Das „Korso-op.Kollektiv" präsentiert mit „Tristesse Royale" den dritten Teil seiner Mensch-Maschine-Gott-Trilogie. Mitgründerin Nina Schopka und Ensemblemitglied Nicolas Marchand über Gott und Trash in ihrem Stück.
Nina, Nicolas, was erwartet den Zuschauer beim dritten Teil?
Nina: Jetzt kommt Gott, ein ganz kleines Kapitel (lacht). Wir haben uns erst mal alle zusammengesetzt und überlegt, was wir eigentlich wollen. Und dann haben wir festgestellt, dass man, wenn man über Gott redet, immer beim Sterben landet, bei Vergänglichkeit, beim Tod. Und Leben nach dem Tod, Unendlichkeit. Insofern ist diese Endlichkeit natürlich ein wesentliches Thema. Wir begreifen uns aber auch als politisch relevante Truppe. Es herrscht momentan eine apokalyptische Grundstimmung, wenn ich mir die ganze Diskussion um Klimawandel und Überbevölkerung anschaue. Was sich da alles zusammenzurrt, wo Millionen auf die Straße gehen, und sagen, die Welt geht unter. Diese Themen finden sich in unserem neuem Stück wieder, allerdings entgegen dem Titel weniger mit Tristesse als vielmehr mit Humor.
Bleibt Ihr wieder beim Prinzip einer Collage?
Nina: Ja, das Prinzip Collage behalten wir bei. Auch für „Tristesse Royale" verwenden wir vielfach authentische Texte, so wie immer. Diese verschneiden wir mit literarischen und eben auch Theatertexten, diesmal aus „Der große Marsch" von Wolfram Lotz. Wir behandeln das Ganze mit sehr viel Komik, sehr skurril, mit einer großen Rebellion gegen die Wirklichkeit. Sprich, das Unmögliche wird als Möglichkeit ausgerufen. Das gilt sowohl metaphysisch als auch ganz praktisch im Diesseits, wenn wir den politischen Aufhänger betrachten, bei dem wir starten.
Habt Ihr den dritten Teil auch noch mal alle gemeinsam erarbeitet?
Nina: Wir fangen meistens zu dritt an, Gregor Wickert, Thomas Hupfer und ich. Wir fangen an, zu recherchieren und Ideen zusammenzutragen. Irgendwann bringen auch die anderen Dinge ein, die ihnen über den Weg gelaufen sind, Features, Artikel und so weiter. Wir drei sind die Wurstfabrik und sortieren (lacht). Wir versuchen dann einen dramaturgischen Bogen zu setzen, anhand dessen wir diese Texte zusammenbauen. Dann geht es gemeinsam weiter. Und dann schauen wir, was kann jede Szene – kann die was oder kann die nix.
Nicolas: Und wenn der Sommer dazwischen ist und man anderthalb Monate nicht reingeschaut hat, dann ist es ganz lustig, wenn wir dann wieder zusammenkommen. Dann haben wir da so ein Stück liegen, das es szenisch und visuell umzusetzen gilt. Man kann es plötzlich viel mehr aus der Distanz betrachten, das ist gut. Bei uns gibt es ja keinen Regisseur, wir arbeiten basisdemokratisch und vielfach auch interdisziplinär.
Und wenn Ihr Euch mal nicht einigen könnt? Wer hat dann das letzte Wort?
Nina: Es findet sich immer zusammen und jeder ist kompromissbereit. Es gab bisher nie harte Konflikte. Wir haben eine gemeinsame Vision.
Nicolas: Wir fragen uns, was will denn das Kollektiv, was wollen wir mit dem Abend? Es geht darum, was man auslösen will bei den Zuschauern. Eine Energie oder Denkanstöße? Was wollen wir die Zuschauer erleben lassen? Da geht bei uns dann vieles in eine gemeinsame Richtung.
Was wollt Ihr denn mit Eurem dritten Teil auslösen?
Nina: Unser aller Interesse ist es, gemeinsam zu untersuchen, wie wir in unserer Gesellschaft eigentlich sozialisiert sind. In allen drei Teilen kommt der alttestamentarische Gott vor, und nicht weil wir eine christliche Truppe sind (lacht). Wir wollen aber auch nicht mit Blasphemie provozieren, sondern wir machen das, weil wir interessant finden, dass das Alte Testament im Grunde genommen die Basis unserer Sozialisation ist. Egal ob das Christen, Juden oder Muslime sind. Es gibt eine ganz große Schnittmenge. Die Werte, die da drin stecken, sind wie zementiert, hat man das Gefühl. Stichworte Patriachat, Gehorsam, Bestrafung, Rache. Da ist ganz vieles da, nur moderater in unserer Gesellschaft. Diese Faktoren können, wenn sie nicht hinterfragt werden, in eine faschistoide Richtung führen. Das ist ein Anliegen von uns, wachzurütteln gegen Faschismus.
