Gleich drei Ausgezeichnete der „Berliner Meisterköche 2019" haben ihr Hauptquartier an der Potsdamer Straße. Die Jury wählte aus 130 Vorschlägen die Köchinnen und Köche, Sommeliers, Gastronomen und Genusshandwerker aus, die die Kulinarik Berlins am überzeugendsten repräsentieren.
Die Potsdamer Straße ist die Gewinnerstraße 2019: Gleich drei der sechs von der Jury der „Berliner Meisterköche" Ausgezeichneten sind dort tätig. Na gut, streng genommen liegt das „Ritz-Carlton" mit dem Restaurant „Pots", in dem der „Gastgeber 2019", Mathias Brandweiner, arbeitet, bereits am Potsdamer Platz. Aber der ist ja auch nichts anderes als die nördliche Verlängerung des „Vorhofes zur bunten Mitte", wie Jury-Vorsitzender Stefan Elfenbein die „Potse" bezeichnete. Am höchsten hinauf hat es Björn Swanson geschafft: Der Küchenchef vom „Golvet" wurde nicht nur in der Königsklasse ausgezeichnet. Er hat von seiner Küche im achten Stock des Eckgebäudes am Landwehrkanal aus auch den Überblick über den Potsdamer Platz und den Tiergarten, so wie es sich für den „Berliner Meisterkoch 2019" geziemt. Sophia Rudolph, die „Aufsteigerin 2019", dirigiert ihr Küchenteam im „Panama" immerhin im ersten Stock eines restaurierten Fabrikgebäudes in einem schmucken Hinterhof schräg gegenüber vom „Wintergarten".
Für die Kür des „Szenerestaurants 2019" ging es mit dem veganen Zero-Waste-Restaurant „Frea" von Jasmin Martin und David Suchy weiter weg in die nordöstlichere Mitte – an die Torstraße. Der „Kiezmeister 2019" dagegen ist im alten Westteil des neuen Bezirks Mitte, in Moabit, ansässig. Dort betreibt Florian Domberger sein „Domberger Brot-Werk". Und der neue „Gastronomische Innovator" Bernhard Moser schwebt sowieso über allem: Sein „Eat! Berlin"-Feinschmeckerfestival spielt in vielen Restaurants in Berlin und Potsdam.
Auffällig in diesem Jahr: Gastronomen aus Szenebezirken wie Kreuzberg und Neukölln waren nicht unter den Ausgezeichneten. Nominiert waren etwa Max Strohe vom „Tulus Lotrek", Philipp Vogel vom „Orania", das syrische Restaurant „Aldimashqui", Tim Tanneberger vom „eins44", das „Layla" von Meir Adoni und die „Blutwurstmanufaktur Benser".
Zweites „Golvet" in China geplant
Die von 13 auf zehn unabhängige Journalisten verkleinerte und teils neu besetzte Jury habe es sich nicht leicht gemacht, sagte Stefan Franzke, Geschäftsführer von „Berlin Partner", das den Wettbewerb seit 23 Jahren ausrichtet. „130 Kandidaten haben sich die Jurymitglieder selbst vorgeschlagen und deren Bewertung auferlegt." Die Shortlist umfasste nach dem ersten Aussieben „nur" noch 25 Nominierte in fünf Kategorien, in deren Restaurants dann gegessen und deren Produkte probiert wurden. Sechs Stimmen mindestens muss ein Preisträger auf sich vereinen. Die sind aber keineswegs leicht zu erzielen. „In drei Kategorien wurde mehrmals gewählt", verriet Jury-Vorsitzender Stefan Elfenbein. Das heißt: Viele Nominierte wurden ähnlich gut bewertet. Nur der „Gastronomische Innovator" wird ohne öffentliche Nominierung gekürt.
In diesem Jahr waren, so Elfenbein, der Hotel- und Gastronomiebetreiber Ariel Schiff sowie der „Weinladen Schmidt" darunter. Die Qualität der Restaurants und Läden in der Stadt steige stetig weiter an, stellte Stefan Franzke fest. „Es ist keine Seltenheit mehr, dass man auf einem Stehempfang in New York hört, man mache Urlaub in Europa und plane extra Zeit für Restaurantbesuche in Berlin ein", sagt Franzke. „Das Verblüffende daran ist, dass es uns selbst fast nicht mehr wundert."
