Währungskriege, Nullzinsen, Strafzinsen: Was kommt da alles auf die deutschen Sparer zu? Was sich im ersten Moment nach Enteignung anhört, ist noch nicht gravierend – wenn man sich entsprechend vorbereitet.
Geld fürs Geldparken bezahlen? Angesichts der öffentlichen Diskussion um die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) fragen sich viele Sparer, was sie mit ihrem Geld tun sollen. Die Deutsche Skatbank aus Thüringen senkte jüngst ihren Einlagenzins auf minus 0,4 Prozent – für Einlagen ab 500.000 Euro. Auch eine Sparkasse in Niedersachsen soll laut „Frankfurter Allgemeinen" Negativzinsen für Millionen-Einlagen verlangen. Bislang gibt es jedoch keine Anzeichen, dass deutsche Banken flächendeckend auch auf kleinere Vermögen Negativzinsen erheben. Doch was tun mit dem Ersparten in dieser Lage?
Schuld an der Misere hat die EZB, fragt man derzeit Banken, denn sie hat die Leitzinsen in Europa auf null gesenkt. Außerdem müssen Banken, die Geld bei der Notenbank zwischenparken, darauf mittlerweile Minuszinsen zahlen. Der Grund: Die Banken sollen das Geld ausgeben, für Kredite bereitstellen und damit die Konjunktur ankurbeln, statt die Einlagen zu parken. Mit den niedrigen Zinsen soll die Inflation bis auf die von der Zentralbank gewünschten zwei Prozent angeheizt werden – je billiger das Geld, desto mehr ist in Umlauf, und desto mehr wird ausgegeben. Damit wächst das Angebot an Geld für gewöhnlich langsamer als die Nachfrage nach Gütern, das Geld verliert also Kaufkraft, wird weniger wert. Soweit die Theorie. Allerdings: Sie funktioniert nicht.
Die EZB-Politik funktioniert nicht
Ende 2018 ließ die EZB ihr Anleihe-Kaufprogramm auslaufen, mit dem sie die Wirtschaft stützte, ließ den Leitzins aber bei null – bei einer Inflation in der Eurozone von knapp zwei Prozent. Nach dem Ende des Programms sackte die Inflation wieder ab, betrug im Juli dieses Jahres sogar nur noch einen Prozent. Eine knapp zweiprozentige Inflation wird von der Zentralbank als stabile Teuerungsrate für die Wirtschaft angesehen.
Zahlreiche deutsche Banksprecher, darunter auch Bundesbank-Chef Jens Weidmann und Sparkassen-Vorstand Helmut Schleweis, fordern nun eine Rückkehr zur positiven Zinspolitik. Dabei sei das Ende der Fahnenstange in Sachen Strafzins noch nicht erreicht, so EZB-Chefvolkswirt Philip Lane gegenüber der Schweizer Finanzplattform „Cash".
Diese Politik hat Auswirkungen. Zinsen sind mit vielen Produkten, die Banken oder Versicherungen anbieten, kaum noch zu erwirtschaften. „Draghis Ziel ist, dass in Europa investiert wird", erklärt Thomas Mai, Sparexperte der Verbraucherzentrale Bremen; der Zentralbank-Chef habe das große Ganze im Blick. Seine Politik aber trifft Europas Wirtschaftslokomotive Deutschland vor allem im Geldbeutel des klassischen Sparers. Kapital-Lebensversicherungen, Bundesanleihen, Sparpläne oder Tagesgeldkonten, sogar manch Riesterplan bietet kaum noch Renditen. Auch wenn die Inflation gering ist, sie frisst die Rendite schlichtweg auf. Banken kündigen Altverträge mit hohen Zinsen, weil sie sie am freien Kapitalmarkt nicht mehr erwirtschaften können. Pensionsfonds investieren in sichere Bundesanleihen mit Nullrendite, um kein Geld zu verlieren, verdienen damit aber auch kaum etwas.