Könnt Ihr ein bisschen was über Eure Parts verraten?
Nina: In meine Rolle fließt zum Beispiel Prometheus ein, Kain aus Kain und Abel, aber auch andere ganz moderne Figuren aus Interviews. Diese Aspekte verschiedener Figuren verknüpfen wir dann zu unseren Rollen. Zum Schluss gibt es eine Truppe, die sehr kreativ in Rebellion tritt, sogar gegen die Endlichkeit. Wir erobern das Paradies zurück. In „Babylon Pogo", dem ersten Teil, war das Ganze mit dem Rausschmiss aus dem Paradies gestartet. Jetzt kommt die Rückeroberung.
Nicolas: Man kann es sich so vorstellen: Eine Gruppe von drei Leuten, die weder hübscher noch intelligenter noch netter sind als andere, versucht, das Paradies zurückzuerobern. Das sind Nina, Nadia Migdal und ich. Im Grunde genommen ist es eine Heldenreise ins Paradies.
Nina: Ein Theaterhybrid voller Sehnsucht nach übermenschlichen Superhelden. Dieses Mal fangen wir mit einem Kongress der apocalyptic fears and fantasies, mit sehr speziellen Lösungsansätzen an. Dieser Kongress gerät dann außer Rand und Band. Wir wollen aber nicht zu viel verraten.
Klingt alles schon auch intellektuell…
Nicolas: Das sind wir nicht! Wir sind Spieler, unabhängig davon sind wir auch Theatergänger. Es heißt ja auch Theater „spielen". Es ist wichtig, dass es Spaß macht.
Nina: Wenn ich ins Theater gehe und habe das Gefühl, ich muss zuerst mal ein Buch lesen, damit ich den Abend verstanden habe, dann hat der Abend versagt. Wir greifen auch manchmal in einen Philosophie-Topf rein, aber wir arbeiten auch ganz bewusst mit viel Trash, mit Pop, mit ganz trivialen Alltagsmitteln, mit sehr wiedererkennbaren Dingen. Wenn man null Ahnung von nix hat, dann geht man da rein, und der Abend muss einen abholen. Und man ist körperlich eingebunden – ohne Mitspieltheater! (lacht). Unsere Zuschauer befinden sich gemeinsam mit den Spielern in einem Raum. Die Szenen finden oft unmittelbar um die Zuschauer herum statt. Man hat ein völlig anderes sinnliches Miterleben. Das finden wir ganz wichtig.
Bei Eurer Gründung hatte das Kultusministerium damals eine Förderung von drei Jahren zugesichert. Wie geht es weiter?
Nina: Theater funktioniert niemals ohne Förderung. Wir sind alle Profis, da sind Leute mit Familie, da müsste man versuchen, zumindest den Mindestlohn zu zahlen. Das ist in der freien Szene aber nicht selbstverständlich, da wird erwartet, weit unter dem Mindestlohn zu arbeiten. Aber irgendwann ist das nicht mehr machbar.
Nicolas: Und es ist viel Arbeit, zum Beispiel ein Gebäude so herzurichten, dass man darin spielen kann. Allein die Technik, die reingesteckt wird. Das ist nicht so, dass da nur ein paar Theaterscheinwerfer hängen. Bühnenbild und Technik müssen dem jeweiligen Ort speziell angepasst werden. Insofern sind das eben Kosten, die man nicht wegreduzieren kann. Sonst gibt es dieses Format nicht mehr, dann sind wir nicht mehr das Korso-op.Kollektiv.
Nina: „Tristesse Royale" ist finanziell noch gesichert. Abgesehen vom Ministerium für Bildung und Kultur ist Hendrik Becker von der Internett GmbH ein Förderer, die Lotto Totto GmbH, die Stadt Saarbrücken und neuerdings auch die Region Grand Est, was uns wahnsinnig freut und uns in unserer Ausrichtung nach Frankreich, Luxemburg und Belgien sehr bestätigt. Für unsere nächsten Projekte hoffen wir, weiterhin vom Ministerium gefördert zu werden und noch andere Förderer zu finden. Die Truppe ist super zusammengewachsen, unser Publikum liebt uns, wir haben großen Erfolg und spielen bereits auf Festivals. Von uns aus kann’s weitergehen!