Das Startup Ororatech aus München will mit Nanosatelliten und thermalen Infrarot-Live-Bildern gefährliche Brandherde schnell und günstig aufspüren.
Es wird immer heißer im Süden der Republik. Und auch immer trockener. Wie überall in Deutschland und in immer mehr Regionen der Welt. Hitzerekorde und Jahrhundertsommer ohne Ende. Klimakrise und teils menschengemachte Katastrophen verschärfen sich. Im öffentlichen Nahverkehr reden die Menschen über die Wirkungen der Hitze: In den Everglades in Florida, dort wo eigentlich Feuchtgebiete die natürlichen Feuer eindämmen, sollen Sümpfe brennen. Wie vergangenes Jahr Moore in Deutschland. Besonders dramatisch: Der Amazonas, die grüne Lunge der Erde, geht in Flammen auf. Die Arktis brennt. Teile Afrikas. Die heimischen Wälder werden immer trockener und durch die Zunahme von Monokulturen anfälliger. Laubbäume sind kaum noch zu sehen.
Auf dem Bahnsteig drückt ein Mann seine Zigarette aus, bevor er einsteigt. Das nur zögerlich endende Glimmen der Kippe regt die Fantasie der schwitzenden Fahrgäste an: Gibt es demnächst wieder Waldbrände? Was passiert, wenn solche Feuer nicht rechtzeitig entdeckt werden? Die hungrigen Flammen haben nicht einmal vor den Erinnerungsstücken in Thomas Gottschalks Haus in Kalifornien haltgemacht.
US-Bundesstaat Colorado soll sehr interessiert sein
Immer weiter bauen die Menschen in Wälder hinein. Auch in Kalifornien, das einst von Baumbeständen dominiert wurde. Über die Erde verteilt gesehen, geht jährlich 20-mal die Fläche von Großbritannien in Flammen auf. Tendenz steigend. In den vergangenen zehn Jahren verloren etwa 15 Millionen Menschen Gesundheit oder Leben, mehr noch ihren Besitz oder ihre indigene Heimat – durch großflächige Brände. Tiere und Pflanzen verschwanden von der Landkarte der Evolution, fünf bis zehn Prozent des jährlichen Kohlendioxid (CO₂)-Ausstoßes führen Forscher auf Waldbrände zurück. Versicherte Schäden beliefen sich laut Munich Re weltweit pro Jahr auf etwa 22 Milliarden Euro.
Brandberuhigung in großen und schwer einzusehenden Flächen ist ein extrem aufwendiger, verzweifelter Kampf, wenn sich das Feuer erst mal ausgebreitet hat. Ziel müsse deshalb sein, Früherkennung und Monitoring von Waldbränden zu forcieren, sagt Björn Stoffers vom Münchner Startup Ororatech, das die genannten Daten als Motivations-Basis für seine pragmatische Weiterführung eines Satelliten-Projekts der TU München verwendet hat. Schnelligkeit tut Not. Wachtürme, auf denen Menschen oder Kameras im sichtbaren Spektrum Ausschau halten, gibt es nicht überall. Wenn Feuer zu befürchten sind, durchstreifen Bewohner systematisch gefährdete Wälder, sind Anwohner besonders achtsam. Die meisten Feuer entdecken Spaziergänger. Eher zufällig. Selbst Flugzeuge, Drohnen oder klassische Satelliten identifizieren Rauchsäulen und andere Brand-Indizien häufig erst dann, wenn es für frühzeitige Eindämmungsmaßnahmen und wirksame Kontrolle der Feuer schon zu spät ist. Dürre und Funkenflug, kleine Ursache – große Wirkung: Das ist brandgefährlich, vor allem in schwach besiedelten Gebieten.
