Im kommenden Winter werden die Stiefel mit hohem Schaft den Ankle Boots womöglich die Show stehlen. Das neue Angebot kommt ebenso variantenreich wie stylish daher.
Stiefel zählen längst als universelle Alleskönner zur Grundausstattung jeder Frau in der kälteren Jahreszeit. Dabei liegt der Beginn des Siegeszugs der Klassiker in der Modewelt noch gar nicht so weit zurück. Denn mit Ende des Ersten Weltkrieges waren die Stiefel nahezu komplett von der Bildfläche verschwunden. Der Halbschuh war schlicht und ergreifend alltagstauglicher und vor allem preiswerter. Stiefel wurden nicht mehr gebraucht, weil schlammverschmierte Straßen und Wege weitgehend der Vergangenheit angehörten, es also nicht mehr des hohen Schafts zum Schutz der Beinkleidung bedurfte und weil auch im Militär das Pferd und damit auch die Reiterstiefel ausgedient hatten.
Die Zeiten, in denen Stiefel fester Bestandteil der Bekleidung von Jägern und Wanderern in freier Natur oder von Waldarbeitern waren, waren auch allmählich passé. So dauerte es bis etwa zur Mitte des 20. Jahrhunderts ehe Stiefel wieder in Mode kamen. Allerdings nur bei den Damen, während die Herren der Schöpfung Boots bis zum heutigen Tag geradezu scheuen wie der Teufel das Weihwasser. Schließlich gibt es da die unrühmliche Assoziation mit dem Stiefelknecht, mit dem niemand mehr in Verbindung gebracht werden möchte. Von daher tauchen Stiefel an Männerfüßen eigentlich nur beim Angeln oder Motorradfahren auf, während ansonsten knöchelhohe Stiefeletten für Herren schon das Maximum des Erträglichen und gesellschaftlich gerade noch Akzeptablen darstellen.
Sämtliche Arten und Höhen
In der Damenwelt sieht das natürlich gänzlich anders aus. Begrifflich gibt es vorab aber auch noch einiges zu klären. Per Definition gilt hierzulande ein Schuh schon dann als Stiefel, wenn der Schaft mindestens den Knöchel verdeckt. Womit dann also auch die Stiefeletten oder Ankle Boots zu den Stiefeln zu zählen wären, während im normalen Sprachgebrauch unter dem Wort Stiefel Schuhe mit höherem Schaft verstanden werden, die wenigstens bis zur Mitte das Schienbein bedecken. Auch im Englischen werden unter dem Oberbegriff Boots ganz salopp sämtliche Arten von Stiefeln zusammengefasst, Ankle Boots inklusive.
Wir möchten uns im Folgenden aber auf die hochschaftigen Stücke, auch Langschaftstiefel genannt, sowie auf Overknees konzentrieren. Erstere reichen über die Wade, aber nicht über das Knie hinaus. Eine aktuelle Prognose von „Harper’s Bazaar" sieht drei Trends vorweg: Cowboy-Ankle-Boots, Ankle Boots mit Blockabsatz sowie Ankle Boots in strahlendem Weiß.
Die eng anliegenden, allerdings bis zum Knie reichenden Stiefel sind laut der britischen „Vogue" einer der angesagtesten Trends dieses Winters. Kein Wunder, sind diese Klassiker doch fester Bestandteil des Looks der eleganten, großbürgerlichen Dame aus den 70er-Jahren, wie er derzeit fröhliche Wiederauferstehung in den Kollektionen vieler Designer feiert. Die schönsten Umsetzungen haben Labels wie Céline, Fendi, Akris, Lemaire oder Salvatore Ferragamo in ihrem aktuellen Sortiment.
Als Alternative und gewissermaßen auch als Gegenpol empfiehlt die britische „Vogue" die sogenannten Heavyweight Boots, klobig-schwere Stiefel, im Englischen auch Stomps genannt, mit denen die Damen eher stampfend statt grazil durch die Winterlandschaft oder die Straßen flanieren können. Die meisten Stiefel sind in dunklen Farben gehalten und weisen Anleihen aus dem Grunge- oder Punk-Stil auf. Manche kommen gar mit einem apokalyptischen Touch daher. Springerstiefel (Prada) sind ebenso vertreten wie Wandertreter (Dior) oder Gummi-Plateau-Stiefel (Dries Van Noten oder Stella McCartney). Auch Labels wie Alexander McQueen, Bottega Veneta oder Loewe haben Stomps in ihrem aktuellen Angebot.
Unverändert setzen die Designer auch diesen Winter neben hochschaftigen Cowboy-Stiefeln oder auch Plateau-Boots wieder auf die Overknee-Stiefel, wobei laut der französischen „Vogue" das Motto gilt: „The higher the better". Als Paradebeispiele wurden die weit oberhalb des Knies endenden Modelle von Jacquemus (à la Gummistiefel), Isabel Marant (leicht slouchy heruntergerutscht) und Céline (glänzend) vorgestellt. Zu Kleidern oder Röcken in Midi-Länge sind sie allerdings keine gute Wahl, eher taugen sie als Kombi-Partner für Minis oder Skinny-Jeans. Auch Saint Laurent, Gabriela Hearst oder Gianvito Rossi können mit tollen Overknees punkten.
„Je höher, desto besser"
Ungewöhnlich ist das Auftauchen von Stiefeln mit gerader oder quadratischer Kappe bei Modellen von Maison Margiela, Chloé oder Balenciaga. An diesen Anblick muss frau sich sicherlich erst wieder ein bisschen gewöhnen, aber die häufig in spitzen Teilen leidgeplagten Füße dürften es der Trägerin danken. Die Stiefel mit Angled Heels, sprich mit einem leicht abgeschrägten Blockabsatz, wie sie Fendi oder Tibi schon letzten Winter präsentiert hatten, bleiben auch 2019/2020 en vogue. Es gibt sie in allen möglichen Umsetzungen, von Overknees über Cowboy-Stiefel bis hin zu schlichten Boots. Angesagt sind auch Stiefel mit Slouch (beispielsweise von Saint Laurent), deren Schaft, besonders bei Veloursleder, ziemlich locker und lose geschnitten ist und daher gleichsam automatisch hübsch-lässige Falten bildet und ganz slouchy etwas herunterrutscht.
Elegante Schnürstiefel haben wir bei Dion Lee, Rejina Pyo oder Michael Kors entdeckt. Als Stiefel-Ableger der Sock-Boots warten einige Labels wie Valentino, Stella McCartney, Boss oder 3.1 Phillip Lim diesen Winter mit Calf-Hugging Boots auf, bei denen der Schaft aus besonders dehnbarem und daher bequemem Material gearbeitet wurde, das die Waden, die calves, sanft oder hugging umschmeichelt. Céline hat mit einer Overknee-Variante der Winterstiefel-Wedges einen Volltreffer gelandet. Wohlige Wärme garantieren die mit kuscheligem Lammfell gefütterten Stiefel von Marken wie Chanel, Gucci oder Céline.
Was Prints betrifft, bleibt Leo (beispielsweise bei Gianvito Rossi) absolut angesagt, aber auch Zebra, Tiger, Krokodil (Max Mara) oder Snake (Michael Kors oder Rejina Pyo) sind wieder repräsentativ vertreten. Verblüffend hingegen ist das Auftauchen von Blumen- oder floralen Mustern (auf Satinstiefeln bei Dries Van Noten oder auf Overknees bei Zimmermann).