Am 2. Oktober starten die St. Louis Blues als Titelverteidiger in die neue NHL-Saison. Im Vorjahr gewann das Team nach 52 Jahren erstmals den Stanley Cup, auch dank musikalischer Unterstützung aus den 80ern. Der Topfavorit ist diesmal allerdings Tampa Bay Lightning.
Die Story vom Stanley-Cup-Triumph der St. Louis Blues begann dort, wo schon so viele gute Geschichten ihren Anfang genommen haben: in der Kneipe. Am 6. Januar verbrachten einige Spieler des Clubs den Abend in einer Bar in Philadelphia, wo die Mannschaft am nächsten Tag zum Auswärtsspiel gegen die Philadelphia Flyers antreten sollte, um gemeinsam ein Footballspiel zu schauen. Zu diesem Zeitpunkt rangierte das Team auf dem letzten Platz in der National Hockey League, selbst ein früher Trainerwechsel von Mike Yeo zu Craig Berube hatte bis dahin nicht den erhofften Erfolg gebracht.
„Sie hatten einen DJ in der Bar, und wann immer es eine Werbepause gab, drehten sie die Musik auf und alle im Raum standen auf und begannen zu tanzen", erinnert sich Blues-Verteidiger Joel Edmundson an den legendären Abend. Immer und immer wieder legte der Discjockey „Gloria" von Laura Branigan auf, und mit jedem Mal wurde die Stimmung ausgelassener. „Wir lehnten uns einfach zurück und schauten zu, was passiert. Und dann haben wir noch am selben Abend beschlossen, dass wir diesen Song künftig nach unseren Siegen spielen", sagt Edmundson.
Neuer Vereinsrekord
Prompt gewann das Team das nächste Spiel. In den folgenden Monaten entwickelte sich das Lied in St. Louis zu einem echten Hit. Ein lokaler Radiosender spielte ihn nach einer gewonnen Play-off-Serie sogar einmal für 24 Stunden in Dauerschleife. Und genau wie das Lied, stürmten auch die örtlichen Eishockeyspieler die Charts. Die Blues starteten eine Siegesserie, sie gewannen die nächsten elf Spiele am Stück und stellten damit einen neuen Vereinsrekord auf.
In den Play-offs bezwang der Club nacheinander die Winnipeg Jets, Dallas Stars und San Jose Sharks und erreichte zum ersten Mal seit 1970 wieder die Finalserie der nordamerikanischen Eishockey-Profiliga. Damals war St. Louis glatt in vier Spielen den Boston Bruins unterlegen, die auch dieses Mal wieder der Finalgegner waren, diesmal allerdings mit besserem Ausgang für die Blues. Mit 4:3 behielt der Champion der Western Conference die Oberhand und sicherte sich damit nach 52 Jahren in der NHL endlich die erste Meisterschaft der Vereinsgeschichte. Center Ryan O’Reilly bekam zudem die Auszeichnung als wertvollster Spieler (MVP) der Finalserie. Bis dahin waren die Blues der Verein in der Liga gewesen, der seit seiner Gründung am längsten auf einen Titelgewinn warten musste. Jetzt aber haben die Vancouver Canucks und die Buffalo Sabres mit jeweils 48 Wartejahren die zweifelhafte Ehre.
Die Geschichte der Blues klingt auch so schon unglaublich, doch sie wird sogar noch besser. Denn es war nicht nur ein 80er-Jahre-Hit, der die Mannschaft in der vergangenen Saison zu ihrem Höhenflug inspirierte, sondern auch das traurige Schicksal eines tapferen kleinen Mädchens. Laila Anderson leidet an hämophagozytischer Lymphohistiozytose (HLH), einer seltenen lebensbedrohlichen Immunerkrankung, bei der der Körper zu viele Immunzellen bildet. Trotzdem ließ sie sich die Auftritte ihres Lieblingsteams nicht entgehen. Nach dem 4:1-Erfolg im entscheidenden siebten Finalspiel durfte sie sogar mit der Mannschaft und dem Pokal zusammen auf dem Eis feiern. „Sie kämpft ihre Schlacht, und wir kämpfen unsere. Wir versuchen nur, uns gegenseitig zu helfen. Wir werden uns weiterhin gegenseitig helfen. Das ist nur eine tolle Geschichte. Die Jungs steigern sie weiter", so Verteidiger Colton Parayko. Auch Laila Anderson sagte, dass die Blues ihre Inspiration im Kampf gegen ihre Krankheit gewesen seien. Einen Titel zu gewinnen, ist schwer genug. Ihn zu verteidigen, wird aber noch einmal deutlich schwieriger. In der NHL haben das seit 1990 nur drei Mannschaften geschafft: die Pittsburgh Penguins 1990/91 und dann erneut 2016/17 sowie die Detroit Red Wings 1997/98. Dagegen scheiterten die Washington Capitals als Meister von 2018 in der vergangenen Saison bereits in der ersten Play-off-Runde an den Carolina Hurricanes.
