Die Mercedes-Piloten Valtteri Bottas als Sieger des Japan-Grand-Prix und Lewis Hamilton mit Platz drei hinter Sebastian Vettel (Ferrari) haben dem Stern-Rennstall vorzeitig den sechsten Titel in der Hersteller-WM beschert. Hamilton selbst kann sich an diesem Sonntag, 27. Oktober, in Mexiko zum sechsten Mal zum Fahrer-Weltmeister krönen.
Im Vergnügungspark Suzuka ist die 5,8-Kilometer-Rennbahn als „krumme Acht" die große Attraktion. Auf ihr haben beim Großen Preis von Japan drei Mercedes-„Dompteure" des rasenden Unterhaltungs- und Wanderzirkusses Formel 1 in den vergangenen sechs Jahren (2014 bis 2019) mit ihren nur schwer zu bändigenden „Tieren", sprich Rennboliden, die große Nummer aufgeführt. Sechs Siege in Folge haben die drei Stern-Piloten dem deutsch-britischen Rennstall unter österreichischer Führung eingefahren. Der Brite Lewis Hamilton triumphierte viermal (2014, 2015, 2017 und 2018), der Deutsche Nico Rosberg (2016) und der Finne Valtteri Bottas (2019) je einmal. Bottas mit Platz eins und Hamilton mit Rang drei und seinem Zusatzpunkt für die schnellste Rennrunde sicherten dem erfolgsverwöhnten Rennstall jüngst beim Japan-GP vier Rennen vor Saisonende zudem den Konstrukteurs-Pokal beziehungsweise den Hersteller- oder auch Marken-WM-Titel. Und der fünfmalige Weltmeister Hamilton kann sich an diesem Sonntag, 27. Oktober, in Mexiko vorzeitig zum sechsmaligen Champion krönen. Nur Teamkollege Bottas hat rechnerisch noch eine Minimalchance auf den Titel. Doch mit 64 Punkten Rückstand auf den enteilten Klassenprimus gilt der Finne nur als Außenseiter. Zwischenfazit: Mercedes hat auf der „krummen Acht" die Konstrukteurs-WM klargemacht und die Fahrer-WM für Mexiko „vorbereitet". Im Klartext als weiteres Fazit: Seit Einführung der Hybridantriebe zur Saison 2014 ist Mercedes eine Klasse für sich. Mit Japan haben die Silberpfeile seitdem 86 von 117 Rennen siegreich beendet. Lohn ist der sechste Konstrukteurs-Titel in Folge. Das gelang zuvor nur Ferrari (1999 bis 2004). Für Mercedes-Teamchef Toto Wolff als „Architekt" der Erfolgs-Ära „fühlt sich jede der Meisterschaften aus ganz unterschiedlichen Gründen ganz besonders an. Diese in Suzuka eingefahrene Marken-WM ist so besonders, weil es zu Beginn der Saison nicht immer leicht ist, sich neu zu erfinden, Ziele zu setzen, die jeden neu motivieren."
Mercedes seit 2014 eine Klasse für sich
Vor der ruhmreichen Mercedes-Ära peitschte Sebastian Vettel seinen Red-Bull-Boliden viermal (2009, 2010, 2012 und 2013) als Triumphator von der „krummen Acht"-Rennbahn ins Ziel. Im Dauer-Duell mit Hamilton hätte der Heppenheimer in Suzuka die Führung als fünfmaliger Japan-Sieger übernehmen können. Die Chancen des heutigen Ferrari-Piloten für diese Statistik standen gut. Im Qualifying, der Zeitenjagd für die Startaufstellung, gab er dem schwarzen galoppierenden Pferd ordentlich die Sporen, sodass dieser Vierbeiner mit seinem Ferrari in nicht zu überbietendem Ritt auf Platz eins stürmte. Na endlich! Nach neun verlorenen Quali-Duellen hat der viermalige Weltmeister seinen Rivalen Charles Leclerc aus dem gleichen Ferrari-(Pferde-)Stall wieder geschlagen. Der junge Monegasse komplettierte als Quali-Zweiter die rote Suzuka-Startreihe. Nebenbei: Es war die 79. Doppel-Poleposition für Ferrari, der 57. erste Startplatz für Vettel, seine fünfte Pole (erster Startplatz) in Japan (Hamilton vier) und die 228. Pole für den italienischen Renommier-Rennstall. Hinter der roten Startreihe war eine silberne Reihe mit Bottas (Dritter) und Hamilton (Vierter) in Lauerstellung. Der Start konnte nicht prickelnder, nicht mitreißender sein. Aber: Für Ferrari gelangen Vettel erst vier Siege von Startplatz eins. Und dabei sollte es auch in seinem 97. Grand Prix für die Roten bleiben. Vettel vergeigte die beste Ausgangsposition völlig. Sein Vorwärtsdrang ging komplett nach hinten los. Der Routinier leistete sich bei seiner 57. Pole Position einen Schnecken- oder auch Schnarchstart. Und das kam so: Noch vor dem Erlöschen der roten Ampeln zuckte Vettel kurzfristig, rollte nur wenige Zentimeter ganz kurz los, blieb dann stehen und verlor so das Momentum. Sein Anzucken war bei TV-Überwachung deutlich zu erkennen, sodass die Rennkommissare einen Frühstart untersuchten. Sie kamen aber zu dem Ergebnis, dass Vettels Anrollen bei roten Ampeln innerhalb der Toleranz war. Der Ferrari-Pilot kam nach einem vermeintlichen Fehlstart ungeschoren davon. Vettel sorgte mit seinem Zuck-Manöver aber umso mehr für den Aufreger des Tages, weil Kimi Räikkönen (Alfa Romeo) für einen ähnlichen Vorfall in Sotschi eine Durchfahrtsstrafe aufgebrummt wurde.