Wird die Berliner Gastroszene inzwischen auch international wahrgenommen, so funktioniert derselbe Mechanismus ebenfalls in die umgekehrte Richtung. Viele Köche aus dem Ausland drängten nach Berlin, beispielsweise aus Israel oder Syrien, sagte Stefan Elfenbein. Meir Adoni vom „Layla" oder Gal Ben Moshe vom „Prism" unter den Nominierten beispielsweise. Ersterer ist neben seinen Standorten in Tel Aviv und New York seit einem Jahr mit dem „Layla" am Anhalter Bahnhof präsent. Letzterer lebt mit seiner ebenfalls als „Gastgeberin" nominierten Frau, der Sommelière und Restaurantleiterin Jacqueline Lorenz, bereits seit Jahren in der Stadt, betrieb zunächst das „Glass" und nun dessen Nachfolger, das „Prism". Das „Aldimashqi" aus der Reuterstraße schob sich mit syrischer Küche in den Fokus der Jury und wäre ein mögliches „Szenelokal" gewesen.
Unter den Ausgezeichneten lagen in den Küchendisziplinen ein gebürtiger Berliner und eine gebürtige Berlinerin vorn: Der „Berliner Meisterkoch 2019" Björn Swanson ist halber Amerikaner, aber ansonsten waschechter „Eingeborener". Der Selbsteinschätzung des 35-Jährigen, er koche gern „kontrastreich, spannend und wild", konnte die Jury folgen. Er habe sich mit dem „Golvet" „temperamentvoll konsequent in nur zwei Jahren an die Berliner Spitze gekocht", sagt Stefan Elfenbein. Bislang werden „Aromabomben" wie gereifter Cheddar in Kombination mit Kapern, Artischocke und Grüne-Tomate-Anis-Eis oder Kalbskopf und Königskrabbe mit Gulaschsaft und Peperonata ausschließlich in Berlin serviert, so Elfenbein.
Doch Björn Swanson blickt international schon weiter ostwärts – 2020 soll ein zweites „Golvet" im chinesischen Hainan eröffnen. „Ich probiere, meinen Stil immer weiterzuentwickeln", sagt Swanson. „Es ist immer mein Ziel gewesen, Großes zu machen. Das ist mein Ansporn." Nicht zuletzt seine „Sturheit" habe ihm dabei geholfen. Das „Golvet" wurde bereits nach einem halben Jahr im Herbst 2017 mit einem Michelin-Stern und vom Gault-Millau mit 16 Punkten bedacht.
Die von „Berlin Partner" geladenen Gäste können sich am 23. November beim Gala-Dinner in den Bolle-Festsälen von Swansons Kochkunst sowie der der anderen Geehrten überzeugen. Die „Aufsteigerin 2019", Sophia Rudolph, ebenfalls gebürtige Berlinerin, beschritt einen anderen Weg. Sie ging zum praktischen und theoretischen Erlernen ihres Handwerks zunächst an das „Institut Paul Bocuse" in Lyon und absolvierte ein mehrmonatiges Praktikum bei Alain Ducasse im „Le Louis XV" in Monte Carlo. Gemüse, meist aus der Region, steht im Mittelpunkt der stetig weiter ausgearbeiteten „zeitgemäßen Küche" der 33-Jährigen. „Umami-Noten untermalt von sanfter Süße sind ihr Markenzeichen", befand die Jury. Dass nicht nur das Janosch-„Panama" schön ist, sondern auch das Restaurant von Sophia Rudolph und die „Tiger Bar", hat sich herumgesprochen: „Anfangs kam man der Location wegen. Jetzt kommt man ihretwegen", sagt Stefan Elfenbein.
Berlin ist offenbar ein Magnet für weinliebende Österreicher. Mathias Brandweiner, der „Gastgeber 2019", hat mit gerade einmal 25 Jahren bereits eine beeindruckende Karriere hingelegt. Er kam vor fünf Jahren nach Berlin, arbeitete als Sommelier und Restaurantleiter im „Les Solistes". Brandweiner wechselte ins „Le Faubourg" und anschließend ins neue „Pots" im „Ritz-Carlton". „Allein ihm zuzuschauen macht Spaß: immer ein Lächeln im Gesicht, den richtigen Witz auf den Lippen, nichts Aufgesetztes, Antrainiertes", begründet Elfenbein die Jury-Entscheidung. Der stets leicht mitschwingende österreichische Akzent ist nicht zu vergessen! Doch nicht allein für Charme und Lockerheit wurde Brandweiner ausgezeichnet, sondern ebenfalls für seine akzentuierte Weinauswahl. Stefan Elfenbein: „200 naturnah produzierte rein deutsche Weine in einem Hotel, das ist eine unglaubliche Leistung."
