Lange Jahre wurden österreichische Vereine im Europacup belächelt. Dass RB Salzburg elfmal in Folge in der Quali scheiterte, zog Hohn und Spott nach sich. Doch in dieser Saison überzeugen die drei Vereine aus dem Nachbarland mit ihren Auftritten.
Für die deutschen Fußballfans gibt es derzeit eine gute und eine schlechte Nachricht. Die gute: Die Bundesliga ist im Europacup so gut wie lange nicht mehr. Die schlechte: Nur eben nicht die deutsche.
Ösi-Trainer sind sehr beliebt
Denn aktuell sorgt die Eliteliga aus Österreich, die ebenfalls Bundesliga heißt, für überraschend viel Aufsehen. Auf den ersten Blick sehen drei Siege, ein Unentschieden und zwei Niederlagen in bisher sechs Spielen in zwei Wettbewerben schon ganz okay aus für ein Land, das in der Fünfjahreswertung Rang zwölf belegt – hinter der Ukraine und nur knapp vor Tschechien – und das in der Saison 2015/16 noch Rang 25 in Europa belegt hatte. Sogar die Ligen aus Kasaschstan, Aserbaidschan oder Liechtenstein hatten damals mehr Punkte geholt. Doch so richtig gut wird die Bilanz der Österreicher erst beim Betrachten der genauen Ergebnisse. Red Bull Salzburg demontierte in der Champions League bei der ersten Teilnahme zunächst den belgischen Meister KRC Genk mit 6:2 und machte dann bei Titelverteidiger FC Liverpool aus einem 0:3 ein 3:3, ehe am Ende doch eine unglückliche 3:4-Niederlage stand. Der Wolfsberger AC aus einer 25.000-Einwohner-Gemeinde in Kärnten feierte zunächst einen sensationellen 4:0-Sieg beim deutschen Bundesliga-Tabellenführer Borussia Mönchengladbach und trotzte dann auch AS Rom ein 1:1 ab. Der Linzer ASK schlug zunächst Rosenberg Trondheim mit 1:0 und verlor dann auch bei Sporting Lissabon nach Halbzeit-Führung nur höchst unglücklich mit 1:2. Unter dem Strich stehen also viele Highlights und kein wirklicher Ausrutscher. Das ist schon beeindruckend.
Und auch insofern überraschend, da die österreichische Bundesliga zuletzt gefühlt nur eine Farmliga für die deutsche war. 30 Österreicher spielen in der ersten deutschen Liga, mehr als aus jedem anderen Land. Und auch bei der Suche nach neuen Trainern stoßen die deutschen Manager immer öfter auf Talente im Nachbarland, wo sich diese offenbar wunderbar entwickeln können. Vor dieser Saison verpflichtete beispielsweise Mönchengladbach Marco Rose aus Salzburg und der VfL Wolfsburg Oliver Glasner aus Linz. Sie schlugen beide direkt ein. Nach dem siebten Spieltag stehen die beiden ganz oben, Gladbach ist Tabellenführer vor Wolfsburg. Aber Salzburg und Linz haben unter den Verlusten nicht wie befürchtet gelitten.
Nach dem Duell gegen Salzburg staunte dann auch Welttrainer Jürgen Klopp über die Leistung des Gegners. „Heute haben wir einen schönen Schlag ins Gesicht bekommen von Salzburg“, sagte der in der Premier League mit sechs Siegen gestartete Klopp nach dem Spiel. Bei Rose-Nachfolger Jesse Marsch herrschte dagegen trotz der Niederlage der Stolz vor. „Hier haben wir gesehen, dass wir mit der vielleicht besten Mannschaft der Welt an der Anfield Road mitspielen können“, sagte der US-Amerikaner. Und Kapitän Andreas Ulmer war sich sicher: „Das Spiel wird immer in Erinnerung bleiben.“
Das sind schon ganz schön denkwürdige Nächte, die sie in Salzburg da gerade erleben. Nach dem Spiel gegen Genk jubelte der frühere Bremer Zlatko Junuzovic, immerhin schon 32 und mit der Erfahrung von über 500 Profi-Spielen: „Ich habe schon einiges erlebt, aber dieser Abend steht ganz weit vorne.“ Und André Ramalho, in der Bundesliga einst für Leverkusen und Mainz aktiv, erklärte: „Es hat sich unglaublich gut angefühlt, das Warten auf die Champions League hat sich gelohnt.“ Zuvor war Salzburg nämlich gleich elfmal in der Quali gescheitert und dafür mit mächtig Hohn und Spott übersät worden. Die Tatsache, dass Österreich durch die schon etwas erfolgreicheren Ergebnisse der letzten Saisons endlich einen fixen Starterplatz bekommen hat, ersparte RB diesmal die Play-offs. Nun ist Salzburg nach zwei Spielen Zweiter, der Traum vom Achtelfinal-Einzug lebt. Zumal die Salzburger seit unglaublichen 70 Heimspielen ungeschlagen sind. Und den neben Liverpool stärksten Gegner, den SSC Neapel, im März schon in der Europa League schlugen.
