Die Schriftstellerin Wlada Kolosowa siedelte vor 20 Jahren aus Russland nach Deutschland über. Nach ihrem Debütroman begann sie im Spreewald mit der Arbeit an ihrem zweiten Buch.
Ein Roman, etliche Kurzgeschichten sowie Zeitungsreportagen für renommierte Blätter. Dazu längere Aufenthalte in Brasilien und in den Vereinigten Staaten: Wlada Kolosowa hat mit 32 Jahren schon einiges erlebt, gesehen und geschrieben: Die Schriftstellerin balanciert dabei zwischen Interviews mit außergewöhnlichen Menschen und den fiktiven Storys für ihre Bücher. Doch in den letzten Monaten wurde die gebürtige Russin in Berliner und Brandenburger Medien selbst zum gefragten Interviewgast. Aufhänger dafür war ihr Spreewald-Literatur-Stipendium mit einem vierwöchigen Aufenthalt im Nobelhotel „Bleiche" in Burg. Vergeben wurde das Stipendium von der Spreewälder Kulturstiftung. Hier im Spreewald begann Kolosowa daraufhin nicht nur die Arbeit an ihrem zweiten Buch. In Burg las sie auch aus ihrem Debütroman „Fliegende Hunde".
„Das Brandenburger Publikum war sehr interessiert. Ich hatte vier tolle Lesungen, traf Schriftsteller und Schauspieler, vor allem aber viele Märker", blickt sie zurück. Nachdem sie der Luxus des Hotels zunächst schwer beeindruckte, gewöhnte sich die Autorin den eigenen Worten nach schnell ans elegante Umfeld. „Ich schwamm im Hotelpool, joggte und fuhr mit einem Spreewaldkahn. Vor allem aber widmete ich mich meinem neuen Buch", so die Schreiberin. Bei ihr komme es immer darauf an, sich an den Schreibtisch zu zwingen. Dann bleibe sie so lange sitzen, bis die Ideen sprudeln, schmunzelt die Wahl-Berlinerin. Letztlich sei ein Buch aber meist ein Extrakt aus mehreren Jahren harter Arbeit, erklärt die kleine zierliche Frau, die auch den Samowar (russischer Heißwasseraufbereiter für Tee) ihrer exquisiten Herberge schätzte.
Zum beliebten Ausflugsort Burg im Spreewald hat Kolosowa aber noch einen ganz anderen Bezug. „Als wir Ende der 90er-Jahre aus Russland nach Deutschland übersiedelten und zunächst in Cottbus lebten, ging unser erster Ausflug nach Burg." Die Landschaft mit ihren unzähligen Fließen und Kanälen habe sie gleich verzaubert. Den Spreewald noch in guter Erinnerung, bewarb sie sich als sie vom Literaturstipendium hörte.
Start in Deutschland war nicht leicht
Ihr Start in Deutschland sei einst nicht leicht gewesen. „Als wir hier ankamen, war ich zwölf Jahre alt und zuvor überhaupt nur einmal im Ausland, in Finnland." Ihren Namen fand sie plötzlich nicht mehr so klasse, weil er ihre nichtdeutsche Herkunft verriet. „Zu dieser Zeit hätte ich am liebsten einen möglichst durchschnittlichen deutschen Vor- und Nachnamen gehabt. Ich habe mir sogar Listen mit Dingen gemacht, die ich damals für Deutsch hielt: Müsli essen, ‚Wetten dass …!?‘ gucken, einen Schrebergarten haben. All diese Punkte wollte ich dann abarbeiten", lächelt die in St. Petersburg geborene Frau.
Ihr Interesse am Schreiben habe sie schon als Kind bemerkt, als sie unter anderem eine Familienzeitung kreierte, Märchen umschrieb und sich ihre eigene Welt zusammensponn. „Ich schrieb mir das Leben einfach schön, genau so, wie ich es mochte." Bereits mit 15 Jahren textete sie in der Cottbusser Literaturwerkstatt für das erste kleine Büchlein mit dem Titel „Wlada". „Das erschien in einer Auflage von 40 Exemplaren, die ich zum Stückpreis von vier Euro auch komplett verkaufte." Nach dem Abi studierte sie Kommunikationswissenschaften und Psychologie an der Freien Universität Berlin. Schon damals arbeitete sie als freie Journalistin parallel für „Süddeutsche Zeitung", „Zeit" und „Spiegel online".
Dass sie auch einmal Bücher schreiben will, stand da längst fest, wie im Gespräch im Café in Berlin-Friedrichshain zu erfahren ist. Denn: „Literatur ist für mich wie träumen im wahren Leben", gibt die Wahl-Berlinerin ihre Ansicht vom Romanschreiben wieder. In den folgenden Jahren besuchte sie eine Journalistenschule sowie Kurse für „Kreatives Schreiben" in Washington DC und New York. Anschließend zog es sie in ihre frühere Heimat, unter anderem auch ans Schwarze Meer, an den Baikalsee sowie nach St. Petersburg. Ein Ergebnis der Tour war ihr Buch „Russland To Go", in dem sie sich mit ihrem Geburtsland auseinandersetzt. „Das Ganze war eine Reise zum eigenen Ich und auch die Suche nach meinen Wurzeln."