„Für konservative Anleger ist diese Politik der EZB Gift. Es gab Zeiten, da konnten wir dem Verbraucher Listen an die Hand geben, welche Bank in Bremen beispielsweise hohe Verzinsungen auf Sparpläne geboten hat – da blieben inflationsbereinigt noch ein, zwei Prozent für den Verbraucher übrig." Diese Zeiten sind vorbei. Aber sind Aktien oder Immobilien tatsächlich das Allheilmittel, um mit dem Gesparten noch etwas zu verdienen? „Bislang war der deutsche Sparer auf das sichere Sparbuchsparen ausgerichtet", bestätigt Dr. Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Deka-Bank. Hinzu kommt: Die Krise am damaligen neuen Markt hat viel Vertrauen der Deutschen in den Aktienmarkt bis heute zerstört. Es findet zwar derzeit ein Umdenken statt, aber der Prozess ist mühsam. „Sicherheit und Planbarkeit bleiben hoch gewichtet", so Kater. Diese konservative Anlagestrategie aber ist durch die EZB-Politik derzeit nicht erfolgversprechend. „Wir warnen sogar davor, sehr große Summen als Festgeld oder auf Sparbüchern zu belassen – die Inflation, auch wenn sie nicht hoch ist, nagt aufgrund der Nullzinsen am Wert dieses Geldes. Diese Phase wird nicht so schnell vorbeigehen. Wer das Geld nicht sinnvoller verteilt, erleidet Verluste", mahnt Mai.
Also was tun? Anleihen und Aktien, sprich die Beteiligung an Unternehmenserfolgen sind die beiden Strategien, die derzeit noch am vielversprechendsten erscheinen. Banken bieten vermehrt Fonds an, damit das Geld aus den konservativen Anlagen in den Kapitalmarkt fließt. Dennoch ist für viele wichtig, flüssig zu bleiben, sprich rasch an sein Erspartes heranzukommen, vielleicht für ein Haus oder eine Wohnung. „Die Zinsen sind auch hier im Keller, allerdings ist der Markt genau deswegen auch leer gefegt, die Preise steigen, immer mehr Eigenkapital wird nötig, um sich Wohneigentum zuzulegen. Sprich, nur auf Aktien zu setzen, ist der falsche Weg, denn Aktien sind eine langfristige Anlage", so der Experte der Verbraucherzentrale. Auch Ulrich Kater warnt davor, Immobilienanlagen zu hoch zu gewichten. „Durch die niedrigen Zinsen steigen die Hauspreise – Anleger sollten sich also nicht durch geringe Finanzierungsraten blenden lassen."
Aktien oder ETF-Sparpläne
Ob die Banken allerdings mehr und mehr dazu übergehen, Strafzinsen auch auf kleinere Spareinlagen zu erheben, ist noch nicht ausgemacht. Allerdings, wie der Chefvolkswirt der EZB sieht es auch Deka-Experte Kater. Das Ende der Fahnenstange für den Strafzins der EZB sei noch nicht erreicht. „Die Bankhäuser kalkulieren das jetzt durch. Fest steht, in einem solchen Zinsumfeld funktionieren die Geschäftsmodelle der Banken nicht mehr. Sie stehen vor der Frage, was bei weiterer Zinsverschlechterung zu tun ist, die Weitergabe der geringen Marge kann ernsthaft infrage kommen."
„Das würden die meisten Kunden nicht tolerieren", entgegnet Verbraucherschützer Mai. Manche Banken könnten diesen Schritt gehen, doch gutheißen könne man ihn nicht. „Eine ‚Krötenwanderung‘ setzt dann ein, hin zur Bank, die diesen Schritt noch nicht getan hat. Solange es Kleinsparer, sprich bis Einlagengröße 100.000 Euro, nicht betrifft, ist ein Strafzins auf höhere Einlagen noch kein Problem. Wir erwarten andernfalls gerichtliche Auseinandersetzungen."
Auch wenn es dem konservativen Sparer in uns nicht schmeckt: In der aktuellen Situation rät Deka-Chefvolkswirt Ulrich Kater eher zu Wertpapieren. „Es kommt aber auf Sparziel und das Alter des Sparers an. Menschen, die noch etwas Zeit zur Vermögensbildung bis zur Rente haben, können durchaus in Immobilien und Wertpapiere investieren." Auf die kommenden 20 Jahre seien die Prognosen für Wertpapiere deutlich besser als für konservative Anlagen, fünf bis sechs Prozent Rendite im Schnitt seien denkbar. Auch die Verbraucherzentrale klammert das Thema Aktien nicht aus. „Wir raten zu einer gesunden Mischung: einer ausreichenden Reserve in liquiden Mitteln und zum Beispiel einem ETF-Sparplan." Dabei handelt es sich um einen Aktienfonds, der an einen der zahlreichen Aktienindizes wie Stoxx oder MSCI gekoppelt ist. „In diesen Sparplan könnte man, sofern man das Geld nicht braucht, monatlich 50 bis 100 Euro einzahlen. Das ist etwas für fast jedermann", so Thomas Mai.