Mit 31 Jahren befindet sich Robert Lewandowski auf dem Höhepunkt seiner Karriere. Knackt er sogar einen alten Rekord? Experten halten das für möglich.
Das hat es in mehr als 55 Jahren Bundesliga noch nie gegeben! Robert Lewandowski traf gegen den SC Paderborn in der 79. Minute zum 3:1 und bejubelte damit sein zehntes Saisontor. So viele Treffer hatte bis dato noch nie ein Spieler nach sechs Spieltagen erzielt. Nie war ein Stürmer besser, nicht einmal der große Gerd Müller hat so schnell so viele Bälle versenkt. Am vergangenen Wochenende dann die nächste Bestmarke: Mit seinem Treffer gegen Hoffenheim zog Lewandowski mit Manfred Burgsmüller gleich. Mit 213 Bundesligatoren stehen sie gemeinsam auf Rang drei in der ewigen Bestenliste.
Ganz vorne in diesem Ranking liegt der, den sie früher martialisch „Bomber der Nation" genannt haben. Gerd Müller hält die Bestmarke und das wohl auch noch bis zu Lewandowskis Karriereende. Dessen 365 Tore stehen für die Ewigkeit. Eine andere Bestmarke aber könnte Lewandowski in dieser Saison knacken: jene 40 Saisontreffer, die Müller 1971/72 erzielt hatte, und die über Jahrzehnte als uneinholbar galten. Doch sein Trainer Niko Kovac jedenfalls traut ihm das nun zu. „Wenn er gesund bleibt, ist das möglich", sagte er gegenüber der „Deutschen Welle".
Lewandowski stieg in der Hierarchie ganz nach oben
Lewandowski ist nicht mehr einfach nur der Torjäger, er ist in der Hierarchie der Münchner ganz oben angekommen. Der polnische Nationalspieler hatte im Laufe der Vorbereitung immer wieder öffentlich Verstärkungen und Transfers gefordert. „Ich hoffe, dass der Vorstand und die Leute, die daran arbeiten, uns als Mannschaft verstärken. Nicht nur mit jungen Spielern, sondern auch mit Spielern, die direkt top in der Welt sind. Das ist klar unser Wunsch, und ich hoffe, dass das in den nächsten Tagen passiert", hatte Lewandowski während der USA-Reise der Bayern im Juli gesagt. Das war auch als Drohung verstanden worden, er könne die Bayern in naher Zukunft verlassen. Doch mit seinem Machtspielchen hatte er Erfolg. So war er offenbar früher als alle anderen in den Transfer von Philippe Coutinho eingeweiht. Wie die „Sport Bild" in der vergangenen Woche berichtete, soll Lewandowski bereits vor Fixierung des Leihgeschäfts von den Bayern-Bossen eingeweiht worden sein. Die Verpflichtung des Brasilianers hat die Stimmung des Polen beim deutschen Rekordmeister verbessert. Lewandowski verlängerte Ende August seinen Vertrag bis 2023. „Ich bin mir sicher, dass der FC Bayern für mich genau der richtige Ort ist", wurde der Angreifer in der offiziellen Pressemitteilung des Vereins zitiert.
Nach fünf Jahren in München haben sie ihn endlich zum Führungsspieler gemacht. Kapitän Manuel Neuer marschiert vorneweg, Thomas Müller, der Ersatzkapitän, sitzt überwiegend auf der Bank. Franck Ribery, Arjen Robben und Mats Hummels – die Alphatiere der Vorjahre sind gegangen.
Lewandowski musste lange um diese Anerkennung kämpfen. Bei Vereinen in der polnischen Hauptstadt Warschau, wo er 1988 geboren wurde, begann auch seine Fußballkarriere, die zunächst äußerst mittelmäßig verlaufen sollte. Für Legia Warschau war der damals 18-Jährige nach Ansicht des Trainers nicht gut genug für die Erste Mannschaft. Wie die „Deutsche Welle" in einem Porträt kürzlich schrieb, habe der Vereinsarzt dem schmächtigen „Bobek" (Kleiner), wie Lewandowski trotz seiner 1,85 Meter damals gerufen wurde, sogar davon abgeraten, Profi zu werden. Lewandowski landete zunächst in der Dritten Liga und schoss sich von dort nach oben. Beim Erstligisten Lech Posen startete er anschließend durch. Mit 20 Jahren trug Lewandowski im WM-Qualifikationsspiel gegen San Marino erstmals das polnische Nationaltrikot und erzielte bei seinem Einstand gleich ein Tor. Inzwischen hat er 106 Länderspiele auf dem Buckel, ist mit 57 Treffern polnischer Rekordtorschütze und seit fünf Jahren auch Kapitän des Nationalteams.
