Auch für Männer ist es gar nicht so einfach, die passende Jeans zu finden
Was würden Männer ohne Jeans tun? Diesen Satz las ich neulich so ähnlich auf der Webseite eines Jeansherstellers. Zuerst dachte ich: was für ein Quatsch! Und was für eine blödsinnige Phrase. Was müssen die in der Marketingabteilung geraucht haben?
Irgendwie aber ließ mich der Satz nicht mehr los, und je mehr ich über die Konsequenz eines möglichen Daseins ohne Blue Jeans sinnierte, dachte ich: Wenn ich eines Morgens aufwache und die Schublade in meiner Kommode, in der sonst meine Jeans liegen, wäre leer, müsste ich entweder meine Hochzeitsanzugshose (nicht besonders alltagstauglich), eine feinere Stoffhose (schön, aber eher für Außentermine) oder – Gott bewahre – Shorts anziehen. Für Letztere habe ich mir an Bürotagen selbst ein Trageverbot auferlegt. Es wäre mir doch ein klitzekleines bisschen peinlich, wenn ich den Kollegen den Anblick meiner üppigen Beinbehaarung und meiner strammen Waderln zumuten müsste. Ein Desaster also, wenn eines Tages auf mysteriöse Weise alle meine Jeans spurlos verschwunden wären.
In der Realität stehe ich vor einer viel realeren Herausforderung – überhaupt eine Hose zu finden, die mir passt und den anderen bereits angeschafften in Aussehen, Qualität und Tragekomfort in nichts nachsteht. Ein bisschen Eitelkeit darf ja schließlich wohl erlaubt sein. Ich mache mich also auf ins Kaufhaus und fahre mit der Rolltreppe selbstbewusst in die Young-Fashion-Abteilung.
Unten angekommen, steuere ich zielstrebig in Richtung Jeans-Auslagen. Ich beobachte zwei junge Männer in kurzen Hosen, vielleicht um die 20, die offenkundig auch shoppen wollen. Der eine raunt seinem Freund mit gedämpfter Stimme zu: „Ey Alter, ich weiß überhaupt nicht meine Größe. Daraufhin der andere: „Echt? Ich auch nicht." Den Bruchteil einer Sekunde bin ich versucht, den beiden kumpelhaft auf den Rücken zu klopfen und zu sagen: „Jungs, einfach mal in Euren Hosen nachgucken." Aber das verkneife ich mir lieber.
Ein paar Meter weiter sehe ich die Podeste, auf denen sich dunkelblaue zusammengelegte Jeans stapeln. Die Farbe stimmt schon mal, die Marke ist mir ohnehin eher wurscht. Ich erinnere mich noch dunkel daran, wie ich mit 15, 16 zu den modebewussten Coolen gehören wollte und deshalb eine Zeit lang nichts anderes als „Levi’s 501" anzog. Aber damals galt es ja auch als hip, eine weite Hip-Hopper-Jeans von Diesel oder Pash zu tragen. Schnell wische ich den Gedanken beiseite.
Als ich mich systematisch durch die übereinandergelegten Jeanspakete wühle und nach meiner Größe suche, frage ich mich, warum eigentlich noch kein Jeanshersteller auf die Idee gekommen ist, ein Glossar zu der jeweiligen Passform an eine der Gürtelschlaufen zu hängen. Ganz ehrlich: Wer soll denn da noch durchblicken? Allein die Marke, für die ich mich entscheide, hat sieben unterschiedliche Passformen auf den Markt geworfen: Skinny, Skinny Fit, Super Skinny, Slim Fit, Comfort Fit, Tapered Fit und Regular Fit. Alles klar? Immerhin: Die Ripped Jeans mit aufgerauten oder ausgefransten Stellen oder schlitzartigen Löchern kann ich gleich aussortieren. Die taugt weder fürs Büro noch für formellere Anlässe.
Oh Mann, ich fühle mich echt überfordert. Wie war noch mal die Passform meiner zuletzt getragenen Jeans? Und wie hieß die eigentlich noch gleich? Regular Fit oder Regular Straight? Verzweifelt suche ich mir eine freie Umkleidekabine, öffne den Gürtel meiner Jeans, die ich an diesem Tag anhabe und schiele verstohlen auf den Aufnäher an der Innenseite des Hosenbundes: ah ja, Regular Straight. Ich habe bei einer früheren Hosenkaufaktion festgestellt, dass mir die engeren körperbetonteren Jeans eh nicht passen – wegen eingangs erwähnten strammen Waden und vom Radeln gestärkten Oberschenkeln.
Also nehme ich gleich fünf Jeans zum Anprobieren mit in die Umkleide. Nach zwei Anproben stelle ich ernüchtert fest: Von ungefähr zehn Hosen passt mir nur eine richtig gut. Alle übrigen sind Problemhosen, also welche, die zwar ganz schön aussehen, aber ein Manko haben. Mal sehe ich aus wie eine Presswurst, mal ist der Hosenbund zu weit und lässt Platz für künftiges Winterbauchfett, und mal wirft die Hose unterhalb der Taille zu viele Falten.
Die Shoppingtour ist immerhin erfolgreich, wenngleich die Ausbeute nicht sonderlich groß ist. Immerhin kenne ich nun meine tatsächliche Hosengröße. Mir passt nur noch Bundweite 29.