Aufsteiger SC Paderborn hat der Bundesliga Offensiv-Fußball versprochen. Und hält Wort. In fast jedem Spiel rennen die Ostwestfalen gnadenlos nach vorne, sie begeistern – einen Sieg haben sie aber noch nicht geholt. Für den Trainer kein Grund, seinen Plan zu überdenken.
Nach dem aufopfernden Kampf gegen den FC Bayern München fasste die Satire-Seite „Lügenpressing“ die Situation des SC Paderborn recht treffend zusammen. „Paderborn mit gutem Auftritt“, hieß es dort. Und dann spöttisch: „Das macht Mut für die nächsten 26 Klatschen!“
„Immer die Offensive als unser Mittel“
So ähnlich muss es sich für die Paderborner bisher angefühlt haben in der Bundesliga. Gegen den FC Bayern verloren sie am Ende nur 2:3 und schafften mit elf Ecken so viele gegen den Serienmeister wie seit mehr als vier Jahren kein Bundesligist. Doch für den Statistik-Rekord und das viele Lob von allen Seiten gab es keine Punkte. Mal wieder. Das Protokoll einer bisher bitteren Saison für einen eigentlich begeisternden Aufsteiger:
Vor der Saison: Die Paderborner sind im wahrsten Sinne des Wortes in die Bundesliga gestürmt. Beim Aufstieg in die Zweite Liga schossen sie in 38 Drittliga-Spielen 90 Tore und damit 14 mehr als der zweitbeste Sturm. Beim Durchmarsch in die Bundesliga waren es in 34 Zweitliga-Spielen 76 Treffer. Acht weniger als Meister Köln und 16 mehr als die drittbeste Offensive. Das, so glauben viele, werden die Ostwestfalen in der Bundesliga nicht durchziehen können. Trainer Steffen Baumgart zeigt mit der Aussage, er freue sich „den Arsch wund“ auf das erste Spiel, wo der Weg hingeht. Und er verspricht: „Wir sind doch früher nicht auf den Bolzplatz gegangen, um Tore zu verhindern. Sondern um Tore zu schießen. Wir werden immer die Offensive als unser Mittel sehen. Ob gegen Bayern oder Leipzig. Wenn ich mich hinten reinstelle, sehe ich meine Chancen noch geringer.“
1. Spieltag: Paderborn stürmt wie versprochen in Leverkusen. Verliert zwar 2:3. Aber wird von allen Seiten gelobt. Dass sie eine Bereicherung für die Bundesliga sein können, haben die Paderborner direkt gezeigt. Baumgart verspricht: „Wer uns kennt, weiß, dass wir die Eier haben, so zu spielen.“ Und Stürmer Streli Mamba tönt: „Da können sich alle warm anziehen. Wir sind für jeden Gegner eklig.“
2. Spieltag: Auch beim Heimdebüt gegen den SC Freiburg spielt Paderborn erfrischenden Offensivfußball. Verliert aber 1:3. Und Baumgart stellt schon jetzt fest: „Es geht darum, nicht jede Woche Blumen zu kriegen, sondern auch Punkte.“ Stürmer Sven Michel hadert: „Wir machen zwei geile Spiele und nehmen nicht einen Punkt mit. Es kann doch nicht angehen, dass wir vorne drei oder vier Tore schießen müssen, um ein Spiel zu gewinnen.“
3. Spieltag: Beim 1:1 in Wolfsburg holt Paderborn den ersten Punkt. „Wir sind in der Bundesliga richtig angekommen“, jubelt Geschäftsführer Martin Przondziono. Baumgart ärgert sich aber über nur einen Punkt aus drei Spielen. Auf die Frage, ob es nicht mehr hätten sein können, antwortet er: „Hätte sein können, ist nicht haben.“