Schon seit einigen Jahren lebt die Schriftstellerin im quirligen Kiez unweit des Görlitzer Parks in Berlin-Kreuzberg. Hier trifft sie sich gern mit Freunden zum Kaffee und Tee oder frühstückt mit ihrem aus Spanien stammenden Ehemann. „Zum Frühstück gibt es fast immer Rührei sowie Chorizo, die spanische Salami." Je später das Morgenmahl starte, desto herzhafter falle es aus. Danach geht’s mit dem Hund, einem Jack Russell Terrier, raus an die frische Luft. Um die zwei Stunden ist die Buchautorin den eigenen Worten nach mit ihrem Vierbeiner draußen. Oft rund um den „Görli", den Görlitzer Park. Zu ihren Berliner Lieblingsorten zählt Kolosowa auch den Volkspark Friedrichshain und das Kino International an der Berliner Karl-Marx-Allee. Hier in der Nähe habe sie eine Zeit lang gewohnt.
Ins Märkische zieht es die Schriftstellerin offenbar nicht so häufig. Einen „Naturcampingplatz am Grubensee im Landkreis Storkow" nennt sie auf Nachfrage als Ausflugsziel. Die Tour vom S-Bahnhof Bernau zum Liepnitzsee radelte sie auch schon. „Das ist eine wunderschöne Ecke", sagt sie. Brandenburg verbinde sie aber eher mit dem Spreewald. In dem schönen Landstrich südöstlich von Berlin kennt sich die Berlinerin aus, das merkt man im Gespräch sofort. Hauptmerkmal der historischen Kulturlandschaft sei die natürliche Flusslaufverzweigung der Spree, die man einst durch das Anlegen von Kanälen nochmals beachtlich erweiterte. Gäste könnten hier mit etwas Glück den seltenen Schwarzstorch und prächtige Hirsche antreffen, vor allem aber Ruhe und Abgeschiedenheit genießen. „Wer wirklich will, der kann hier zu sich kommen und den Stress dieser Welt hinter sich lassen", schwärmt Kolosowa von der faszinierenden Gegend, zu deren Einwohnern die Sorben gehören. Im Biosphärenreservat Spreewald existierten etwa 18.000 Tier- und Pflanzenarten, darunter allein 830 Schmetterlingsarten.
Sie lebte auch einige Zeit in São Paulo
Eine Besonderheit der Region sei die Postzustellung per Kahn zwischen Lübbenau und dem Ortsteil Lehde. Der Postkahn schippert ohne Bootsmotor auf dem Wasser und werde mit einem sogenannten Rudel gestakt. Für den Fall, dass eins der über vier Meter langen recht schmalen Ruder im sumpfigen Untergrund stecken bleibt, liege im Kahn immer ein zweites Rudel bereit, ist im Gespräch zu erfahren. Burg ist Kolosowa im Spreewald besonders ans Herz gewachsen. Der Ort liege trotz seiner Bedeutung für den Fremdenverkehr etwas abseits von touristischen Hotspots wie Lübben und Lübbenau. Vor allem von dort starten Kahntouren. Die Zahl der Besucher, die sich durch die bezaubernde Fließ- und Kanallandschaft staken lässt, liegt nach Angaben des regionalen Tourismusverbandes bei jährlich knapp einer Million. Chroniken zufolge schipperten Anfang der 30er-Jahre schon über 60.000 Gäste übers Wasser. 1986 waren es den Informationen nach um die drei Millionen Personen. Dieser Rekordwert wurde später nie wieder erreicht.
Der Kurort Burg selbst besticht mit intakter Natur, traditioneller Spreewaldarchitektur und der Spreewald-Therme mit einer aus 1.350 Metern Tiefe gewonnen jodhaltigen Thermalsole. „Viele kommen nicht nur mit dem Paddelboot, sondern auch mit dem Rad. Gurken-Radweg und Hofjagd-Radweg eignen sich für Pedalritter bestens." Lohnend sei aber auch ein Ausflug zum 27 Meter hohen Bismarckturm, der auf dem Burger Schlossberg eine tolle Rundsicht auf die Spreewaldlandschaft biete. Zu den Highlights der schönen Ortschaft zählen auch Bahnmuseum, Heimatstube und das Besucherzentrum des Biosphärenreservats.
Dann wechselt Kolosowa das Thema und berichtet sehr lebendig von ihrer Tour nach Brasilien. Einige Zeit lebte sie in São Paulo und bereiste den traumhaft schönen Küstenabschnitt Costa Verde. Brasilianer und Russen würden sich von Temperament und Mentalität her sehr ähneln, lächelt sie. Zwischen Brandenburgern und Russen könne sie diese Parallele allerdings nicht ziehen.