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as Team von der Orbital Oracle Technologies GmbH, kurz Ororatech, aus München hat etwas dagegen. Ihr StartupPlan: „wilde" Flächenbrände weltweit gezielt, umgehend und ohne Kostenexplosion aufzuspüren. Ihre technologische Hauptinnovation dafür sind thermale Infrarot-Live-Bilder, aufgenommen mit den von ihnen neu entwickelten Kameras, die auf ihren Nanosatelliten sitzen. Diese Infrarot-Kameras reagieren sensibel auf große oder besonders heiße Feuer, die deutlich von der Umgebungstemperatur abweichen. Die Satelliten kreisen indes in 90 Minuten um die Erde. Den neuartigen, sehr leistungsstarken und kompakten, ungekühlten Infrarot-Kameras für thermale Infrarot-Live-Bilder, die es so am Markt bislang nicht gibt, entgeht deshalb nichts, was auffallend heiß ist. Außerdem wird das Pre-Processing der erhobenen Daten über eine Grafikkarte schon auf dem Ororatech-Nanosatelliten vorgenommen. Direkt dort werden die Waldbrände in Form von „Big Data" anhand einer Mustererkennung erkannt. Die relevanten Alarm-Infos werden so schneller übermittelt und sehr hohe Daten-Übertragungskosten vom Satelliten gutteils eingespart.
Die auf Wärmestrahlung reagierende Kamera ist das Herzstück des speziell geformten Nanosatelliten, den die ehemaligen Studenten der Technischen Universität (TU) München, die in der Luft- und Raumfahrtszene, aber auch mit Behörden und Institutionen weltweit bestens vernetzt sind, dafür ebenfalls patentieren lassen. Das „Kamera-Herz" belegt einen großen Teil der drei Units des 10 mal 10 mal 34 Zentimeter kleinen Nanosatelliten-Körpers. Wenig Platz an Bord bedeutet das eigentlich für weitere Forschungs- und Anwendungs-Technologie, inmitten von Solarzellen, Versorgungselektronik, Hauptprozessor und Kommunikationselementen, die notwendig sind, um den Satelliten zu betreiben. Doch durch den neu entwickelten, kompakter gestalteten Aufbau will Ororatech sogar mehr „Payload" unterbringen. Also mehr Komponenten nach oben ins All schicken, die wertvolle Erkenntnisse erwirtschaften.
Damit alles ordentlich arbeiten kann, haben sich die Ororatech-Entwickler überlegt, einiges von dem, was zum Satelliten gehört oder dort „eingemietet" ist, als modulares System dezentral zu organisieren, um die Technik an Bord dichter betreiben zu können und trotzdem eine ausfall-abfedernde Redundanz in den wichtigen Komponenten zu haben.
Zurück zu den Menschen von der Straße, die sich wie die Gründer Gedanken machen. „Feuer erreichen heutzutage eine ganz andere Dimension. Aufgrund der Klimaerwärmung, der Zunahme von Monokulturen und des ausgedörrten Bodens breiten sich die Feuer viel schneller aus", erzählt wenige Stunden nach der hitzigen Debatte unter hochtemperierten Menschen im öffentlichen Personennahverkehr Sonja Mayer. Die junge Frau ist Geschäftsentwicklungs-Chefin bei Ororatech, dem Startup, das seine Satelliten-Kompetenz mit der besonders frühzeitigen und erstmals sogar vergleichsweise kostengünstigen Aufdeckung von Waldbränden verknüpfen will. Mayer sowie die vier jungen Ororatech-Gründer Thomas Grübler, Björn Stoffers, Florian Mauracher und Rupert Amann sind wie ihre rund 20 Kollegen im Stress. Auch in dieser heißen Sommernacht, als sie ihr Projekt bei einem Feierabend-Treff im Werk1, dem neuen Startup-Szene-Zentrum im Osten von München, vorstellen.
Stoffers relativiert Ängste: „In Deutschland sprechen wir viel mit Politikern, Waldbesitzern und Forstbehörden. Deutschland ist so dicht besiedelt, dass Brände in der Regel schnell erkannt werden. Auch ist es nicht ganz so heiß und trocken. Hier ist die Überwachung ein winziges Problem im Vergleich zu anderen Ländern." Doch Beobachtung mit thermalen Infrarot-Live-Bildern sei sinnvoll, um die Feuer-Entdeckungs-Technologie zu trainieren und an wenig belebten Orten schnell eingreifen zu können.
