Deutschland sucht Alternativen zum Autoverkehr. Richten soll es, zumindest in großen Städten wie Berlin, der öffentliche Personennahverkehr. Doch das kostet Geld. Und die Umsetzung braucht Zeit – wie das Beispiel der künftigen Berliner City-S-Bahn S21 zeigt.
Die Idee hörte sich einfach an: Zu den vorhandenen, meist überlasteten U- und S-Bahnen unter der Hauptstadt wird einfach eine neue Linie gebuddelt – die S21. Sie soll mehr oder weniger parallel zur heutigen Nord-Süd-Linie unter der Hauptstadt hindurchführen. Mit ihr wäre dann auch der Berliner Hauptbahnhof von Norden und Süden aus direkt zu erreichen. Soweit jedenfalls die Planung.
2010 ging es los, rausgekommen ist dabei bis heute aber nicht allzu viel: Eventuell kann in gut anderthalb Jahren eine Stummelstrecke mit zwei Stationen zwischen dem S-Bahnhof Wedding und dem Vorplatz des Hauptbahnhofs an der Invalidenstraße in Betrieb gehen. Die ganze Neubaustrecke hat dann eine Länge von nicht einmal 2,5 Kilometern, wird aber vermutlich mehr als 300 Millionen Euro kosten. Damit dürfte die Strecke eine der teuersten in Deutschland werden.
Die neue City-S-Bahn fährt dann erst mal nicht etwa bis zum Hauptbahnhof, sondern endet ein ganzes Stück vor dem Bahnhofsgebäude an der Straßenbahnhaltestelle Invalidenstraße. Treppensteigen und Fußweg inklusive.
„Das ist eine Zwischenlösung", sagt Thomas Rüffer, Projektleiter der Bahn. Der 51-Jährige ist ein erfahrener Bahnbauer. Vor dem S21-Projekt war er Chef am Bahnhof des geplanten Großflughafens BER – dort gibt es bis heute nur eine Art Probebetrieb. Die eigentliche S-Bahnstation „Hauptbahnhof" wird es vermutlich erst ab 2026 geben. Dass der S-Bahnhof damals nicht gleich beim Neubau des Hauptbahnhofs eingebaut wurde, war dem Zeitdruck geschuldet. Der neue Berliner Verkehrsknotenpunkt sollte ja pünktlich zur Fußball-WM 2006 fertig sein.
Wieder eine extra Siemensbahn
Was die ganze Sache zusätzlich verkompliziert: Die gesamte Tunnelstrecke liegt unter der Grundwasserkante. Alle Arbeiten müssen unter Wasser durchgeführt werden. Deshalb werden Baumaschinen aus der ganzen Welt eingeflogen, unter anderem eine spezielle Unterwasser-Tunnelbohrmaschine aus Norwegen – sie kommt eigentlich beim Bau von Ölplattformen im Nordatlantik zum Einsatz. Zusätzlich arbeiten Industrietaucher aus den Niederlanden mit. So etwas kostet nicht nur Zeit, sondern natürlich auch viel Geld: Offiziell ist von rund 318 Millionen Euro zusätzlich die Rede.
Wie auch immer: In sieben Jahren soll zumindest die Nordflanke der Strecke von den beiden Ringbahn-Bahnhöfen, Westhafen und Wedding, bis zum Hauptbahnhof fertig sein. Dieses Teilstück ist für den Berliner Senat von größter Wichtigkeit, weil sich damit ein Versprechen an den Siemenskonzern verbindet: Am Rohrdamm in Spandau, ein gutes Stück westlich also, entsteht in den kommenden Jahren der Siemens-Campus. Und der soll eine eigene Siemens-Bahn bekommen. Das Versprechen: 2029 ist man innerhalb von 20 Minuten von Siemensstadt zum Hauptbahnhof. Aber das klappt nur, wenn der Abzweig der S21 vom Ring in Richtung Hauptbahnhof bis dahin funktioniert.
Das klingt sehr ernüchternd für alle, die eine rasche Verkehrswende vom Auto hin zum öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) fordern. Bestehende Trassen erweitern, neue zusätzliche Teilstrecken bauen, in die bestehende Infrastruktur eingreifen – das geht alles in einer Stadt, die bereits ein funktionierendes ÖPNV-Netz hat, nicht von heute auf morgen. Für die Strecke vom Wedding zum Hauptbahnhof wird man am Ende mehr als zehn Jahre gebraucht haben. Ist das erst mal geschafft, kommen noch drei weitere Bauabschnitte, die die S21 bis 2038 bis zum Südkreuz führen sollen. Die Baukosten verlässlich zu schätzen, traut sich keiner mehr. Auch wenn der politische Wille zu mehr ÖPNV da ist, muss man bei der Umsetzung konkreter Projekte eher in Jahrzehnten rechnen.