Blues als Inspiration
Auch die St. Louis Blues werden sich in der am 2. Oktober startenden neuen Spielzeit strecken müssen, um ihren grandiosen Erfolg aus dem Vorjahr zu wiederholen. Noch nicht einmal in der Central Division ist der Club der klare Favorit, denn die Konkurrenz in der vielleicht stärksten Staffel der Liga ist enorm. Da sind die Nashville Predators mit Ryan Johansen und Neuverpflichtung Matt Duchene; die Colorado Avalanche mit ihrem famosen Sturmtrio Nathan MacKinnon, Mikko Rantanen und Gabriel Landeskog; die nicht minder offensivstarken Winnipeg Jets; sowie die Dallas Stars mit Ben Bishop als einem der besten Torhüter der ganzen Liga. Adam Kimelman, Journalist für NHL.com, meint nicht ohne Grund: „Wer immer sich in dieser Division durchsetzt, ist kampferprobt genug, um auch den Stanley Cup zu gewinnen." Was natürlich wiederum auch den St. Louis Blues Mut macht, dass es am Ende womöglich ja doch mit der Titelverteidigung klappt.
Auch den Vegas Golden Knights, die schon 2018 in ihrer ersten Saison auf Anhieb das Finale erreichten, sowie den Calgary Flames als derzeit bestes kanadisches Team im Westen trauen Experten einiges zu. Dagegen sind die Edmonton Oilers mit Superstar Connor McDavid ebenso wie die Chicago Blackhawks erneut bloß Außenseiter. Aus deutscher Sicht stehen beide Clubs dennoch im Fokus: Die Oilers, weil sich dort Leon Draisaitl an der Seite McDavids zu einem der besten Spieler der NHL gemausert hat. Und Chicago, weil die Blackhawks kurz vor dem Saisonstart am 29. September zu einem Testspiel gegen DEL-Rekordmeister Eisbären Berlin in der Bundeshauptstadt antreten.
Eigentlich hätte dann auch Dominik Kahun mit von der Partie sein sollen. Der deutsche Nationalspieler wurde allerdings im Juni von Chicago an die Pittsburgh Penguins abgegeben. „Ich war total überrascht und wusste davon nichts", sagte er über seinen Wechsel zum fünfmaligen Stanley-Cup-Sieger, bei dem er künftig zusammen mit Weltstar Sidney Crosby aufläuft. „Ich kann es kaum erwarten", meint Kahun, der 2018 mit dem DEB-Nationalteam bei den Olympischen Winterspielen in Pyeongchang (Südkorea) die Silbermedaille gewonnen hatte. Der Einzug in das Finale ist auch für die Penguins das erklärte Ziel, deren beste Spieler allerdings inzwischen in die Jahre gekommen sind. Zu den Topteams in der Eastern Conference gehören die Penguins aber nach wie vor.
Draisaitl wird hoch gehandelt
Auch die Boston Bruins haben nach der nur knapp verpassten Meisterschaft Blut geleckt und streben erneut nach dem Stanley Cup. Noch größer ist die Sehnsucht in Toronto: Die Maple Leafs warten seit 1967 auf den Titel, seit nunmehr 51 Jahren – länger als jeder andere Verein in der NHL. Für eine Überraschung könnten außerdem die Florida Panthers sorgen. Mit Torhüter Sergei Bobrovsky, dem zweimaligen Gewinner der Vezina-Trophäe als bester Keeper, hat sich der Club bestens verstärkt und zudem mit dem neuen Trainer Joel Quenneville jemanden hinter der Bande, der als dreifacher Stanley-Cup-Sieger wie kaum ein anderer NHL-Coach für den Erfolg steht.
Als großer Favorit auf den Cup gilt mit den Tampa Bay Lightning jedoch ein anderer Vertreter aus dem Sunshine State. Bereits in der vergangenen Spielzeit sicherte sich der Club die President’s Trophy als punktbestes Team der regulären Saison und schaffte dabei als zweites Team in der Geschichte die Marke von 62 Saisonsiegen. Der Russe Nikita Kucherov war zudem mit 128 Punkten der Topscorer der Liga. Doch all das war am Ende hinfällig, denn in den Play-offs schied Tampa anschließend sensationell bereits in der ersten Runde gegen die Columbus Blue Jackets aus. Ein herber Rückschlag, doch die meisten Experten sind sich einig, dass die Lightning daraus umso stärker hervorgehen. Tampas Torwart Andrei Vasilevskiy meint ebenfalls: „Die Erwartungen sind riesig. Natürlich ist es unser großes Ziel, in dieser Saison den Titel zu holen." Welches Lied sie auf dem Weg zu Glanz und Gloria begleiten soll, hat Vasilevskiy allerdings nicht verraten.