Die schönsten Reisewege gehen übers Wasser: blaues Meer, türkisschimmernde Flüsse, jadegrüne Kanäle. Die Küste Süddalmatiens lässt sich bequem per Schiff entdecken – ideale Kombination von Faulenzen an Bord und Kulturkonsum an Land.
Vor der Kulisse der mittelalterlichen Stadtmauer, vor Renaissancepalästen, barocken und gotischen Häusern liegt im Hafen der alten Festungsstadt Zadar die „MS Dalmatia" – schnittig, elegant in Creme und Weinrot. Ferne dehnt sich in der Brise, von der palmengesäumten Uferpromenade gegenüber wellen Cevapcici-Düfte.
Das 17-Kabinen-Schiff ähnelt einer Privatjacht. Auf der Brücke steht kein Seebär mit weißbärtigem Gesicht – Josip Maruncic ist eher der „Typ Fußballstar", 37 Jahre alt, schlank, sportlich und seit drei Jahren Kapitän auf der „Dalmatia". Seemännische Erfahrung sammelte er über zwölf Jahre als Offizier auf hoher See; ihm zur Seite und am Steuer steht sein Bruder. Als Kellner, Barkeeper, Reiseführer und Entertainer stellt sich Daniel vor. In der Bordküche „regiert" eine Kroatin, die jeden Tag aufs Neue mit köstlichen Regionalgerichten aufwartet: familiäre Atmosphäre.
Die Reise beginnt ein wenig holprig, der Bootsausflug in den Zrmanja Canyon fällt ins Wasser. „Noch scheint die Sonne, aber der gefährliche Yugo-Wind mit starkem Wellengang kommt, Sicherheit geht vor", erklärt Josip. Dafür wird der Spaziergang mit der Stadtführerin Angeline durch Zadars Altstadt ausgedehnter und fülliger: die Domkirche der Heiligen Anastasia aus dem 13. Jahrhundert, das Forum Romanum mit Pflaster aus römischer Zeit, der Platz der fünf Brunnen und die Flaniermeile Siroka Ulica.
Einzigartige Fjordlandschaft
Am nächsten Morgen nimmt die „Dalmatia" Kurs auf Šibenik. Sie pflügt durch die einzigartige Fjordlandschaft, vorbei an karstigen, an bewaldeten, an eierförmigen Brocken. Bizarre Felsen tauchen wie runzlige Rücken versteinerter Saurier aus dem Meer auf. Nahe an der Küste geht’s entlang. Aus Südost der Yugo wühlt das Wasser auf, Schwäne tanzen Rock’n’Roll, weiß schäumt es am Bug.
„Kornati-Inseln hat es so viele wie Tage im Jahr", plaudert Daniel auf dem Sonnendeck. Tatsächlich sind es nur etwa 150 meist unbewohnte, karge Robinson-Eilande und Riffe aus weißgrauem Gestein, azurblau umspült in der Adria. Auf einer Fläche von 47 mal acht Kilometern sind die Kornaten die dichteste und größte Inselgruppe im Mittelmeer.
Kein europäisches Land außer Norwegen hat so viele Buchten und Inseln wie Kroatien, Relikte der jüngsten Eiszeit. Als sich vor rund 12.000 Jahren die Erde wieder erwärmte und die Gletscher schmolzen, hob sich der Pegel der Adria um gut 70 Meter. Weite Teile der kroatischen Küste versanken im Meer, bescherten dem Land 1.185 kleine und kleinste Inseln.
Josip steuert die „Dalmatia" auf „das Gesicht von Šibenik" zu, Stadt der Kirchen und Festungen. Bei der Kanaleinfahrt grüßt zuerst St. Nicola von einer Insel im Meer. Tausend Jahre alt ist die Stadt, und doch eine der jüngsten in Dalmatien. Mächtig über allem die 500 Jahre alte Kathedrale Sveti Jakov mit Unesco-Status, halb Gotik, halb Renaissance. Schmunzeln lassen einen die 72 gemeißelten Porträtköpfe mit originellen Details, aufgereiht im langen Außenfries rund um die Apsiden; Bürger aus den unterschiedlichen Schichten, Herrscher aus ganz Europa.
Die ausgetretenen Treppen zur Festungsruine Sv. Ana sind der Mühe wert: in den winkligen Gassen verstecken sich viele schöne Paläste, Plätze, Kirchen. Den weiten Blick über die roten Dächer und das Meer ins grüne Tal der Krka bejubeln wir mit einem Glas Dingac, dem besten Rotwein der Region.
