Karriere, Kind und Partnerschaft zu einen, ist gar nicht so einfach. In ihrem Kurzfilm „Dévier", der mit Fördermitteln der Saarland Medien GmbH entsteht, geht Oona von Maydell diesem Thema auf den Grund.
Karoline ist um ihr Leben zu beneiden. Zumindest auf den ersten Blick. Ihrer langjährigen Beziehung zum Theaterregisseur Baptiste folgt die Eheschließung. Die Beiden gründen eine Familie und werden Eltern. Auch beruflich scheint es für die promovierte Kunsthistorikerin toll zu laufen. Als Co-Direktorin des Saarland Museums steht Karoline kurz vor der Verwirklichung ihres großen Traums: Sie kuratiert ihre erste Ausstellung. Doch all der Schein trügt. Die bevorstehende Vernissage lastet schwer auf den Schultern der Filmfigur. Karolines Vorgesetze Martha setzt die Protagonistin zusätzlich unter Druck. „Mein Film beginnt damit, dass Karoline morgens von ihrem Mann wahrgenommen werden möchte", erzählt Regisseurin und Drehbuchautorin Oona von Maydell. Doch dieser Wunsch bleibt ihrer Filmfigur, verkörpert von Schauspielerin Amelie Kiefer, verwehrt. Ihre Familienidylle ist alles andere als perfekt. „Sie und ihr Mann haben sich längst voneinander entfernt und das Gespür füreinander verloren", schildert sie die Tragik ihrer Protagonistin. „Ihre Partnerschaft ist nur noch eine funktionierende, einvernehmliche Geschichte."
Gefangen in ihrem Job, ihrer Ehe und dem von der Gesellschaft auferlegten Zwang zur vorbildlichen Mutterschaft steht Karoline Pars pro toto – wie viele andere Frauen – am Scheideweg ihres Lebens. Gibt sie dem Drängen des Künstlers Matic, verkörpert von Sascha Alexander Geršak – für den sie die Ausstellung kuratiert – nach und wagt einen Seitensprung? Oder müsste sie in ihrer Rolle als junge Mutter gänzlich aufgehen und sich als Frau komplett zurücknehmen? Inwieweit hat eine Mutter das Recht auf ein eigenes, unabhängiges Leben? Und was kann sie sich von diesem Leben erhoffen?
Eigenes Leben hinterfragen
Unter dem Arbeitstitel „Dévier", auf Deutsch „Abdriften", rüttelt Oona von Maydell mit ihrem angedachten Kurzfilm an der Denkstruktur der Zuschauer. „Ich möchte, dass sie ihre Lebenssituation infrage stellen und sich überlegen, was sie wirklich glücklich macht", sagt die Regisseurin. „Gerade in meiner Generation wird gerne darüber gesprochen, was wir alles nicht haben", erzählt die 34-Jährige. „Kein Geld, kein Kind, kein Erfolg. Darüber lassen sich die Menschen gerne aus. Doch hat man mal tatsächlich etwas gefunden, was einen glücklich macht, hüllen sich die meisten in Schweigen." Acht Tage dauerten die Dreharbeiten für ihren Kurzfilm. Bei der Auswahl des Drehorts entschied sich die ehemalige Studentin der Hochschule der Bildenden Künste Saar für das Saarland. „Viele Schauplätze, die in meinem Film vorkommen, kannte ich noch aus meiner Studienzeit, als ich in Saarbrücken gewohnt habe", erzählt die Regisseurin. Sei es nun die Kneipe im Nauwieser Viertel, in der sie als Studentin oft versackte, oder die Daarler Brücke am Kraftwerk Römerbrücke, einem ihrer Lieblingsplätze. „Ich liebe diese Industrieromantik, die Saarbrücken ausstrahlt", schwärmt Oona von Maydell. Diese Aura griff die Regisseurin übrigens in ihrem ersten Kurzfilm „La Ruche – die Beute" auf. Dessen Premiere feierte von Maydell im vergangenen Jahr beim Kurzfilm-Wettbewerb des Filmfestivals Max Ophüls Preis.
Ihr aktueller Film „Dévier" greift das Leben nach dem Studium auf. „Wenn auch nicht autobiografisch, ist der Stoff des Films doch ganz persönlich", erzählt sie. So wie ihre Hauptfigur Karoline arbeitete auch Oona von Maydell eine Zeit lang am Saarland Museum als Kunsthistorikerin. „Vieles, was ich damals erlebte habe, findet sich auch in diesem Film wieder", gibt sie offen zu. Zitate ihrer Kunstprofessoren, Gespräche, die sie im Laufe der Zeit als Kuratorin mitbekommen hat. Und auch den ständigen Leistungsdruck, unter dem eine junge Mutter, die erfolgreich ihrem Job nachgehen möchte, steht. „Als Kuratorin muss man sich erst einmal beweisen", weiß von Maydell, „sich einen Namen machen, bis man seine Herzensprojekte verwirklichen kann. Ich kann mich noch genau daran erinnern, wie schwierig es plötzlich wurde, als ich nach einer Möglichkeit fragte, Homeoffice zu machen." Damals ging ihre Arbeitswoche weit über 40 Stunden hinaus. Parallel kümmerte sich die junge Frau um ihren kleinen Sohn. „Ich durfte selbst miterleben, wie schwierig es ist, eine Mutter zu sein und gleichzeitig eine erfolgreiche Karriere aufbauen zu wollen. Dazu in einer Beziehung zu leben, eine liebevolle Partnerin zu sein, aber auch sich selbst als Persönlichkeit nicht zu verlieren. Diese ganzen Erfahrungen packte ich auch in meinen Film ‚Dévier‘".
Orientiert an 70er-Jahre-Filmen
Wie lange ihr Film im Endeffekt sein wird, kann die Regisseurin noch nicht genau sagen. „Ursprünglich haben wir 30 Minuten geplant, aber er kann auch auf 60 Minuten anwachsen oder bei 20 Minuten gestoppt werden. Unsere Einstellungen lassen alle Varianten zu." Orientiert an den Filmen der 70er-Jahre, arbeitet die Regisseurin mit langen Kamerafahrten und langen Einstellungen. „Ich wollte keine Hektik mit schnellen Cuts erzeugen, sondern die Schauspieler wirklich spielen lassen. Um die Stimmung und das Wesen der Charaktere besser greifen zu können." Das Geld für die Verwirklichung ihrer Idee stammt dabei aus den Fördermitteln der Saarland Medien GmbH. So, wie übrigens auch das Budget für ihr Erstlingswerk. „Dafür bin ich sehr dankbar", betont Oona von Maydell. Ohne diese Förderung hätte es die beiden Projekte vermutlich gar nicht gegeben.
„Dévier" soll die Emanzipation thematisieren und das gesellschaftliche Verständnis der Mütterlichkeit kritisch hinterfragen, ohne die Schuld auf die Männer abzuwälzen. „Für mich bedeutet Feminismus oder Emanzipation, auch, dass der Mann mindestens genauso gut auf das gemeinsame Kind aufpassen kann, wie man selbst", betont die Regisseurin. „Dazu gehören Vertrauen, aber vor allen Dingen Mut. Mut, sich selbst als Persönlichkeit zu sehen und nicht nur über die Mutterschaft zu definieren."