Seit drei Jahren ist Emmanuel Macron nun Staatspräsident von Frankreich – und, wie im Wahlkampf versprochen, ein umtriebiger. Sein Reformeifer brachte ihm zahllose Gegner. Dennoch steigen seine Umfragewerte wieder.
Der französische Staatspräsident Emmanuel Macron bleibt seinem Reformkurs auch im dritten Jahr seiner Amtszeit treu. Zwar offenbarte der Präsident nach stürmischem Beginn einige eklatante Abwehrschwächen, aber mit etwas Geschick und Glück rettete Macron seinen Vorsprung in die Sommerpause. Die bisher groß angekündigte Offensive der Gegner nach dem „Rentrée", sprich seit Anfang September, entpuppte sich bisher eher als ein laues Lüftchen. Allerdings bleiben Opposition und Reformgegner noch genügend Zeit, Macron und seine Regierung um Premier Edouard Philippe auszukontern.
„Make France great again" – diese vier markigen Worte waren Leitmotiv vor allem zu Beginn der Amtszeit des jüngsten Präsidenten der Fünften Republik. Die Wirtschaft wieder auf Kurs bringen, auf Augenhöhe mit Deutschland kommen, erneut eine Führungsrolle in der Welt übernehmen und Europa voranbringen sind deutliche Zielsetzungen des eloquenten Franzosen. In fast jedem Bereich zeigte Macron ungebändigten Reformeifer, setzte Impulse, sodass den Gewerkschaften Hören und Sehen verging. Dazu zählen vor allem Lockerungen beim Arbeitsrecht wie Aufweichung des Kündigungsschutzes, die stufenweise Absenkung der Unternehmenssteuer auf 22 Prozent, die Abschaffung der Vermögenssteuer, was ihm den Ruf „Präsident der Reichen" einbrachte, Neuregelungen beim Abitur, Änderungen bei der Berufsausbildung, die Einführung einer Dienstpflicht, eine Art zweiwöchige Staatsbürgerkunde mit anschließendem Praktikum für alle Schüler, eine Justizreform, um die überfüllten Gefängnisse zu entlasten, eine Verfassungsreform, das Recht für Frauen zur künstlichen Befruchtung.
Linke zerstritten, Gefahr von Le Pen
So gut wie kein Bereich wurde in den ersten beiden Jahren ausgelassen. Selbst die von allen Vorgängerregierungen so ungeliebte Eisenbahnreform packte er an, um Privilegien der SNCF-Bediensteten wie 50 Tage Urlaub und Rente ab 55 zu beschneiden. Und er erntete für seinen Elan sogar Applaus von den so streikwilligen und angeblich so reformunwilligen Franzosen. Macron verstand es allerdings auch geschickt, die errechneten Einsparungen zum Beispiel in die Infrastruktur der Bahn zu investieren.
Eine positive Bilanz von Macrons Amtszeit nach knapp zweieinhalb Jahren Präsidentschaft zog Dr. Nino Galetti, Leiter des Auslandsbüros Frankreich der konservativen Konrad-Adenauer-Stiftung, aus der Sicht eines Deutschen. „Die Gründe, warum Macron anfangs so erfolgreich war, lassen sich politisch gesehen einfach erklären", so Galetti. Die politische Linke sei in Frankreich heillos zerstritten und komme insgesamt mit sieben nicht kompromissfähigen Parteien auf nur gut 30 Prozent. Die Konservativen liegen am Boden, nicht nur weil Macron es verstanden habe, republikanische und liberale Politiker für seine Bewegung, inzwischen Partei, „La République en Marche" (LREM) zu begeistern und ihnen Regierungsverantwortung zu übertragen. Sein Premierminister Edouard Philippe wie auch Wirtschaftsminister Bruno Le Maire kommen ursprünglich aus der konservativen Partei Les Républicains.
Weiterer Vorteil für Macron: Die Regierung setzt sich vielfach aus Technokraten zusammen, die selbst keine Ambitionen auf höhere Ämter haben. Für die Fümfte Republik sei das sicher ein Novum. Bleibt der Rassemblement National um Marine Le Pen als die größte und für Macron gefährlichste Partei. Bei den Stichwahlen zum Präsidentschaftsamt im Mai 2017 schaffte Macron es, seine Gegnerin aus dem rechtsextremen Lager klar und deutlich in Schach zu halten. „Mit Blick auf die Präsidentschaftswahlen 2022 sind das auch die politisch wichtigsten Ziele Macrons für seine Wiederwahl: die Konservativen kleinhalten, die Linke möglichst zerstritten lassen und die extrem Rechte auf Abstand halten", erklärt Galetti.
