Die SPD hat mit Personalentscheidungen und einem inhaltlichen Programm ihre Weichen für die zweite Hälfte der Legislatur gestellt. Um personelle Veränderungen beim Koalitionspartner CDU wird weiter spekuliert. Vor dem nächsten Wahlkampf hat die große Koalition aber noch erhebliche Aufgaben zu stemmen.
Eine Regierungsumbildung lag schon lange in der Luft. Im Grunde seit Beginn des Jahres. Immer wieder wurde darüber spekuliert, selbst mögliche Zeiträume waren schon ausgemacht. Nach den Kommunal- und Europawahlen Ende Mai oder unmittelbar nach den Sommerferien schienen sich anzubieten. Und dabei war im Grunde klar, dass Ministerpräsident Tobias Hans in die Vorlage gehen würde mit Veränderungen in den CDU-Ressorts. Woraus sich quasi eine Routine entwickelte, immer mal wieder beim Koalitionspartner SPD nachzufragen, was man dort so plane. Antworten gab es auf beiden Seiten nicht, getreu dem Motto: Über Personalentscheidungen spricht man nicht, man macht sie.
Anke Rehlinger hat dem mehr oder minder geduldigen Fragen ein überraschendes Ende gesetzt, zumindest für den Teil der SPD. Zeitpunkt und Art der Entscheidungen waren durchaus überraschend.
Ein Wechsel im Bildungsministerium hatte sich angedeutet. Aus den gern zitierten Parteikreisen war immer mal wieder die Frage zu hören, ob es nicht klug sein könnte, sich für die nächste Wahl mit neuen Gesichtern in der ein oder anderen Spitzenfunktion aufzustellen. Dabei fiel der Name Ulrich Commerçon, nicht aus Unzufriedenheit mit dessen Politik. Aber Bildungsminister ist nun mal eine sehr spezifische Aufgabe.
Keine Entscheidung aus Unzufriedenheit
Es ist eine seltene Ausnahme, dass Bildungsminister bei Beliebtheitsumfragen in den Ländern Spitzenplätze erreichen, und das ziemlich unabhängig von tatsächlichen Leistungen. Sobald es um Schule geht, fühlen sich im Grunde alle berufen, mitzureden. Und Schulpolitik – als eine der wenigen Länderdomänen – ist immer auch von Werteentscheidungen geprägt, was schnell zu ideologischen Auseinandersetzungen führt.
Commerçons Nachfolgerin Christine Streichert-Clivot weiß um die Herausforderung dieses „schönsten Amtes in der Regierung" (Commerçon beim Wechsel), auch innerhalb der großen Koalition. Es ist kaum anzunehmen, dass am Kabinettstisch nach dem streitbaren Commerçon mit ihr eine Art „Schulfrieden" einkehren wird. Dafür sind die bildungspolitischen Ansätze zwischen den Koalitionspartnern zu unterschiedlich – woran sich auch wenig ändern dürfte, je näher der nächste Wahlkampf rückt.
Genau auf den zielen die SPD-Personalentscheidungen erklärtermaßen ab. In der großen Koalition, dazu noch als der kleinere Partner, Profil gewinnen, war erklärtes Ziel. Die Umstände haben sich in der ersten Hälfte der Legislatur grundlegend verändert. Der Koalitionsvertrag war noch mit Annegret Kramp-Karrenbauer ausgehandelt, die inwischen auf die Berliner Politikbühne gewechselt ist. Mit Tobias Hans als Ministerpräsident und Peter Strobel als Finanzminister hat sich die CDU bereits teilweise neu aufgestellt. Spekuliert wurde immer wieder über einen zweiten Teil der Umbildung in den beiden anderen CDU-Ressorts Innen/Bau sowie Soziales/Gesundheit.
Anke Rehlinger hat in den letzten Wochen für die SPD den Kurs für die zweite Halbzeit vorgezeichnet. Ihr gehe es um die Frage: „Wie schaffen wir Aufbruch in diesem Land?", hatte sie bei der Vorstellung der Personalia gesagt. Zuvor hatte sie dazu auf der „Saarlandklausur" von SPD-Vorstand und Fraktion ihre Positionen in einem Papier „Aufbruch Saarland" präsentiert. Ihre Kernforderung dabei ist eine klare Prioritätensetzung, ihr Ziel: Das Saarland so attraktiv zu machen, dass nicht nur der Bevölkerungsrückgang gestoppt wird, sondern das Land wieder einwohnermäßig wächst. Im Grunde war das Papier, das sie ausdrücklich auch als eines der stellvertretenden Ministerpräsidentin verstanden wissen wollte, eine Vorlage für die schon länger in Aussicht gestellte Regierungsklausur. Commerçons Wechsel an die Fraktionsspitze unterstreicht den Anspruch der SPD, Druck in der Regierungsarbeit machen zu wollen.
