Borussia Mönchengladbach will in dieser Saison mit geballter Offensiv-Power zurück zu altem Glanz. Alassane Pléa, Breel Embolo und Marcus Thuram bilden ein in jeder Hinsicht starkes Offensiv-Trio.
Im Vorjahr überrannte die „Büffelherde" von Eintracht Frankfurt die Fußball-Bundesliga und sogar die Europa League. Luka Jovic (27 Pflichtspieltore, 7 Vorlagen), Sebastian Haller (20/12) und Ante Rebic (10/6) verzauberten einerseits die Fans mit ihren technischen Fähigkeiten, aber sie rangen den Gegner eben auch mit ihrem Willen und ihrer Physis nieder, weshalb sie sich eben gemeinsam den Namen „Büffelherde" verdienten.
Tabellenführung als Krönung für die Borussia
„Diese drei Jungs sind uns leider abhandengekommen", klagte Frankfurts Trainer Adi Hütter dieser Tage. Sie gingen zu Real Madrid (Jovic), dem AC Mailand (Rebic) und West Ham United (Haller). Zufrieden scheint allenfalls Haller zu sein, der auch regelmäßig trifft. Die Frage nach dem Abgang aller drei „Büffel" in einem Sommer ist nun: Hat die Eintracht selbst die neue Büffelherde? Der im Vorjahr im Schatten der drei Stars gereifte Goncalo Paciencia sowie die neu geholten Bas Dost und André Silva erzielten an den ersten sieben Bundesliga-Spieltagen schon acht Tore. Oder ist die neue Büffelherde nicht vielmehr in Mönchengladbach zu finden? Denn dort brachten es Alassane Pléa, Marcus Thuram und Breel Embolo nach sechs Spielen sogar auf acht Treffer. Die weiteren Gemeinsamkeiten: Auch in diesem Fall handelt es sich nicht nur um drei torgefährliche Stürmer, sondern auch um drei Spieler von beeindruckender Physis, die keinen Zweikampf scheuen, weder auf dem Boden noch in der Luft. Und deshalb war für Gladbachs neuen Trainer Marco Rose auch klar, dass er in den meisten Spielen so handeln wird wie sein Frankfurter Kollege Hütter im Vorjahr: Wenn man drei Spieler solcher Qualität hat, muss man sie auch zusammen spielen lassen. Auch, wenn das nominell eigentlich zu offensiv ist. Im Vorjahr klappte das bei der Eintracht mit dem Halbfinal-Einzug in der Europa League und dem erneuten Erreichen des Europacups meist vorbildlich. Und auch in Gladbach scheint es so zu funktionieren. Die derzeitige Tabellenführung spricht Bände. Zwar begeisterte die Borussia in den ersten Saisonspielen nur selten durch sehenswerten Fußball, doch die Tore des Trios sorgten für einen punktemäßig sehr gelungenen Start. Beim hochpeinlichen 0:4 in der Europa League gegen Wolfsberg hatten die drei übrigens nicht gemeinsam begonnen. Wenn eine solche Büffelherde funktionieren soll, braucht es drei Voraussetzungen: 1. Durch die nominell sehr offensive Ausrichtung müssen alle sich auch defensiv einbringen, der Rest der Mannschaft muss für sie mitarbeiten. 2. Mindestens einer von ihnen muss eine etwas andere Position einnehmen. 3. Die drei müssen als Fußballer wie als Menschen harmonieren. Alle drei Punkte treffen bisher auf die Borussia zu. Beim ersten Punkt heißen die Erfolgs-Garanten Denis Zakaria, Christoph Kramer, Tobias Strobl oder Florian Neuhaus, die hinter den dreien als Sechser und Achter sehr zuverlässig sehr viel Arbeit im Maschinenraum erledigen. Punkt 2 übernimmt meist Breel Embolo (dazu später mehr). Und zum dritten Punkt versichert Thuram: „Breel, Alassane und ich verstehen uns sowohl auf als auch neben dem Platz sehr gut. Das kann man jederzeit erkennen." Embolo ergänzt: „Wir haben derzeit viel Spaß miteinander."
Pléa ist für den Trainer ein Ausnahmespieler
Aber schauen wir uns die drei doch einmal einzeln an:
Alassane Pléa: Der 26 Jahre alte Franzose aus Lille ist der einzige Spieler aus dem Trio, der schon im Vorjahr am Niederrhein spielte, weshalb ihm auch eine integrative Rolle für seine beiden Kollegen zukommt. Als sich Manager Max Eberl im vergangenen Sommer mit dem damaligen Trainer Dieter Hecking zusammensetzte und über die künftige Ausrichtung diskutierte, waren sich beide schnell einig: Die Borussia wollte auf ein 4-3-3-System umstellen, und sie brauchte dafür einen echten Mittelstürmer. Zunächst versuchte Eberl, Niclas Füllkrug von Hannover 96 loszueisen, schacherte dabei mit den Niedersachsen lange um die Ablösesumme und stieg den Erzählungen zufolge bei einer hohen einstelligen Summe aus. Als Abwehrspieler Jannik Vestergaard mit seinem Wechsel zum FC Southampton plötzlich 24 Millionen in die Kasse spülte, wurde Eberl aber nicht etwa wieder in Hannover vorstellig, sondern wollte den Spieler verpflichten, den Hecking und er zunächst als Wunsch-Option eruiert, dann aber schnell als zu teuer verworfen hatten: Alassane Pléa eben.