Gerade letztere Partei könnte für ihn gefährlich werden, und so setzt Macron schon heute auf ein Lieblingsthema der Nationalkonservativen: die Asylreform. Er verfolgt eine klare Linie bei Migranten: Verkürzung der Asylverfahren von zwölf auf sechs Monate, konsequentes Abschieben von Migranten ohne Bleiberecht, Integration anerkannter Asylanten nach dem Motto „fördern und fordern". Während 2015 der Flüchtlingsstrom aus dem Nahen Osten an Frankreich quasi vorbeizog, sind die Zahlen 2018 – mehr als 120.000 – inzwischen weiter gestiegen.
War die Stimmung nach einem Jahr Amtszeit durchaus positiv – der Höhepunkt war der Gewinn der Fußballweltmeisterschaft in Russland –, ging es danach stetig bergab. Die Affäre um seinen prügelnden Ex-Bodyguard Alexandre Benalla 2018 und das arrogante Auftreten Macrons kamen bei den Franzosen nicht mehr gut an. Überheblich, Bankerimage, beleidigend gegenüber dem „kleinen" Mann auf der Straße – auf diese Weise zog der Präsident sich den Unmut vieler Franzosen zu. Die ersten Rücktritte in der Regierung, insbesondere des beliebten Umweltministers Nicolas Hulot, mit dem Vorwurf, Macron höre nicht zu und mache zu wenig für die Umwelt, deckten eklatante Schwächen auf.
Die Gelbwestenbewegung ab November 2018 mit regelmäßigen SamstagsDemos setzte der Regierung und dem Präsidenten zusätzlich massiv zu. Die Zustimmungswerte für Macron sanken auf 23 Prozent im Dezember 2018. Mittlerweile liegen sie den letzten Umfragen zufolge wieder bei 38 Prozent und bei den Jüngeren sogar bei 51 Prozent. Denn Macron riss das Steuer herum und kam den Gelbwesten entgegen. Leistungsprämien und Überstunden müssen nicht mehr versteuert werden, der Mindestlohn wurde um 100 Euro erhöht, rund zehn Milliarden Euro stellte die Regierung dafür zur Verfügung. Hinzu kam „le grand débat". Auf über 10.000 Veranstaltungen im ganzen Land mit einer halben Millionen Teilnehmern konnten Franzosen konstruktive Vorschläge einbringen, wie Frankreich weiter gemeinsam vorangebracht werden solle. Nach anfänglich beachtlichen Erfolgen haben sich die Gelbwesten inzwischen größtenteils selbst zerlegt. Die Untergrabung der Ziele durch gewaltbereite Franzosen, die fehlenden Strukturen innerhalb der Gelbwestenbewegung, aber auch das Entgegenkommen Macrons werden dafür als Gründe genannt.
Spannende Wahlen erwartet
„Macron hat sich von seinem Reformkurs trotz Verschiebungen nicht abbringen lassen", so das Fazit Galettis. Die angekündigte Rentenreform werde eine weitere schwere Prüfung sein. So sollen aus den über 40 Rentenkassen eine zentrale Stelle gemacht und ein Punktesystem ähnlich wie in Deutschland eingeführt werden. 2022 erwartet Galetti ein erneutes Aufeinandertreffen von Marine Le Pen und Amtsinhaber Emmanuel Macron. Noch spannender dürfte es 2027 zugehen. Dann wird Macron auf keinen Fall mehr antreten und beim Rassemblement National steht mit der Nichte von Marine Le Pen schon eine Politikerin der neuen Generation in den Startlöchern: Die Gallionsfigur der Rechten, Marion Maréchal, ist nicht einmal 30 Jahre alt, trägt nicht mehr Le Pen im Namen, gilt als begnadete Rednerin und ist bereits regierungserfahren. Sowohl im linken als auch im konservativen Lager ist derzeit ein gleichfalls vielversprechender Kandidat nicht in Sicht.
Bis dahin bleibt noch Zeit für Macron, Frankreich vollends auf seinen Kurs zu bringen. Allerdings muss er 2020 erst einmal den Stimmungstest der Kommunalwahlen überstehen. Und da könnte es eng werden für die LREM, die in den Provinzen über keine gut ausgebauten Parteistrukturen verfügen. Eine Chance auch für die ehemals etablierten Parteien, dem vermeintlichen Überflieger im Elysée eins auszuwischen.