Mit Fritz Keller als neuem DFB-Präsidenten hat niemand gerechnet. Doch er ist die logische Lösung. Er ist sowohl Profis als auch Amateuren vermittelbar, und seine Verbindung zum Fußball ist fast kitschig. Spannend wird sein, ob sich der Präsident des SC Freiburg im hohen Führungszirkel wird behaupten können.
Die große Karriere im Fußball hat Fritz Keller nie geplant. Deshalb hat er nie so geredet wie jemand, der an einer großen Karriere strickt, sondern gab sich im Badischen, da wo er daheim ist, da wo ihn fast jeder kennt, so wie er eben ist. Und deshalb gibt es vor allem in den Regionalmedien einige wunderbare Fundstücke über den neuen DFB-Präsidenten. Vor allem auf dem Portal „fudder.de" der „Badischen Zeitung". Dort wird berichtet von einem Talk im Jahr 2015, bei dem Keller „das Ding alleine gerockt" habe. So habe er die Leute zum Weintrinken animiert mit den Worten: „Es gibt nix Schlimmeres als eine Party, wo nur ein paar besoffen sind." Und er erzählte, dass sein Vater vor seinem Einstieg beim SC einen Brief an den Präsident, Achim Stocker, geschrieben habe, „was für ein liederlicher Mensch Fritz sei und definitiv falsch für den Job". So sei es eben damals gewesen zwischen dem SC und dem FFC, erklärte Keller, „da wurde mit allen Mitteln gekämpft". In einem anderen Interview erzählte er, warum er sich dem SC Freiburg anschloss und nicht dem vom Vater favorisierten Freiburger FC. Sein Vater Franz Keller Senior habe ihn Anfang der 70er-Jahre immer mitgenommen, „aber die Haltung dort ging mir irgendwann auf den Geist. Der FFC war ja früher der arrogante Pfeffersackclub. Die Neureichen, die Schnickschnack- und Schickimicki-Gesellschaft von Freiburg, das war damals das Publikum beim FFC." Das klingt herrlich offen, unkompliziert und vor allem unprätentiös für einen Mann, der künftig dem weltgrößten Sportfachverband vorstehen soll.
Die Situation bei der Verkündung des Präsidenten des SC Freiburg als einzigem Kandidaten für die Nachfolge des wie seine Vorgänger Theo Zwanziger und Wolfgang Niersbach zurückgetretenen Reinhard Grindel war schon irgendwie kurios. Auf der einen Seite hatte ihn niemand so wirklich auf dem Zettel gehabt. Auf der anderen Seite fanden alle ganz schnell, dass das doch eine hervorragende Lösung sei. Das lag vor allem daran, dass man es geschafft hatte, einen Kandidaten aus dem Hut zu zaubern, auf den sich alle irgendwie einigen konnten. Keller hat einen guten Ruf in der Szene, vielleicht auch deshalb, weil er hohe Ämter nie angestrebt hat und somit auch niemandem in die Quere gekommen ist und er eben nicht wie Grindel eine geplante Karriere hinter sich hatte, bei der der Fußball irgendwie nur Mittel zum Zweck schien. Er kommt vom SC Freiburg, jenem Club, den so Sky-Experte Dietmar Hamann, „wohl jeder in Deutschland als Zweitclub hat, weil sie so sympathisch sind". Durch ihn konnte man die Diskussion über einen hauptamtlichen und hochbezahlten Präsidenten zumindest noch mal verschieben, weil Keller als Gastronom und Winzer finanziell unabhängig ist. Und man hat jemanden gefunden, der von der Basis kommt, von den Profis aber hoch geschätzt wird. Einen verbindenden Mann des Ausgleichs – das ist letztlich das, was man gesucht hat.
„Menschenfreund, der gerne genießt"
So bezeichnete Bayern Münchens Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge Keller als „die perfekte Wahl" für das Amt: „Ich bin überzeugt, dass er den DFB wieder in ruhigeres Fahrwasser führen wird." Hans-Joachim Watzke, Geschäftsführer von Borussia Dortmund, lobte ihn als „Top-Vorschlag". Fast schon verdächtig war manchem Beobachter das Lob von DFB-Vize- und Übergangspräsident Rainer Koch und Liga-Boss Christian Seifert. Koch lobte Keller als „eine ohne jeden Zweifel außergewöhnliche Persönlichkeit mit allen Qualitäten für das Amt des DFB-Präsidenten", Seifert als jemanden, der „ein Herz für den Fußball" habe und den darüber hinaus „ein unabhängiger Unternehmensgeist sowie großes Verantwortungsgefühl und Bodenständigkeit auszeichnen". Seifert und Koch sind derzeit aber wohl die beiden mächtigsten Funktionäre im deutschen Verbandsfußball. Und sie werden die Fäden auch weiter in der Hand haben wollen. Da wird Keller sich behaupten müssen. Dass er sich selbst als „Menschenfreund, der gerne genießt und immer Freude hat", bezeichnet, ist für viele Dinge in dem Job hilfreich. Keller muss jedoch um Einfluss kämpfen, um nicht ein Posteninhaber, sondern auch Einflussnehmer zu werden.