Norweger Erling Haaland sorgte für großes Aufsehen
Besonders für Aufsehen sorgte der 19 Jahre alte Erling Haaland, der drei Tore schoss. Angeblich hat Liverpool ihn wie auch Dominik Szoboszlai (18) und den bei den Reds ebenfalls erfolgreichen Takumi Minamino (24) längst im Blick. Haaland, Sohn des früheren England-Legionärs Alf-Inge Haaland, war im Januar aus seiner norwegischen Heimat gekommen. Auch Juventus Turin hatte um ihn geworben. Dass er trotzdem nach Salzburg ging, zeigt, dass die österreichische Liga oder zumindest RB inzwischen auch bei Ausnahmetalenten zumindest als gute Durchgangsstation angesehen werden. Unter Rose hat Haaland im ersten halben Jahr übrigens kaum gespielt. Er habe „ein paar Wochen gebraucht, um die Spielweise zu adaptieren“, sagte der heutige Gladbacher. Deshalb seien die ersten Monate „nicht so einfach für ihn gewesen“.
Auch das gehört zur neuen Stärke: Einen Stammplatz bekommt man auch in der österreichischen Bundesliga nicht einfach geschenkt. Und deshalb ist es eben auch nicht mehr nur RB, das wie schon beim Halbfinal-Einzug in der Europa League 2018 für Aufsehen sorgt. „Wir haben gegen einen Gegner mit unglaublicher Intensität, Leidenschaft und Bereitschaft gespielt“, analysierte Rose nach dem hochpeinlichen 0:4 der Gladbacher gegen Wolfsberg. Und zeigte damit, dass es nicht nur die extrem schwache Leistung seiner Spieler an diesem Tag war, die die wohl größte deutsch-österreichische Fußball-Blamage seit der WM 1978 in Córdoba ermöglichte. Nationalspieler Matthias Ginter sprach von einem „Albtraum“. Die österreichischen Medien bejubelten dagegen ein „Fußball-Märchen“ (Die Presse) oder auch eine „nie gesehene Sternstunde der österreichischen Liga“ (Die Krone).
„Nie gesehene Sternstunde“
Kapitän Michael Sollbauer erklärte: „Vor der Saison haben alle gesagt: ,Naja, der WAC spielt international, da gibt‘s keine Punkte.‘ Aber ich glaube, wir machen ganz gute Werbung für Österreich und in erster Linie für uns.“ Und das, obwohl Wolfsberg seine Heimspiele rund 80 Kilometer entfernt in Graz austragen muss. Die heimische Arena entsprach nicht den Uefa-Regularien, in dem eigentlich idealen Ausweichstadion in Klagenfurt wurden im Rahmen eines Kunstprojekts 200 Bäume auf dem Rasen gepflanzt. Marcel Ritzmaier ergänzte: „Wir zeigen ganz Europa, dass die österreichische Liga doch nicht so schlecht ist, wie alle immer glauben. Und Salzburg hat mit der Leistung in Liverpool bewiesen, dass Mannschaften aus Österreich Mentalitätsmonster sind.“
Bleibt noch der Linzer ASK, in Österreich stets LASK genannt. Nach dem Sieg gegen Trondheim begeisterten die Linzer eigentlich auch in Lissabon. „Wir haben Sporting an die Wand gespielt“, sagte Mittelfeldspieler Peter Michorl. 22:10 Torschüsse gaben ihm recht. Trainer Valerien Ismael, Nachfolger von Glasner und einst unter anderem Profi in Bremen und beim FC Bayern, hat die nächste Runde aber weiter fest im Blick. „Wir sind in einer guten Verfassung und haben in diesem Jahr im Europacup schon gezeigt, dass wir jeder Mannschaft Paroli bieten können, wenn wir ans Limit gehen“, sagte der Franzose.
Und damit könnte das Trio am Ende endgültig ein Stück österreichische Fußball-Geschichte schreiben. Denn dass drei Vereine aus dem Alpenland im Europacup die Gruppenphase überstehen, hat es noch nie gegeben. „Ich denke, dass wir uns im Hier und Jetzt und auch in Zukunft richtig viel zutrauen dürfen“, sagte WAC-Trainer Gerhard Struber: „Wir haben eine unglaublich coole Ausbildung, was junge Spieler angeht.“ Es gebe „nichts Schöneres als Siege von österreichischen Vereinen im internationalen Bereich – alle in Österreich haben einen Mehrwert, weil wir Punkte sammeln und es eine Situation gibt, dass man sich auch als Wolfsberger AC mit dem dritten Platz fix für die Europa League qualifizieren kann. Das soll nicht der Vergangenheit angehören, sondern soll auch in Zukunft so sein.“