Das Hauptquartier der „Barkin’ Kitchen" befindet sich an der Glogauer Straße im tiefsten Kreuzberg. Dort kochen, backen und kreieren Freddy Jagla und seine Küchen-Kollegen für ihre Lunches, Caterings, Events und neuerdings auch für das Café in der „C/O Berlin"-Galerie.
Weht die grüne Fahne mit dem Namenszug an der Hausfassade, ist klar: Es ist Lunchzeit in der „Barkin’ Kitchen". Das ist für mich ein richtiges „Zuhause im Kiez"-Setting. Im Idealfall geht das an der Glogauer Straße so: Die Sonne scheint mittags direkt auf die Holzterrasse. Tische und Blumenkübel stehen auf dem hellen Podest, die Tür zum Gastraum ist geöffnet. Ein Aufsteller auf dem Bürgersteig verheißt: „Regionale Produkte – Internationaler Geschmack". Ich muss mich nur noch zwischen den Drei-mal-drei-Schälchen entscheiden. Wo essen? In Berlin-Manier und solange die Sonne noch wärmt, keine Frage, draußen natürlich. Dominique Schmidt kommt und strahlt mich an, spricht Empfehlungen zur Wochenkarte aus. „Du solltest den Kürbisstampf probieren", rät die „Queen of Service", wie sie in der „Barkin’ Kitchen" liebevoll genannt wird. „Wenn du Fleisch magst, nimm die Wildschweinbratwurst." Mache ich. Denn darauf, was die Köche oder Dominique empfehlen, ist Verlass. Gepimpte Hausmannskost nach regionalem Angebot, Lust und Laune.
Renoviert und seit August wieder geöffnet
Eigentlich war der Lunch „ein Service für die Nachbarn, die in der Umbauzeit vorbeiliefen und gefragt haben, ob’s mittags etwas zu essen gäbe", erzählt Freddy Jagla. Er ist im Gründer- und Betreibertrio mit Antonio Rilling und Iannis Ritter als Food-and-Beverage- Manager für die Essens- und Event-Organisation zuständig. Der Koch Freddy Jagla steht dennoch häufig genug selbst in der Küche. Seit Anfang 2016 ist die „Barkin’ Kitchen" geöffnet. Mit einer unfreiwilligen Unterbrechung im Frühsommer 2019. Ärger mit den Nachbarn und infolgedessen mit den Behörden führte zu Auflagen, wie sie Gastronomien und kleine Läden im Kiez inzwischen häufig erleben. Doch das „Headquarter", wie Freddy Jagla die Räume mit Küche und Gastraum für 37 Personen bezeichnet, ist seit August wieder geöffnet, innen und außen frisch gemacht und mit einer neuen Zuluftanlage ausgestattet. Der Mittagstisch blieb, die Gäste kamen gern zurück. Ich halte mich an die Spielregel auf der Karte: „Wähle jeweils eine Komponente aus den drei Optionen." Ich ordere: Die Currywurst vom Wildschwein – unbedingt. Steckrübeneintopf mit Kohl, Wurzeln und Kartoffeln soll mich von innen wärmen und der Kürbisstampf mit knackigen Kernen und etwas Kürbiskernöl auf den Herbst einstimmen. Der Fotograf probiert mit. Wir lassen uns zusätzlich Senfeier und in Butter confierte Petersilienkartoffeln reichen. Beim dritten Schälchen steigen wir ausnahmsweise auf ein Gläschen und die „Überraschung mit Erbsen, Kokos und Schoko" um. Eine Erbsen-Kokos-Creme verbirgt sich unter Schoko-Scheibchen und einem ausführlichen Topping aus frischen Brombeeren. Das Dessert läuft sonst für 3,50 Euro außerhalb der Drei-mal-drei-Kombi, die für 10,50 Euro serviert wird.
Ganz gleich, ob Firmencaterings oder Lunch-Tetris für jedermann: Alles wird in der recht überschaubaren Küche in der Glogauer Straße zubereitet und zum Lunch am mobilen, kleinen Zusatztresen im Gastraum angerichtet. Während Iannis Ritter, normalerweise oberster Koch vor Ort, gerade in Elternzeit ist, wirbeln Christian Fey und Michael Högenauer mit Azubi Mirco Hauck in der Küche. Seit September noch intensiver als sonst: Die Kreuzberger Crew übernahm das Catering der C/O-Fotogalerie. Als „C/O Berlin X Barkin’ Kitchen" geht es im „Aquarium" im historischen Amerika Haus am Zoo nun ebenfalls kulinarisch zur Sache. Ob Lunch für Mitarbeiter und Aushäusige oder Pastinaken-Pasteles mit Lavendelblüten für die Besucher der Fotoausstellungen zum Kaffee – täglich frisch gekocht und gebacken wird in Kreuzberg. Nur das Finishing kann in der kleinen Küche der C/O Berlin stattfinden. Apropos Backen: Unbedingt das Brot zum Mittagessen in der „Barkin’ Kitchen" probieren! Es gibt zwei Sorten – entweder ein Weizen- oder Sauerteigbrot plus eine Focaccia oder Ciabatta sowie wechselnde Dips. Das Bauernbrot ist ebenfalls Grundlage der Sandwiches, die alternativ zum Schälchen-Lunch angeboten werden. Selbst smörrebröderfahrene Skandinavierinnen kapitulieren bei deren Dimensionen. „Can you please put the rest into a box for take away", bittet eine Gästin Dominique Schmidt. Lecker sei’s gewesen, aber zu viel für eine Mahlzeit. Die zweite Hälfte vom Sandwich mit hausgemachter Pastrami, Apfel und roten Zwiebeln, Meerrettich und Krautsalat wird eingepackt und dürfte noch eine ordentliche Wegzehrung für die Berlin-Besucherinnen abgeben. Die Veggie-Alternative zum Pastrami-Brot für 8,50 Euro ist ein Grilled Cheese Sandwich für 7,50 Euro.