„Brauchen eine europäische Lösung"
Ob jemand grillt oder ein Baum in Flammen steht, mache keinen Unterschied für die Kamera, deren Prototyp bereits 2020 erstmals im All getestet wird. Sie soll anhand einer Kombination von Größe und Stärke der Wärmestrahlung aktiv werden, wobei die festgestellte, zusätzliche Hitze auch mit der Umgebungstemperatur verglichen wird. Stoffers: „Bei Waldbränden soll unsere Lösung als Worst Case Brände ab 10 mal 10 Meter Größe erkennen, das reicht schon. Das sind beispielsweise zwei oder drei Bäume, die in Flammen stehen. Das System soll bei echten Bränden umgehend und direkt eine elektronische Nachricht schicken – und zwar an Einsatzkräfte, Waldbesitzer, lokale Regierungen, Energieversorger und andere Firmen, die Überwachung für ein bestimmtes Waldgebiet möchten."
Ob Australien oder Südamerika – Grenzen gibt es für die Nanosatelliten-Schnellerkennung keine: „Wir wollen unsere Lösung überall anbieten, wo es hilft und Sinn macht", sagt der Startup-Gründer. „Wenn die Politik in Brasilien und Indonesien mitmacht, wäre das sehr interessant. In den USA gibt es Staaten wie Colorado, die sehr aufgeschlossen für unser Projekt sind und uns unterstützen. Afrikanische Staaten könnten über Entwicklungshilfefonds an Früherkennungssysteme angeschlossen werden." Ein Problem bleibt: „Die schnelle Meldung hilft nur, wenn eine Infrastruktur da ist, um Brände zu löschen."
Björn Stoffers: „Es ist nicht so, dass Regierungen gerne möchten, dass riesige Waldbrände in ihrem Land sind, dass die Einheimischen fliehen und ums Leben kommen. Jeweils 40.000 bis 100.000 Menschen sterben an den Folgen von großen Waldbränden, an Lungenkrankheiten, weil ihr Körper so belastet wird, als würden sie 20 bis 30 Schachteln Zigaretten pro Tag rauchen. Diese Luftprobleme sind viel schlimmer als normaler Smog in den Städten." In Schweden gab es im vergangenen Jahr Brände nördlich vom Polarkreis. „Die Institutionen sind trotz riesiger Wälder nicht auf solche Feuer vorbereitet. Wir helfen in Arealen, die nicht so dicht besiedelt sind." Ororatech netzwerke hoch motiviert, berichtet der Gründer: „Wir brauchen eine europäische Lösung, grenzüberschreitend. Im Süden, im mediterranen Bereich haben wir viele Gespräche geführt, gleichzeitig im hohen Norden." Schwierig sei es mit weniger kooperationsbereiten Ländern, etwa angesichts der riesigen Brände in Sibirien.
Drei Innovationen gegen Waldbrand-Ausbreitung bedeuten die thermalen Infrarot-Live-Bilder, die von extra leistungsstarken Kameras auf kompakt gebauten Nanosatelliten aufgenommen werden, und der Algorithmus, der zum Auswerten der Daten direkt auf dem Satelliten arbeitet, nachdem er auf der Erde trainiert wurde. Wenn die besorgten Menschen, die den ganzen Tag außer Haus sind, und auf der Heimfahrt von der Arbeit die Gefahr von Waldbränden diskutieren, Stoffers fragen würden, was ihnen die Erfindungen denn bringen, würde er wohl auch ihnen antworten: „Im Vergleich zu jetzigen Lösungen, die auf klassischen Satelliten, Wachtürmen oder Ähnlichem basieren, können wir deutlich kostenreduzierter große Flächen abdecken. Außerdem sehr viel schneller Feuer, die noch klein sind, erkennen, sowie großflächige Brände, während sie bekämpft werden, in hoher Auflösung überwachen. Unsere Überwachung, die die Feuerbekämpfung begleitet, werden wir letztlich wohl mit Daten von Drohnen kombinieren. Bei einem großen Feuer wird das allerdings schwierig." Wichtig sei es für Betroffen und das Klima, einen Blick aufs Ganze zu haben.