Der weitere Verlauf der Karriere ist bekannt. 2010 wechselte er zu Borussia Dortmund, vier Jahre später zum FC Bayern. Siebenmal war er inzwischen Deutscher Meister (zweimal mit dem BVB, fünfmal mit den Bayern), dreimal DFB-Pokalsieger, davon einmal mit Dortmund. Kritiker haben ihm oft vorgeworfen, dass er den ganz großen Titel noch nicht gewonnen hat. Als die Bayern 2013 die Champions League gewannen, erhielt der damalige Dortmunder lediglich die Silbermedaille. Auch deshalb war er in den vergangenen Jahren oft unzufrieden. Ein Titelgewinn mit der Nationalelf Polens? Unwahrscheinlich! Mit den Bayern ist er ein paar Mal zu oft gegen den späteren Sieger aus der Champions League geflogen.
Zweifel an Bayern-Transfers
Robert Lewandowski liebäugelte oft mit einem Wechsel zu Real Madrid. Am heißesten war der Flirt wohl im Sommer 2018. Der polnische Nationalstürmer war beim FC Bayern unzufrieden, der Traum von den Königlichen sollte endlich Realität werden. Nach einem wochenlangen Tauziehen blieb er doch in München. „Ich hatte das Gefühl, dass niemand hinter mir steht", sagte der Torjäger im Rückblick auf diese Zeit. „Ich habe keinen Schutz vom Verein empfunden." Oftmals hat er auch beklagt, dass er trotz Verletzungen habe spielen müssen. So hatte er im Juni dieses Jahres öffentlich bekundet, dass ein zweiter Stürmer beim Rekordmeister „besser für die Mannschaft und auch für mich" sei, damit er Spiele auch mal von außen anschauen und sehen könne, „wie die Mannschaft ohne mich spielt". Dieser Wunsch blieb ihm bis dato verwehrt, auch weil sie kaum jemand findet, der sich freiwillig hinter „Lewa" auf die Bank setzt. Fredi Bobic, Sportvorstand von Eintracht Frankfurt, hat im Sommer damit gerechnet, dass der FC Bayern München wegen Sebastien Haller bei ihm vorstellig wird. „Ich habe immer gedacht, dass sie irgendwann wegen Sebastien Haller anrufen, als Backup für Lewandowski", sagte Bobic im Interview mit der „Sport Bild". Bobic stellte jedoch klar, dass es zwischen dem FCB und der Eintracht bezüglich der Personalie Haller keinen Kontakt gegeben habe. Stattdessen wechselte Haller im Sommer für rund 50 Millionen Euro von der SGE zu West Ham United in die Premier League. „Einen Backup für ihn zu verpflichten, ist kaum möglich. Niemand wird freiwillig in den Konkurrenzkampf gehen, und jemand, der viel schwächer ist, hilft Bayern nicht weiter", erklärt Ex-Nationalspieler Lothar Matthäus, der gar nicht glaubt, dass Lewandowski derzeit große Lust verspürt, Spiele von außen zu sehen. „Das riecht so langsam nach dem 40-Tore-Rekord von Gerd Müller. Seine unglaubliche Qualität und dazu die genialen Pässe von Philippe Coutinho oder Thiago, sowie die Unterstützung von Thomas Müller und die Flanken der Außenstürmer Kingsley Coman, Serge Gnabry und Ivan Perisic können in dieser Saison dazu führen, dass die Wahnsinns-Marke vom Bomber der Nation geknackt wird", glaubt Bayern-Ikone Matthäus. Mit 31 Toren in der Spielzeit 2016/2017 kam der damalige BVB-Stürmer Pierre-Emerick Aubameyang in jüngster Zeit dem Müller-Rekord am nächsten. Der Pole hat jedenfalls Blut geleckt. Zu den 40 Toren Müllers will er sich nicht öffentlich äußern, auch weil der frühere Nationalheld an der Alzheimer-Krankheit leidet und abseits der Öffentlichkeit professionell betreut wird. Lewandowski setzt sich bescheidenere Ziele. „Vielleicht kann ich sogar die Marke von 300 Toren in der Bundesliga knacken", sagte er der „Sport-Bild". „Ich möchte gerne noch fünf, sechs Jahre auf Top-Niveau spielen."
Kein Wechsel: Real hat aufgegeben
Dass dies ausschließlich bei den Bayern passiert, ist nicht unwahrscheinlich. Real Madrid hat das Werben jedenfalls aufgegeben. „Wir haben es bei Lewandowski mehrere Jahre lang probiert, und nichts ist passiert, weil er keine Klausel hat und sie ihn nicht verkaufen werden. Es gibt keine Möglichkeit", sagte Vereins-Boss Florentino Perez laut AS und Marca auf einer Versammlung des Vereins: „Es gibt Spieler, die werden nicht verkauft."