Anderthalb Stunden für einen Topf voller Nudeln – das ist zu viel für den Sternekoch. Als Stefan Marquard die Freie Waldorfschule im Saarbrücker Stadtteil Altenkessel besucht, hat er Kritik im Gepäck. Innerhalb seiner Aktion „Sterneküche macht Schule“ ist der Mann mit dem prägnanten Stirnband zu Gast in der Einrichtung.
Die Kinder wuseln um ihn herum, rufen sich gegenseitig Anweisungen zu oder fragen, wer Paprika oder Karotten schnibbeln soll. Zwischendurch werden noch Zucchini ausgehöhlt und Bulgur gekocht. Bereits am Morgen haben sie unter Aufsicht frische Hühnchen zerlegt, denn die gibt es mit knuspriger Hafer-Ummantelung als Hauptgang. Dazu ein leichter Kartoffelsalat und Nudeln mit Soßen auf Gemüsebasis. Als Nachtisch warten Sauerampfer, Minze und Zitronenabrieb auf Joghurt, erklärt eine Schülerin. Das erfrische und stärke die Kräfte. Für bis zu 150 Kinder und Lehrer sollen sie das Essen zubereiten. Da gibt es noch einiges an Optimierungsbedarf. Stefan Marquard, bekannt aus TV-Sendungen wie „Die Kochprofis“, steht dazwischen, der Fels in der Brandung; er koordiniert und beobachtet. Dass die Pasta so lange köcheln muss, bis sie verzehrbar ist, gefällt ihm gar nicht. Dass er selbst sich die Finger an einem heißen Topf vergebrannt hat und dies auch den Kindern passieren könne, sagt ihm ebenfalls nicht zu. „Heiß, heiß, heiß!“, ruft er, um die Kinder zu warnen. Kurz nach 12 Uhr ist es geschafft, und der Maître zieht bei der wohlverdienten Pause im Innenhof ein erstes Zwischenfazit, während er ganz lässig Autogramme gibt und sich für Selfies fotografieren lässt.
Andere Töpfe, andere Pfannen und idealerweise Induktionsplatten am Herd statt Gas in der Küche seien angebracht. Eine neue Kühltruhe wäre auch nicht schlecht. Umdenken, neu denken und weiter denken – so lautet das Motto der Aktion. Nichts Geringeres als eine Revolution in den Kochtöpfen der Republik möchte der gebürtige Schweinfurter auslösen. Deswegen geht er direkt an Schulen. Seit dem Start von „Sterneküche macht Schule“ haben er und sein Team mehr als 50 Lernanstalten in Deutschland besucht. Abläufe, Arbeitsweisen und nicht zuletzt die Lebensmittel, die auf den Tisch kommen, werden dabei unter die Lupe genommen.
Konkrete Tipps und Tricks für den Alltag
Einer der wichtigsten Aspekte der Aktion ist natürlich die Zubereitung der Speisen, erläutert Marquard zu Beginn des zweiten Teils. Denn jetzt coacht er die Küchenmitarbeiter der Waldorfschule. Möglichst alle Nährstoffe sollen erhalten bleiben, betont der Koch. Im Mittelpunkt seiner Arbeitsweise steht dabei der „Aktivator“. Bevor Marquard die Lebensmittel gart, werden sie mit einer Salz-Zucker-Mischung im Verhältnis 5:1 gewürzt. Durch diese Vorbehandlung könne die Garzeit bei Gemüse um rund 50 Prozent reduziert werden – und somit auch wieder Energie gespart werden. Genauer gesagt sollen bis zu 25 Prozent an Kosten eingespart und fünfmal so schnell gearbeitet werden. Der Energieaufwand solle sich um bis zu 30 Prozent senken und die Qualität gleichzeitig um ein Vielfaches gesteigert werden.
Viel wichtiger sei jedoch, dass Vitamine, Mineralien und Spurenelemente erhalten bleiben würden, wie er erklärt. Außerdem verstärke diese Behandlung deutlich den Eigengeschmack – auch von Fleisch und Fisch, da die Gewürze im Rohzustand besser in das jeweilige Lebensmittel eindringen könnten. So würden die Speisen also „aktiviert“. Der Aktivator solle fünf Minuten Zeit zum Einwirken bekommen, dann könne man das Essen ganz nach Gusto im eigenen Saft fertig dünsten, braten, kochen oder bei niedrigen Temperaturen im Ofen garen. Sollte der Ofen keine Dampf-Funktion haben, solle man einfach ein Backblech mit Wasser mit in den Ofen schieben.
