Der eine ist schon, was der andere werden will: Box-Europameister eines großen Verbandes. Die Saarländer Mirco Martin und Alexander Lorch stehen vor richtungsweisenden Kämpfen in ihrer Karriere – dabei weiß Lorch noch nicht, wer gegen ihn antreten wird.
Stell dir vor, du hast einen Boxkampf und weißt nicht, gegen wen. Am Samstag, 26. Oktober, wird der Saarländer Alexander Lorch in Mühlheim-Kärlich bei Koblenz gegen den 24-jährigen Serben Antonio Zovak boxen. Das weiß er allerdings noch nicht. „Mein Vater hat es mir noch nicht verraten – ich soll mich ganz auf mich konzentrieren. Ich finde das auch nicht schlecht. Ich werde mein Ding durchziehen und den Kampf gewinnen", verrät der 23-jährige Halbschwergewichtler (bis 79,378 Kilogramm) und ergänzt schmunzelnd: „Im Endeffekt weiß man eh nie, was auf einen zukommt."
Mirco Martin weiß ganz genau, wer ihm bereits am 11. Oktober in der Karlsruher Palazzohalle gegenüberstehen wird: Der 27-jährige Fliegengewichtler (bis 50,802 Kilo) aus Obersalbach, der zu den Top 20 der Welt gehört, bekommt es mit Ernesto Irias, genannt „El Destructor", zu tun. Martin – Kampfname „The Comet" – kennt seinen Gegner genau: „Er ist ein starker Mann aus Nicaragua, der neun seiner 14 Siege durch K.o. gewonnen hat. Er wird nach vorne gehen, alles rausholen und zwölf Runden ballern wollen." Wie Irias, der mit 1,72 Metern Körperlänge ganze 15 Zentimeter größer ist, hat Martin bisher alle seine 14 Profikämpfe gewonnen – sechs davon durch K.o. Ursprünglich sollte sein Gegner der Argentinier Carlos Buitrago sein, doch der musste verletzt absagen. In seinem ersten Kampf über zwölf Runden kämpft der Obersalbacher gleich um den „WBC Silber Belt". „Es geht um einen großen Titel, es steht viel auf dem Spiel –
ich freue mich darauf", sagt Martin, der in der Rangliste des Weltverbandes WBO auf Rang drei geführt wird und nach dem möglichen Sieg (Martin: „Davon gehe ich mal aus. Was anderes lasse ich nicht zu.") auch bei der WBC zu den besten Zehn gehören könnte. Dies würde Martin zu einem Pflichtherausforderer für einen Weltmeisterschafts-Kampf machen. Die Erfahrung, seinen Gegner erst kurz vor dem Kampf kennenzulernen, musste Alex Lorch gleich bei seinem zweiten Profikampf feststellen. Und zwar unfreiwillig: Plötzlich stand ihm ein ganz anderer Gegner gegenüber als ursprünglich geplant. „Der erste hatte kurzfristig abgesagt", erklärt Lorch. „Alex ist ja noch in der Aufbauphase. Die Gegner, die wir bekommen, sind für ihn alle schlagbar", weiß Uwe Lorch, Alexanders Vater und Trainer. Er war Deutscher Meister im Cruisergewicht und weiß, wie es läuft: „Er muss aber auch diese Gegner ernst nehmen. Man kann gegen den einen oder anderen durchaus auch mal unter die Räder kommen. Wenn er boxt, was er kann, wird nichts schiefgehen."