Den beiden Fraktionschefs der Koalitionspartner ist immer schon eine bedeutsame Rolle zugekommen, die Regierungsfraktionen zusammenzuhalten. Diese Arbeit im Hintergrund, oft von der Öffentlichkeit nicht so wahrgenommen wie die Regierungsarbeit, ist wesentlich entscheidend für das Funktionieren. Stefan Pauluhn, der sich auch aus gesundheitlichen Gründen aus der Spitze zurückzieht, war ohne Zweifel ein in der Sache klarer Verhandlungspartner, zugleich aber auch darauf bedacht, dass die Groko im Land nicht das gleiche Bild abgibt, das auf der Berliner Bühne zu besichtigen ist. Commerçon hat sich bisher häufig für den Koaltionspartner als unbequem erwiesen, zuletzt in der Auseinandersetzung um mehr Lehrerstellen. In der neuen Funktion kommt mehr auf ihn zu, als die Interessen aus Sicht eines Fachministers durchzukämpfen.
War das erst der Anfang des Personalkarussells?
Sein CDU-Pendant, Fraktionschef Alexander Funk, war von den Personalentscheidungen der SPD sichtlich überrascht. Dem Vernehmen nach gab es mit Stefan Pauluhn ein funktionierendes Arbeitsverhältnis. Funk selbst bezeichnete es als „sehr gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit". Das neue Duo im Landtag wird sich erst einspielen müssen.
Für beide Regierungspartner ist dabei klar, dass der Spagat zwischen effektiver gemeinsamer Regierungsarbeit und Profilbildung für die eigene Partei im Blick auf die nächste Landtagswahl in zwei Jahren schwieriger wird. Die Herausforderungen eines ungewissen Strukturwandels sind hinlänglich bekannt. Gleichzeitig hat das Land an vielen Stellen nach den Jahren eines strikten Sparkurses enormen Nachholbedarf bei den Investitionen. An etlichen Stellen ist das Land auf Entscheidungen auf Bundesebene angewiesen, die es nach Kräften im Sinne saarländischer Interessen und Notwendigkeiten gemeinsam zu beeinflussen gilt, aktuelle Stichworte hierbei sind Strukturwandel und Situation der Kommunen. Zwar sind Pflöcke auf der Berliner Ebene eingeschlagen, dort aber bleibt die Unsicherheit, ob die bestehende große Koaltion das Jahresende erleben wird. In diesen existenziellen Fragen geht es nur gemeisam für saarländische Interessen.
In der Koalition dürften die Diskussionen heftiger werden, zumal sich im Zuge der konjunkturellen Entwicklung abzeichnet, dass die Mittel knapper werden.
Das wurde bereits bei der Vorlage der mittelfristigen Finanzplanung deutlich.
Angesichts der insgesamten Entwicklungen im Parteienspektrum müssen beide Parteien aber auch auf ihre Erkennbarkeit achten. Bei den Kommunalwahlen (Kreisebene) im Mai hatten CDU und SPD Verluste hinnehmen müssen, mit 34 beziehungsweise 30 Prozent liegen sie aber im Vergleich zu ihren Bundesparteien noch beachtlich gut und sind als Volksparteien im Land verankert. Bei der gleichzeitigen Europawahl erreichte die CDU 32,5, die SPD 23,1 Prozent.
Die CDU hat gerade auf 20 Jahre zurückgeblickt, in denen sie den Chef beziehungsweise die Chefin in der Staatskanzlei stellt. In dieser Zeit hat sie es immer wieder geschafft, Nachwuchs aufzubauen, was nicht zuletzt Hans und Strobel zeigen. Insofern ist die Spekulation über einen weiteren Wechsel im Kabinett nicht aus der Luft gegriffen.
Für die SPD dürfte nach wie vor das Ziel gelten, das seinerzeit (2012) noch Heiko Maas, der heutige Bundesaußenminister, als SPD-Landeschef bei der ersten Auflage der großen Koaltion an der Saar ausgegeben hatte, nämlich das scheinbar eherne Gesetz zu brechen, wonach der Juniorpartner in einer großen Koaltion am Ende nicht von der gemeinsamen Regierungsarbeit profitiert.