Nach dem Steinernen gibt es pure Natur im Krka-Nationalpark. Wir fahren durchs Winnetou-Land, dem Wilden Westen der Karl-May-Verfilmungen. Die Krka fließt kilometerlang durch Wälder, staut sich in zwei Seen, stürzt Hunderte Meter über 17 Kaskaden ins Tal. Holzpfade führen an stehendem, fließendem, tanzendem, strudelndem Wasser vorbei. Lichtspiele auf Feigenbaumblättern, Seerosen, Schwertlilien, und der blauen Iris, der kroatischen Nationalblume. Vor dem spektakulären Wasserfall Skradinski Buk baden Touristen in südseeähnlichem Gewässer.
Prachtanlage eines römischen Kaisers
Split bedeutet „Palast". Über Gässchen und Treppen geht es zur Prachtanlage, die um 305 für den römischen Kaiser Diokletian erbaut wurde. Der Gebäudekomplex imponiert mit 18 Meter hohen Wachttürmen und zwei Meter dicken Festungsmauern – knapp vier Hektar misst des Kaisers Sommerresidenz. Heute kann man in der Palaststadt Wohnungen kaufen oder mieten; etwa 3.000 Menschen führen dort ein modernes Leben in alten Mauern. Im Peristyl versammelten sich Untertanen und Gäste. Hohe, korinthische Säulen sind erhalten, kaum eine Epoche, die nicht Spuren hinterlassen hat. In den engen Straßen mit antiker Pflasterung pulsiert das Leben, unter gespannten Wäscheleinen ducken sich Cafés und Bars, szenige Lounges und Boutiquen.
„Rom und Venedig", Daniel meint Split, „… war vormittags, der Nachmittag gehört Omis". Josip manövriert sein Schiff im gurgelnden Wasser an verwunschenen, einsamen Buchten vorbei, Möwen kreischen. Die laue Brise auf dem Gesicht weht Gedanken und Sorgen weg. Wir gehen vor Anker. Rau ist das einstige Piratennest: Eben waren noch ansehnlicher Strand und hübsche Jugendstilvillen zu sehen, dann, zack, türmen sich am Ortsausgang riesige Felsbrocken auf. Links schäumen die Stromschnellen der Cetina – Rafting-Fans sind gefordert! – rechts mäandert unser Ausflugsboot ruhig durch die sattgrünen Flussschleifen, eingerahmt von dem steilen, wildschönen Karst-Gebirge. Unterbrechung auf halber Strecke bei traditioneller Käse-Speck-Platte und Rotwein. Drei Musiker in Ringelhemden begrüßen uns mit „Zivjeh" – leben Sie hoch! – und kroatischen Liedern. Im trubeligen Gassengewirr von Omis endet der erlebnisreiche Tag mit gegrilltem Tintenfisch.
Entspannen auf dem Sonnendeck
Welches ist das schönste unter den kroatischen Inselstädtchen? Korcula-Stadt! Wie gemalt liegt die ummauerte Stadt aus dem Mittelalter vor uns. Zusammengedrängte Häuser, Festungen aus hellem Stein, Ritterburgtürme, Tintorettos und Leonardo da Vincis. In einer der verwinkelten Gassen sei der große Reisende Marco Polo geboren – so schwören zumindest die Korculaner. Weltruhm erlangte er bekanntlich als „Venezianer". Egal.
Drei Stunden Sonnendeck bis Dubrovnik – auf einer Landzunge erhebt sich unter uns die steinerne Stadt, umschlungen von Bastionen und Zyklopen-Mauern. Ihre Ziegeldächer leuchten in der Sonne. Die Altstadt auf der einen, das Meer auf der anderen Seite, umrunden wir die Stadtmauer. Die schnurgerade Stradun glänzt wie ein spiegelglatter Parkettboden, flankiert von Palästen und Patrizierhäusern, weinumrankten Balkonen und Säulengängen, von Cafés und Restaurants. Ein verdammt guter Ort, Wiege von Literaten, Humanisten und Künstlern. Die könnten sich allerdings heute wohl kaum eine der astronomisch überteuerten Altstadtwohnungen leisten.
Die Touristen stört das wenig. Sie sind einfach nur hochbegeistert von der „Perle der Adria". Vorsichtshalber hat Daniel für den Abschiedsabend den Weinvorrat aufgefrischt.