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WAS MACHT EIGENTLICH...

Brauner hatte sich seinen Abschied von der „Tagesschau“ nicht leicht gemacht und sogar über das Rentenalter hinaus gearbeitet.
Foto: picture-alliance / dpa

… Joachim Brauner?

30 Jahre lang war er als Nachrichtensprecher der „Tagesschau" und von 2000 bis 2004 als deren Chefsprecher eines der bekanntesten deutschen Fernsehgesichter. Der 82-Jährige war Stadionsprecher des HSV und ist seit 2009 Pate eines Kinderhospizes.

Mit seiner kühlen, fast notariellen Art selbst beim Verlesen dramatischster Meldungen wurde Joachim Brauner in den drei Jahrzehnten von 1974 bis 2004 zum bekanntesten Nachrichtensprecher Deutschlands. Während seiner Dienstzeit verzeichnete die ARD-„Tagesschau" die bisher höchsten Zuschauerzahlen. Dass er diesen prestigeträchtigen Job einmal bekommen könnte, war damals für den auf Umwegen zum Fernsehen gekommenen DDR-Flüchtling nicht vorstellbar: „Ich hatte immer davon geträumt, aber nie gewagt, danach zu fragen." Der damalige Chefsprecher Karl-Heinz Köpcke hatte den jungen Hörfunksprecher 1974 zur „Tagesschau" gelockt und ihn in Vorabend-Nachrichtensendungen Erfahrung sammeln lassen. Bei seinem Abschied drei Jahrzehnte später gestand Brauner dem „Stern": „Am meisten vermissen werde ich das Gefühl, Teil dieser Nachrichtensendung ‚Tagesschau‘ gewesen zu sein." Seinen Abschied hatte sich Brauner 2004 nicht leicht gemacht und sogar über das übliche Renteneintrittsalter hinaus gearbeitet. Die „personifizierte Seriosität" hatte eigenen Angaben zufolge sogar Angst davor gehabt, beim letzten Auftritt vor Rührung die Fassung zu verlieren: „Ich fürchte, meine emotionalen Dämme sind nicht so stabil", sagte er kurz davor in einem „Stern"-Interview. Es lief aber dann alles so glatt, wie man es von Brauner gewohnt war.

Joachim Brauner, ehemaliger Tagesschausprecher, kommt zum Neujahrsempfang des "Hamburger Abendblatts" im Hotel Atlantic.
Joachim Brauner, ehemaliger Tagesschausprecher, kommt zum Neujahrsempfang des "Hamburger Abendblatts" im Hotel Atlantic. - Foto: picture alliance / dpa

Nach seiner Pensionierung musste er sich erst einmal an das berufliche Nichtstun gewöhnen, obwohl er keine Angst gehabt habe, dadurch „in ein Loch zu fallen". Seitdem kann er mehr lesen und mehr Zeit mit seiner Frau Ann verbringen, mit der er inzwischen seit 50 Jahren verheiratet ist. Seinem geliebten Hamburger Sportverein, dessen Stadionsprecher er lange Jahre war, bleibt er natürlich auch heute noch treu. Regelmäßig besucht er die HSV-Heimspiele und drückt die Daumen, dass es schon bald wieder mit dem Aufstieg in die Bundesliga klappt.

„Ich hatte immer davon geträumt"

Eine Fortsetzung seiner Bildschirmpräsenz als Moderator in Talkshows oder ähnlichen Formaten kam für Brauner nie infrage. So etwas war ihm wohl „zu unseriös". Vielleicht kam ja auch deshalb die mit ihm und dem Kabarettisten Florian Schroeder geplante ARD-Satire-Show „Das Ernste" 2012 nicht über die Pilotsendung hinaus. Selbst beim HSV gab Brauner 1991 das seit 1974 ausgeübte Amt des Stadionsprechers auf, weil immer mehr Showelemente in den Vordergrund treten sollten. Ganz ging seine sonore Stimme dem Hamburger Club aber nicht verloren: Gelegentlich moderiert er noch die „HSV-Show" bei Youtube. Auch das AOK-Gesundheitsformat „Vigo TV" setzt ihn als Sprecher eines Nachrichtenblocks ein. Bis vor ein paar Jahren trat Brauner mit seinen Ex-Kollegen Dagmar Berghoff und dem im Juni verstorbenen Wilhelm Wieben auch noch als „Die drei Ikonen der Tagesschau" bei Veranstaltungen auf.

Natürlich hat die Nachrichtensendung einen festen Platz im Tagesablauf des ehemaligen Chefsprechers, der sich immer noch als „Nachrichten-Junkie" bezeichnet. Jeden Abend muss um 20 Uhr absolute Stille im Hause Brauner herrschen, und dann hat nur noch der jeweilige Tagesschausprecher absolutes Rederecht. „Obwohl ich schon seit Jahren nicht mehr selber dabei bin, ist auch eine persönliche Anspannung dabei. Das werde ich bis zum Ende meines Lebens nicht mehr los", beschreibt er bei einem Interview auf „tagesschau.de" seine allabendlichen Gefühle kurz vor 20 Uhr. Die „Tagesschau" sei einfach zu seiner Heimat geworden.

Fast alle Ziele hat er erreicht

Noch immer besitze er eine Telefonnummer, unter der er jederzeit den Chef vom Dienst erreichen könnte, wenn ihm ein Fehler auffällt. An zwei eigene Fehler kann er sich noch gut erinnern: Weil die „Bild" damals so häufig über das angeblich angenehme Leben der RAF-Terroristen im Gefängnis berichtet hatte, las Brauner abends in der Tagesschau, dass die Baader-Meinhof-Leute in den „Hummerstreik" (statt „Hungerstreik") getreten seien. Und weil es einmal in einer vorausgehenden Meldung um Holland gegangen war, machte er aus dem niedersächsischen Landtag versehentlich den „niederländischen".

Für Brauner gründet der Erfolg der „Tagesschau" darauf, dass sie immer ihre Identität bewahrt hat. „Kleinigkeiten wurden verändert, aber es wurde nie etwas generell Neues geschaffen." Trotz mancher Anfeindungen habe die Sendung sich bis heute gut gehalten. Das gilt aber auch für Brauner selbst, der von größeren gesundheitlichen Beschwerden verschont geblieben ist. Bei seinem 80. Geburtstag vor zwei Jahren wünschte sich der Jubilar deshalb: „Dass die Gene, die mein Vaters mir offenbar vererbt hat, noch lange halten." Insgesamt herrsche bei ihm heute „Zufriedenheit pur", weil er fast all seine in jungen Jahren gesteckten Ziele erreicht habe. Zum Entspannen verreist der Wahl-Hamburger viel, schätzt gute Literatur, liebt Klavier- und Violinkonzerte und spielt selbst gern Klavier, am liebsten Stücke von Chopin. Ehrenamtlich engagiert er sich seit 2009 als Pate beim Kinderhospiz Bethel für sterbende Kinder.

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