Gäste werden herzlich eingemeindet
Ich bin mit der groben Wildschweinbratwurst mit dem schön scharfen, selbst gemachten Curry-Ketchup sehr glücklich. „Die ist von unserem Wildlieferanten Jörn Korte aus der Schorfheide", ruft Freddy Jagla uns im Vorübergehen zu, Tabletts mit Schälchen für weitere Gäste in der Hand. Der Kürbisstampf bietet wärmenden, cremigen Herbstwumms, bleibt für mich beißfreudiges Wesen dennoch gebührend stückig und durch die Kürbiskerne knackig. Der Steckrübeneintopf wurde mit einem Kalbsfond klar angesetzt und wird mit Gemüse- und Kartoffelwürfeln als Einlage gereicht. So bleibt er eine schöne, leichte Vorsuppe. Der italienische Feinschmeckerfotograf ist über den Sommer zum Senfei-Experten geworden: „Ah, hier ist die Sauce säuerlicher, mit grobem Senf und Schnittlauch", analysiert er. „Ganz wichtig: Das Gelbe muss noch weich sein!", hatte Freddy Jagla angekündigt. So ist es. Als gebürtiger Berliner wurde er vermutlich mit Senfei und Königsberger Klopsen, die ich beim vorherigen Besuch verspeiste, großgezogen. Hätte ich Elke Jagla doch gleich selbst gefragt – Freddys Mutter schaut regelmäßig herein. Oft ist sie mit Gartenschere, Pflanzen oder Schnittblumen in der Hand anzutreffen. Ich sage: „Die ‚Barkin’ Kitchen‘ hat die schönsten Blumen." Sie sagt: „Das mache ich doch gerne." Ganz gleich, ob im Team, mit befreundeten Partnern auf Koch-, Service- und Lieferantenseite, mit privaten Freunden oder Verwandten – die „Barkin’ Kitchen" ist irgendwie immer auch Familiensache, und die Gäste werden kurzerhand mit Herzlichkeit eingemeindet. Der große Holztisch mit Notebook, Unterlagen und Catering-Zubehör am Eingang ist Sitz- und Treffpunkt von Crew und Freunden des Hauses und dient gleichermaßen zum Essen und als multifunktionale Schaltzentrale.
Gute Laune im Team trotz viel Arbeit
„Wir wollten von Anfang an selbstbestimmt arbeiten, und wir machten, was wir wollten", erzählt Freddy Jagla über die Gründung anno 2014. Das Betreiber-Trio hatte sich im „Fluxbau" kennengelernt und beschlossen, eigenständig Supper Clubs, Pop-ups und Firmenveranstaltungen zu machen. Im September 2016 gingen schließlich die Türen an der Glogauer Straße auf. Sie blieben nur einige Tage geschlossen, als Pop-up-Touren mit „Visit Berlin" in Barcelona, Köln, Hamburg und Frankfurt/Main anstanden, um die Berliner Gastronomie im Namen der Tourismuswerber bekannt zu machen. Der Name mag an einen bellenden Hund erinnern. Doch keineswegs arbeiten dort Underdogs: Die Köche um Freddy Jagla und Iannis Ritter kennen sich aus der Ausbildung bei Thomas Neeser im „Lorenz Adlon" und haben sich einen eigenen Namen gemacht. Man ist in der Stadt bestens vernetzt, holt sich befreundete Gastköche zu Themenabenden, künftig auch in der C/O Berlin, ins Haus. „Barkin’ Kitchen" wird in Wirklichkeit aus der Zusammenziehung von „Bar and Kitchen" hergeleitet – Drinks und Speisen sollten den gleichen Stellenwert einnehmen.
„Wir arbeiten sehr individuell. Das ist unsere Stärke", sagt Freddy Jagla. „Das, wofür wir stehen, sollte bestmöglich abgeliefert werden." Stimmt. Das Lunch ist immer präzise ausgearbeitetes, aber dennoch bodenständiges Essen. Die Laune im Team ist trotz der Arbeit bei hoher Schlagzahl gut; parallel werden die Caterings und weitere Außer-Haus-Aktivitäten vorbereitet. Man scherzt, scheut aber kein offenes Wort. Auch nicht auf der anderen Seite: Ein Koch ist offenbar verliebt und hat die Steckrübenbrühe bis hart an die Kante zum Versalzen gewürzt. Zwei Männer sprechen’s beim Bezahlen aus. Freddy Jagla weiß, sie sind Stammgäste und werden wiederkommen. „Wir verstehen uns als Handwerker und wenn was kunstähnlich wird, sei’s drum. Das, wofür wir alle stehen, sollte einfach bestmöglich abgeliefert werden", sagt er mit dem hauseigenen Understatement. Davon kann sich jeder, solange etwas vom Essen in den Töpfen ist, mittags immer wieder aufs Neue überzeugen.