„Im Moment fliegen nur noch die Fäuste"
Seit Mitte September bereitet sich Alex Lorch, aktuell 43. der deutschen Rangliste, intensiv auf seinen dritten Profi-Boxkampf vor. Die ersten beiden hat der Saarbrücker, der im technischen Dienst an der Hochschule für Musik arbeitet, souverän gewonnen. Eigentlich sollte er nun schon vor seinem vierten Kampf stehen. Doch weil sich der Hauptkämpfer im Abschlusstraining am Knie verletzt hatte, wurde das Event kurzfristig komplett abgesagt. Die wochenlange Vorbereitung war also für die Katz. „Das war schon blöd, ich war auch kurz enttäuscht. Aber so etwas passiert halt im Sport", sagt Lorch. Der Nachholtermin findet am 12. Oktober statt. „Natürlich kann ich nicht zwei Kämpfe innerhalb von nur zwei Wochen absolvieren", weiß der Profi, der nach wie vor mit seinem Vater zusammenarbeiten will. „So wird es auch bleiben, wir sind jetzt nicht auf der Suche nach einem großen Boxstall", stellt Lorch Junior klar und betont: „Mein Vater hat die besten Kontakte, das Vertrauen zwischen uns ist da, und von daher wollen wir nichts in andere Hand geben." Bis Mitte Oktober steht vor allem Ausdauertraining auf seinem Plan. Zehn Tage vor dem Kampf beginnt schließlich die Sparring-Phase. „Was die boxtechnischen und taktischen Dinge angeht, sind wir zufrieden, aber wenn ich schon mit einem Auge auf das schaue, was bald ansteht, ist der Ausdauer-Schwerpunkt schon wichtig", findet Lorch. Nach seinem letzten Kampf des Jahres am 14. Dezember in Frankfurt steht für den 23-Jährigen nämlich ein richtungsweisendes Duell auf dem Plan. Am 22. Februar in der Kaiserslauterer Fruchthalle, in der er im Februar dieses Jahres sein Profi-Debüt feierte, soll er gegen Luca Antonio Cinqueoncie, der mit 17 Jahren aktuell jüngste Profiboxer in Deutschland, um nichts Geringeres als die WBC Junioren-Weltmeisterschaft (U23) kämpfen. Noch ist der Kampf nicht in trockenen Tüchern: Damit es wirklich um den Titel gehen kann, muss Lorch zuvor fünf Profikämpfe vorweisen können. „Das wird dann mein erster großer Kampf", ist Lorch überzeugt. Es wäre auch sein erster über maximal zehn Runden, weshalb das Ausdauertraining so wichtig ist. Dafür drehte der Normalausleger schon im Spätsommer so manche Runde um den Sportplatz. Mittlerweile hat er diese Einheiten auf das Laufband verlagert – drinnen ist die Erkältungs-Gefahr geringer. „Ich will kein Risiko eingehen und unbedingt wieder boxen", sagt Lorch.
Mirco Martin befindet sich bereits in der Sparringsphase. „Im Moment fliegen nur noch die Fäuste", sagt Marin mit einem Augenzwinkern. Das nicht gerade vergnügungspflichtige Ausdauerprogramm hat er schon hinter sich gebracht. Auch bei dem Fliegengewichtler lag hierauf der Fokus. Wie bei Lorch erhöht sich nämlich auch bei Martin die Rundenanzahl – von zehn auf zwölf. „Darauf wurde alles angepasst – jeder Lauf, jeder Intervallsprint, jetzt auch die Sparrings. Das ist schon sehr kräftezehrend und ich bin momentan schon etwas erschöpft", gibt der 27-jährige WBO-Europameister von 2018 zu: „Das Training ist hart ohne Ende, aber da muss ich jetzt durch. Wir wollen das Tempo zwölf Runden lang hochhalten." Europameister will auch Alex Lorch werden. Und zwar schneller als gedacht – denn: „Im Sommer oder Herbst 2020 werde ich um die WBF-Europameisterschaft kämpfen. Das steht so gut wie fest", verrät er. Schon der aktuell bekannteste saarländische Boxer Jürgen Doberstein aus Kleinblittersdorf hatte vor gut sechs Jahren erfolgreich um einen WBF-Titel geboxt – damals vor 1.800 Zuschauern in der Saarlandhalle. „Ich sehe dies als ersten wichtigen Schritt meiner Karriere. Aber ich muss jetzt erst einmal die nächsten Kämpfe gewinnen. Danach sehen wir weiter", sagt Lorch zum angepeilten ersten Meilenstein.