Dabei ist seine Verbindung zum Fußball fast schon kitschig. Kellers Vater war ehrenamtlicher Betreuer der Nationalmannschaft, die 1954 Weltmeister wurde. Einen besonderen Kontakt hatte Franz Keller Senior zu Kapitän Fritz Walter, weswegen der Sohn „Fritz (eigentlich Friedrich) Walter Keller" heißt. Fritz Walter war sogar sein Patenonkel. Sein Vater habe „einen Fußballknall" gehabt, sagte Keller. Und dass er immer direkt als der Patensohn vom „großen Fritz" angekündigt wurde, sei „meiner eigenen Fußballkarriere eher zum Hindernis geworden, weil die Erwartungshaltung natürlich viel zu hoch war."
Auch sein Weg als Funktionär des SC – und eben nicht des FC – Freiburg ist bizarr. In einem Artikel der „Badischen Zeitung" las Keller Aussagen von Präsident Stocker, dass Freiburg keine Fußballstadt sei. „Keine Sponsoren, kein Interesse beim Publikum. Ein ganz anderes Pflaster als beispielsweise Kaiserslautern", erinnerte sich Keller bei „fudder.de". „Ich schrieb Herrn Stocker einen Brief und bekam sofort Rückmeldung." 1991 war das. Stocker sagte, er interessiere sich nur für Fußball und brauche jemanden für die Sponsoren-Aquise. Er fragte, ob Keller dies übernehmen wolle. Keller wollte. 1994 wurde er Marketingvorstand, 2010 Erster Vorsitzender und 2014 nach einer Satzungsänderung Präsident. Der Abschied vom SC nach 30 Jahren zugunsten des DFB fällt Keller nicht leicht. Umgekehrt ist die Wehmut vielleicht fast noch größer. Als SC-Trainer Christian Streich nach dem letzten Spiel von Kellers Amtszeit, einem 1:1 gegen Augsburg mit 16-minütiger Tabellenführung, nach dem Abschied gefragt wurde, wurde er wehmütig. „Wenn ich mir vorstellen würde: DFB-Präsident, sieben Millionen Mitglieder. Ich würde sofort in den Keller runterrennen", sagte Streich. „Fritz ist nicht so. Und deshalb ist er der richtige Mann. Wir aber verlieren jemanden, mit dem man immer reden konnte, und der immer positiv war. Wenn es mal nicht so lief und ich mich fragte, wie ich das alles bewältigen sollte, hat er immer gesagt: ‚Kein Problem, du machst das.‘ Ich hoffe, dass er das auch beim DFB so umsetzen kann. Und dass wir ab und zu ein Glas Wein zusammen trinken und was essen können." Über die Wahl Kellers habe er sich aber ebenso gewundert wie dieser selbst, bekannte Streich. Zwar sei er „von Kind an auf allen Kickplätzen gewesen, den großen und kleinen. Aber dass er diese Aufgabe kriegt, war ja nicht zu erwarten. Fritz sagt dann sowas zu. Er scheut keine Termine. Ihm sind vier am Tag lieber als einer", sagte Streich.
Anfrage „zunächst ein kleiner Schock"
Trotz des Ausstiegs beim SC wird man schauen müssen, ob Keller mit vier Terminen am Tag auskommen wird. Denn als Gastronom ist er gut beschäftigt. Von seinem Vater erbte er einst das Weingut Franz Keller in Vogtsburg-Oberbergen am Kaiserstuhl und führte es erfolgreich weiter. Im vergangenen November zeichnete der Gault-Millau-Weinguide Keller zusammen mit seinem Sohn Friedrich als „Winzer des Jahres" aus. Zudem betreiben Keller und seine Familie das Restaurant „Schwarzer Adler", das seit 50 Jahren einen Michelin-Stern hat, das Restaurant „Winzerhaus Rebstock" und die „Kellerwirtschaft".
Nach seiner Ernennung zum DFB-Kandidaten betonte Keller (62), „dass diese Aufgabe nicht in meiner Lebensplanung stand" und dass die Anfrage sogar „zunächst ein kleiner Schock" gewesen sei: „Aber wenn viele glauben, dass ich etwas verbessern kann, mache ich das gerne." Durch seine Ernennung wird Freiburg zur inoffiziellen DFB-Hauptstadt. Bundestrainer Jogi Löw ist Rekordtorschütze des SC, wohnt in Freiburg. Sein Assistent Marcus Sorg ist ehemaliger Trainer des SC. Wie auch der Südbadener Lutz Hangartner, der Präsident des Bundes Deutscher Fußball-Lehrer ist.