Pléa hatte mit 16 Liga-Toren in Nizza unter dem früheren Gladbacher und heutigen Dortmunder Trainer Lucien Favre für Furore gesorgt, wurde mit 25 Millionen Euro zum Rekordeinkauf der Borussia und startete direkt voll durch. Fünf Tore an den ersten sieben Spieltagen und neun bis zum Hinrunden-Ende sorgten dafür, dass die Gladbacher lange ganz oben mitspielten. Dann gingen sowohl der Borussia als auch Plea die Luft aus, eine Wechselwirkung war augenscheinlich. Was für ein Mannschaftsspieler Pléa ist, zeigte sich beim 3:0 in Hoffenheim. Schiedsrichter Osmers hatte einen Elfmeter für die Borussia gepfiffen, Pléa war der von Rose vorbestimmte Schütze. Doch der gab den Ball weiter an Embolo, weil er selbst in diesem Spiel schon getroffen hatte und der Kollege noch nicht. Nur die Tatsache, dass Osmers den Elfmeter per Videobeweis zurücknahm, kam dazwischen. Abgesehen von solchen sozialen Stärken ist es im laufenden Spiel aber auch der unbedingte Wille Pléas, der seinen neuen Trainer beeindruckt. „Lasso ist richtig gut, er ist ein Topspieler, ich bin schwer angetan", sagte Rose: „Wenn er am oder im Strafraum zum Schuss kommt, kann man sich fast schon zum Jubeln bereit machen."
Breel Embolo: Auf Schalke galt der Schweizer einst als Wunderkind, weshalb die Königsblauen 2016 rund 25 Millionen für den damals erst 19-Jährigen an den FC Basel bezahlten und ihn damit zum teuersten Spieler der Vereinsgeschichte machten.
Auf Schalke wurde Embolo aber nie glücklich. Zwei Drittel seiner Zeit in Gelsenkirchen war er verletzt, danach verunsichert, der allgegenwärtige Druck der hohen Ablöse schien ihn zu erdrücken. Am Ende wollte er einfach nur weg. Daran konnte ihn auch der neue Schalker Trainer David Wagner nicht mehr hindern.
Der erzählte später, Embolo sei einer der Spieler „auf die ich mich am meisten gefreut habe". Den sensiblen, unglücklichen und hochveranlagten Stürmer in die Spur zu bringen, war eine Aufgabe, die Wagner reizte. Doch Embolo wollte weg. Er brauchte, wie er es selbst formulierte, „einen kompletten Neustart für den Kopf".
Den fand er in Gladbach. So erfolgreich, dass Rose schon nach dem vierten Spieltag gefragt wurde, was er mit diesem Embolo gemacht habe. „Das wollte ich euch immer schon sagen. Wir waren drei Wochen zusammen in Urlaub", sagte Rose, ehe er lachend auflöste: „Gar nix habe ich gemacht. Wir haben nur ganz viel geredet."
Er hat Embolo eine neue Position gegeben. Zwar wechselt der Schweizer des Öfteren, aber meist spielt er auf der Zehn, also zentral hinter den Spitzen, nachdem er in 61 Pflichtspielen auf Schalke 60-mal im Sturm oder auf dem Flügel aufgelaufen war. „Dass er das spielen kann, wussten wir schon, als wir ihn verpflichtet haben", sagte Rose: „Gladbach wollte ihn schließlich schon, als Schalke zugeschlagen hat. Deshalb kannte Max genau seine Stärken." Und Embolo erfüllt den oben aufgeführten Punkt zwei.
Weltmeistersohn mit Anlauf-Schwierigkeiten
Marcus Thuram: Der 22 Jahre alte Franzose hat in seiner kurzen Zeit in Gladbach schon einige Image-Wechsel hinter sich. Er kam erst einmal als „Sohn von", weil sein Vater Lilian Thuram als Welt- und Europameister eine Ikone ist.
Schon in der Vorbereitung zeigte sich dann Ex-Weltmeister Kramer begeistert vom neuen Mitspieler: „Ich mag ja solche bulligen Spieler." Nach zwischenzeitlich unglücklichen Auftritten wie gegen Leipzig und Wolfsberg wollten viele Fans schon festgestellt haben, dass dieser Thuram doch nicht eine solche Granate sei.
Dann kam er gegen Düsseldorf von der Bank, machte mit zwei Treffern aus einem 0:1 einen 2:1-Sieg und legte in Hoffenheim direkt sein drittes Bundesliga-Tor nach. „Es war am Anfang nicht leicht für ihn, weil er aus dem Urlaub in eine neue Liga kam", sagte Embolo: „Aber wir wussten vom ersten Tag an, welche Qualität er hat." Die zeigt er nun – zusammen mit seinen beiden „Büffel"-Kollegen.