken. Anlässlich der Vernissage erläuterte der Saarbrücker Kunstwissenschaftler Wolfgang Birk in seiner Laudatio das lyrische Arbeiten des Künstlers.
Wenn Lorenzo Silvestrini über sein Leben spricht, erzählt er nicht nur von seiner Kindheit, von seinen Eltern, die mit seiner Kunst nichts anzufangen wussten, und seinen vielen beruflichen Stationen, die ihn auch ins Saarland führten, sondern auch von seiner Suche nach der Freiheit. Gefunden habe er sie schlussendlich in seiner Kunst.
Der Weg dahin begann 1948 in Venedig. Gemalt hat er bereits in frühen Jahren, doch auch Sport spielte in Lorenzo Silvestrinis Jugend eine wichtige Rolle. Der Künstler war unter anderem italienischer Meister im Rollschuhschnelllauf. Weder in der Marine-Schule noch in der Gastronomie fand er die ersehnte Freiheit. Das sollte sich erstmals bei einer Reise nach Deutschland ändern: Hier gab es Discos und Mädchen, die abends ausgehen durften. Auf Pirmasens, Bad Bergzabern und Köln folgte Saarbrücken, wo Lorenzo Silvestrini in den 80er-Jahren die gastronomischen Geschicke im Tennisclub Bübingen leitete.
Die Kunst war immer Teil seines Lebens, doch es dauerte lange, bis Silvestrini zu seiner eigenen Bildsprache gefunden hat. Er experimentierte mit Techniken und Materialien, malte eine Zeit lang Impressionistisches wie Landschaften, Frauen und Clowns. Erste Ausstellungen und Aufträge bestärkten ihn in seinem Tun. Dazu kam Musik, zusammen mit seiner damaligen Frau war er als Duo Conny & Lorenzo erfolgreich. Es gab Auftritte bei RTL und SR, Konzerte und CDs.
Heute lebt Lorenzo Silvestrini zusammen mit seiner langjährigen Lebensgefährtin in Gordes in der Provence. Seit einigen Jahren ist er als Maler erfolgreich, verkauft seine Bilder in den USA, der Schweiz, Luxemburg, Frankreich und Deutschland. Seine Heimat Italien tut sich hingegen schwer mit der abstrakten Kunst.
Wer den Künstler trifft, erlebt einen freundlichen, offenen Menschen, der Zufriedenheit ausstrahlt. Er fühle sich endlich frei in seinem Tun, betont er. Auch über die Zeit sinniert er gerne – wie sie fließt, wie sie vergeht. Es überrascht nicht, dass dieses Thema eine wichtige Rolle in seinen Bildern spielt.
„Ich will zum Denken einladen"
Das wird auch in den rund 30 Werken deutlich, die seit Kurzem im Victor’s Residenz-Hotel Rodenhof in Saarbrücken zu sehen sind. Es ist die erste Kunstausstellung des traditionsreichen Hauses. Die Idee dazu stammt von Hoteldirektorin Melanie Buschbacher. „Mir war es wichtig, unser Haus zu öffnen, nicht nur den Übernachtungsgästen etwas Neues, Außergewöhnliches zu bieten." Sie selbst zeigt sich beeindruckt von den großformatigen Werken Silvestrinis, die trotz ihrer schlichten Farbsprache von Tiefe zeugen. In den Hotelfluren im Erdgeschoss und in der ersten Etage, in den Tagungsräumen sowie im Restaurant-Bistro-Bereich kommen die Bilder eindrucksvoll zur Geltung. Noch bis Ende Februar 2020 können sie dort besichtigt werden.
Ein Element fällt in nahezu allen Werken auf: die Farbe Rot. „Rot ist Energie, Rot ist Leben", betont Lorenzo Silvestrini. Es setzt optische Kontrapunkte, die die Blicke des Betrachters bereits aus der Ferne lenken. Je näher man den Bildern kommt, desto deutlicher wird ihre Struktur. Die vielschichtigen Collagen erzählen mit Zeitungsausschnitten, geheimnisvollen Schriftzeichen und Uhren vom Leben, von der Zeit und ihrer Vergänglichkeit. Klare Linien stehen im Kontrast zu dynamischen Pinselstrichen und erzeugen dadurch Spannung.
„Aus der unterschiedlichen Behandlung von Farb- oder Themenschichten gewinnen Silvestrinis Werke eine für sie ganz typische Tiefenräumlichkeit", erklärt der Saarbrücker Kunstwissenschaftler Wolfgang Birk in seiner Laudatio, die er anlässlich der Vernissage der Ausstellung hielt. Trotz reduzierter Farbpalette – „Schwarz und Weiß als dominante Farben, daneben Rot, Orange, kräftiges Blau und bisweilen Gelbocker aus Silvestrinis derzeitigem Wohnort, dem Dorf Gordes in der Provence" – erkennt der Experte in den Bildern eine ästhetische Ausgewogenheit, die an die Werke großer italienischer Maler der Renaissance erinnern. „Venezianische Maler wie Tizian oder Veronese waren in der Renaissance berühmt für ihren sehr ausgewogenen Umgang mit der Farbe. Mir scheint davon auch in Lorenzos Arbeiten vieles erhalten geblieben zu sein, wenn man sieht, wie er rote Farbflecken als Gegengewicht zu figürlichen Darstellungen, Schrift oder Helligkeitsblöcken verwendet."
Doch im Gegensatz zu früheren Zeiten, als der Künstler eine feste Vorstellung vom Ergebnis hatte, entwickeln sich Lorenzo Silvestrinis Werke – dem Zeitgeist der Moderne des 20. Jahrhunderts entsprechend – aus dem Dialog mit dem Vorhandenen, beschreibt Birk dessen Arbeitsweise. Es sei ein lyrisches Arbeiten – der Aufbau aus unterschiedlichen Farben, Raumschichten im Bild, Fragmenten von Bild oder Text – in dessen „Kern es um die Frage der Ästhetik, des Ausgewogenen, der Harmonie und Schönheit geht". In allen Arbeiten findet Birk „eine Balance, die manchmal einen Schwerpunkt in Farbakzenten, manchmal in technischen Konstruktionen, manchmal in energischer Bewegung der Bildelemente hat". Doch diese Ausgeglichenheit bedeute nicht Stille, sondern könne sich genauso in ruhigen Formen finden wie in Energien oder Kraftfeldern, die sich gegenseitig ergänzen.
Diese Harmonie ist Lorenzo Silvestrini sehr wichtig. „Ich will mit meinen Bildern nicht provozieren, aber durchaus zum Denken einladen", sagt der Künstler „Meine Werke müssen nicht jedem gefallen, aber ich wünsche mir Toleranz der Kunst gegenüber." Für ihn sei das Malen die höchste Form von Freiheit.
Sein künstlerisches Vorbild? Überraschenderweise ist es kein alter Meister der Renaissance, den er nennt, sondern Pablo Picasso. Denn auch der berühmte Spanier habe die Freiheit in der Kunst geschätzt. Nicht ihre Art zu malen, vereine sie, sondern ihre Philosophie, sagt Silvestrini und lächelt dabei ebenso verschmitzt wie sein Vorbild es so oft getan hat.