4. Spieltag: Gegen Schalke stürzt Paderborn nach einem 1:1-Pausenstand richtig ins Verderben und verliert mit 1:5. „Das ist eine deftige Niederlage“, sagt Baumgart und stuft sie als „auch in der Höhe komplett in Ordnung“ ein. Zweifel an der offensiven Ausrichtung lässt er aber nicht zu: „Wir wollen genauso mutig weiter agieren.“ Schalke habe sein Team zwar „in allen Belangen vorgeführt. Aber sie haben glaube ich auch das beste Spiel seit zwei Jahren gezeigt.“ Zwei Tage vor dem Spiel bei Hertha kündigt er an: „Es gibt kein Umdenken. Solange ich in der Verantwortung bin, werden wir nach vorne spielen. Und zwar nicht, weil ich trotzig bin, sondern weil ich davon überzeugt bin.“
5. Spieltag: In Berlin ist Paderborn nach Meinung aller Experten nicht nur die offensivere, sondern tatsächlich die bessere Mannschaft. Die Statistik stützt das: Der SCP hat mehr Torschüsse, mehr Eckbälle und mehr Spielanteile – am Ende steht aber eine 1:2-Niederlage. Der Trainer wirkt nun doch schon frustriert. „Es tut mir auch weh für die Jungs, solange wir versuchen, Woche für Woche Spiele zu gewinnen, und es klappt nicht“, sagt er. Kündigt aber gleich an, „dass wir uns nicht von gewissen Widrigkeiten umhauen lassen“. Auch Kapitän Christian Strohdiek stellt die offensive Spielweise nicht in Zweifel. Sie habe Paderborn überhaupt erst in die Bundesliga gebracht, erklärt er: „Und deswegen hören wir nicht auf damit.“
6. Spieltag: Die Bayern kommen. „Mit dem Aufstieg haben wir uns die Chance erarbeitet, gegen Mannschaften zu spielen, die wir letztes Jahr hätten anfragen müssen, ob sie zum Testspiel kommen“, sagt Baumgart: „Und die meisten hätten nein gesagt.“ Auch gegen den Branchenprimus lässt er gnadenlos offensiv spielen. Nach einem 0:2- und 1:3-Rückstand kommt sein Team jeweils wieder heran und drückt am Ende so sehr auf das 3:3, dass die Bayern kaum ihren Augen trauen. „Wir mussten am Schluss ein bisschen bibbern“, gesteht Bayern-Trainer Niko Kovac: „Das hätte auch in die Hose gehen können.“ Allein: Es reicht wieder nicht für den Aufsteiger. Bei dem nach dem Spiel dennoch alle gut gelaunt sind. Der „Kicker“ schreibt von „Party ohne Punkte“. Und der Trainer? Der versichert: „Wir agieren stets ergebnisunabhängig. Wir definieren uns über Leistung und lassen uns unseren Fußball nicht nehmen.“ Allerdings ist Paderborn jetzt erstmals Letzter.
Die nächsten vier Spiele werden Spiele der Wahrheit
7. Spieltag: Der Gegner nach dem Absturz auf Platz 18 kommt gelegen. Mainz ist auch nur 16. Gewinnt aber mit 2:1. Und Paderborn ist erst das fünfte Team in der Bundesliga-Geschichte, das mit vier Heimniederlagen startet. Baumgart stellt fest: „Die Bilanz ist Müll. Jeder baut in jedem Spiel ein bisschen Mist. Wenn wir das abstellen, wird es so weitergehen.“
Und jetzt? Die nächsten vier Spiele werden für den SCP die Spiele der Wahrheit. Nach sieben Partien hat der Aufsteiger erst einen Punkt auf dem Konto. Doch nun geht es zum 1. FC Köln, der mit vier Zählern 17. ist und schon mit einem knappen Sieg überholt werden kann. Dann kommt Fortuna Düsseldorf, das als 15. ebenfalls nur vier Punkte auf dem Konto hat. Dann geht es zum Tabellen-Zwölften Hoffenheim, schließlich kommt der 14. Augsburg. Sollte Paderborn dann immer noch ohne Sieg sein, wird es schwer, den Glauben an die Ausrichtung zu bewahren. Und Baumgart? Sie ahnen es. Der verspricht eines: „Von unserem Fußball werden wir nicht abgehen.“