Dieser zweite Teil des Tages an der Waldorfschule gehört zur „Stefan Marquard Akademie“. Mit dieser richten er und sein Team sein nicht nur an Schulen, sondern auch an gastronomische Betriebe, Unternehmer und Köche – mit einer umfangreichen Analyse zu Abläufen, Kommunikation und natürlich den Kochmethoden. Man soll zudem lernen, wie man Mitarbeiter bindet und motiviert, wie das Team mehr Zeit gewinnen und Probleme langfristig lösen kann. Am Ende der Betriebsanalyse erhält man einen ausführlichen Bericht samt Empfehlungen, wie Schwächen ausgebessert und Stärken gefördert werden können. Nach der beobachtenden Untersuchung sind ein weiteres Coaching und Training möglich.
Ziel sind optimierte Arbeitsabläufe
„Der zweite Teil hat mich total überrascht“, sagt Christa Sander, zuständig für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit bei der Waldorfschule. „Das Gemüse bleibt bissfest, und das Fleisch wird immer auf den Punkt gegart.“ Dazu sei es erforderlich, die Produkte entsprechend vorzubereiten, was bis zu einer Woche im Voraus geschehen könne. „Das bedeutet für eine Schulküche wie unsere einen wesentlich besseren Zeitablauf und optimalere Zeiteinteilung.“ Skeptisch sei sie trotzdem gewesen und habe es direkt zu Hause ausprobiert. Die Gemüse würden ihren Eigengeschmack besser behalten als durch „normales“ Kochen. „Gerade für Berufstätige, die schnell für ihre Lieben ein hochwertiges Essen zubereiten möchten, ist das einfach ideal“, sagt sie lachend.
Nicht nur sie als Privatperson, auch die Schule sei sehr froh über die Anregungen gewesen, „denn uns ist seit Längerem bewusst, dass unsere Schulküche einer Renovierung bedarf.“ Stefan Marquard bietet in einem solchen Fall auch an, bei der Neukonzeptionierung der Küche zu beraten. Die Waldorfschule habe dieses Angebot gern angenommen. „Allerdings gibt es bei uns keinen Direktor, der das bestimmt. Wir haben eine Selbstverwaltung, daher müssen mehrere Gremien mit eingebunden werden, was immer etwas mehr Zeit braucht. Grundsätzlich kann ein Umbau der Küche auch nur in den Ferien geschehen. Jedenfalls war dieser Tag für uns ein Anstoß, die Renovierung und Neugestaltung unserer Schulküche anzugehen.“
Man war sogar so begeistert, dass man das Projekt anderen Waldorfschulen in der Region weiterempfehlen werde. Gekocht wird übrigens an zwei Standorten, wie Christa Sander erklärt. Einmal hier in der Schulstraße in Altenkessel und bei den Vorschulkindern am Standort am Schwimmbad. Generell sieht „Sterneküche macht Schule“ vor, dass innerhalb eines Jahres nach dem Aktionstag ein weiteres Coaching durch Stefan Marquard und sein Team stattfindet. „Sterneküche macht Schule“ ist eine gemeinsame Aktion von Stefan Marquard und der Knappschaft. „Hier sieht man, dass Schülerinnen und Schüler mit der richtigen Motivation für gesundes Essen zu begeistern sind“, sagt Alexander Quirin, Pressesprecher der Regionaldirektion Saarbrücken. „Wir wollen zusammen mit Stefan Marquard für eine gesündere Verpflegung sensibilisieren, und die vielen leer gegessenen Teller zeigen, dass es funktioniert.“ Es sei bereits das vierte Jahr der Zusammenarbeit. Mehr als 50 Schulen, Kindergärten und sogar die Uni-Mensa in Saarbrücken hat man in dieser Zeit besucht. Dabei ist das gemeinsame Kochen natürlich nicht nur als Gaudi gedacht. Man möchte vor allem Kinder und Jugendliche dafür sensibilisieren, dass Essen gesund, lecker und frisch sein kann – und das ohne Mehrkosten. „Schließlich“, so fügt Stefan Marquard noch hinzu, „sind Kinder unsere Zukunft.“