„Eat! Berlin" soll im März kommen
Zum Wein hat der neue „Gastronomische Innovator", Bernhard Moser, ebenfalls ein inniges Verhältnis. Der Österreicher, ausgebildeter Kellner und Koch, legte 1999 seine Prüfung zum Diplom-Sommelier ab. 2004 machte er mit der Eröffnung seiner „Weinschule" in Berlin von sich reden. 2010 kam das „Eat! Berlin"-Feinschmeckerfestival hinzu. „Bernhard Moser hat bewiesen, wie ein Gastronom von null auf hundert kommt. Er hat gezeigt, dass es knallt", so Elfenbein. „Ich wurde zweimal in meinem Leben für verrückt erklärt, einmal mit der Weinschule und dann mit ‚Eat! Berlin‘", antwortete Bernhard Moser. „Es ist meine österreichische Sturheit, die mich dann weitermachen lässt." Mit Erfolg. „Eat! Berlin" fand 2018 mit mehr als 70 Veranstaltungen und mit mehr als 100 Spitzenköchinnen und -köchen sowie 50 Winzern statt. Fortsetzung folgt: Das zehnte Festival ist vom 20. Februar bis 1. März 2020 terminiert.
Die Festival-Veranstaltungen sind teils rasant ausgebucht. Wer beim Feinschmecken dort leer ausgeht, kann sich alle Tage an Sauerteigbroten vom „Domberger Brot-Werk" erfreuen. Die 2016 eröffnete gläserne Backstube von Florian Domberger, mitten im Wohnkiez an der Essener Straße in Moabit, ist Anlaufstelle für Freunde des handwerklich hergestellten Sauerteigbrotes und -gebäcks geworden. Auch Gastronomen servieren inzwischen Domberger-Brot in ihren Restaurants. Ordentlichen Geschmack ins „von Billig-Backshops gebeutelte Umland" zu bringen", so Stefan Elfenbein, habe sich Domberger zusätzlich zur Aufgabe gemacht.
Kommt der Mensch nicht zum guten Brot, fährt Domberger mit seinem „Brotwüstenexpeditionsfahrzeug", einer ehemaligen Schweizer Feldbäckerei, zu Märkten, Festen und Veranstaltungen, backt und verkauft „Beutebrote" und Roggenbrote vor Ort. Eine „Mikrobäckerei" steht außerdem in einem Container auf dem Gründercampus in Berlin-Buch, und auch mit Migranten hat Domberger gebacken. Die Karriere in der Logistik-Branche gab der „Kiezmeister 2019" gerne auf. „Das macht uns allen im Team einen Heidenspaß", sagte Domberger als Dank. „Für mich persönlich ist die Arbeit im ‚Brot-Werk’ die Erfüllung von all dem, was ich immer gern machen wollte."
War das „Panama" bei der Eröffnung 2016 noch eines der ersten „Farm to table"-Restaurants in Berlin, so treibt das „Frea" heutzutage dieses Konzept noch um einiges weiter: Im ersten veganen Zero-Waste-Restaurant Deutschlands setzen die Betreiber Jasmin Martin und David Suchy auf kompromisslos nachhaltigen Genuss. Ausschließlich Bio-Produkte in plastikfreier, „verantwortungsvoller" Verpackung werden vom norwegischen Koch Halfdan Kluften seit fünf Monaten an der Torstraße verarbeitet. „Essensreste kommen in die Kompostiermaschine. Ein Genuss auch für die Bakterienkulturen im Darm ist der hauseigene Wasserkefir", merkte Stefan Elfenbein launig an. „Wir freuen uns sehr, das ‚Szenerestaurant 2019‘ repräsentieren zu können", sagte David Suchy. Der Genuss solle nicht zu kurz kommen, betonte Jasmin Martin: „Dass das Konzept so einen Stellenwert in Berlin bekommen hat, freut uns. Aber dass es unseren Gästen schmeckt, freut uns ebenso sehr."