Vettel vergeigte den Start völlig
Vettels „Fehlzündung" nutzte Bottas von Platz drei mit einem Raketenstart, schoss außen an Vettel und dessen Teamkollege Charles Leclerc vorbei in Führung und verteidigte diese zu seinem dritten Saisonsieg und sechsfachem Karrieretriumph bis ins Ziel. Leclerc verteidigte sich gegen den Jung-Bullen Max Verstappen, schoss den Niederländer in Kurve zwei von der Piste und beschädigte seinen Ferrari-Frontflügel. Für seinen Abschuss erhielt der Monegasse eine Fünf-Sekunden-Strafe. Für seine drei Runden Weiterfahrt mit havariertem Auto wurden ihm nochmals zehn Sekunden aufgebrummt, sodass der Popstar der Formel 1 sich am Ende mit Rang sieben begnügen musste.
Mit den Plätzen zwei und sieben betrieb Ferrari beim Japan-Grand-Prix auf der Krummen Acht in Suzuka Schadensbegrenzung. Nach dem Rennen gestand Vettel frank und frei zu seinem Start vor den Mikros von RTL und Sky: „Ja, es war mein Fehler. Die Ampeln waren sehr lange an. Dadurch habe ich Schwung verloren. Es war schlimmer als ein schlechter Start, es war ein richtig schlechter Start. Aber man hat gesehen, dass ich keinen Vorteil hatte."
Das Medienecho fällt deutlich aus, und die Presse lässt kein gutes Haar an Ferraris alterndem Haudegen, der es auch im fünften Jahr mit den Italienern als Hoffnungsträger nicht zum lang ersehnten Titel seit Kimi Räikkönens WM-Triumph (2007) geschafft hat. So war laut „Corriere dello Sport" „ein Start voller Fehler" die Wurzel allen Übels für Ferrari in Japan. Der „Corriere della Sera" meinte: „100 Meter als Dilettanten löschen bei Ferrari die Lichter aus." Leclerc habe seinen bisher „schlechtesten Tag" bei Ferrari erlebt, hieß es bei „La Stampa". In der spanischen „Marca" war zu lesen, wie Vettel den Start „vergeigt" habe und wie er am Ende unter Druck von Hamilton „nahe am Herzinfarkt" gewesen sei.
Leclerc musste sich am Ende mit Rang sieben begnügen
Unbeeindruckt von der internationalen Medienkritik zeigt sich Japan-Sieger Bottas, den die spanische Sportzeitung „AS" zum „Helden des Tages" erklärte. „Solange ich noch eine theoretische Chance habe, gebe ich nicht auf. Ich kam von Platz drei, hatte zwei Ferrari vor mir, und das auf einer Strecke, auf der das Überholen schwierig ist." Sein Japan-Sieg sei der Beweis dafür, dass „alles möglich ist", so Bottas. Noch im gleichen Atemzug zeigte sich der Rosberg-Mercedes-Nachfolger aber auch als wahrer Realist: „Ich bin realistisch genug und weiß, es bräuchte auch viel Glück. Das ist Fakt." Seinen Kritikern, die ihn als Hamilton-WM-Konkurrenten abgeschrieben hatten, hat er es jetzt mit seinem Japan-Sieg gezeigt. Seit dem GP Aserbaidschan hatte Bottas kein Rennen mehr gewonnen. Neunmal besiegte ihn Mercedes-Stallrivale Hamilton in elf Rennen seit Baku. In Japan zeigte sich dann der neue Bottas. Mit seinem Premieresieg in Suzuka hatte er maßgeblichen Anteil am sechsten Titel für Mercedes als Hersteller-Champion: „Damit habe ich jenen Kritikern widersprochen, die glaubten, ich könnte in der zweiten Saisonhälfte nicht mehr abliefern."
Nun reist der Formel-1-Zirkus aus dem Land des Lächelns und der aufgehenden Sonne ins Land der Azteken nach Mexiko. Im Land von Sonnenkönig Montezuma könnte beim Grand Prix von Mexiko an diesem Sonntag (Rennen 20.10 Uhr RTL/Sky) „König Lewis" Hamilton zum sechsten Mal als Formel-1-König gekrönt werden. Jedesmal pilgern um die 150.000 Formel-1-Fans ins 2.250 Meter über dem Meeresspiegel gelegene Autodromo Hermanos Rodriguez, benannt nach den mexikanischen Rennfahrer-Brüdern Pedro und Ricardo Rodriguez. Beide haben ihre Rennsportleidenschaft mit dem Leben bezahlt. Ricardo (fünf Grand Prix) verunglückte 1962 mit 20 Jahren beim Taining zum Mexiko-GP, Pedro (55 GP) starb 1971 mit 31 Jahren bei einem Sportwagenrennen auf dem Norisring in Nürnberg. 2018 erlebten die motorsportbegeisterten Mexikaner einen fünfmaligen Weltmeister, der noch nicht einmal auf dem Podium stand. Platz vier aber reichte Mercedes-Star Hamilton im vergangenen Jahr zum vorzeitigen, fünften Titelgewinn in Mexiko-Stadt. Sieger war wie im Vorjahr 2017 Jung-Bulle Max Verstappen. Die zwei Jahre zuvor, 2015 und 2016, hatte Mercedes mit Rosberg und Hamilton die Oberhand. In diesem Jahr aber könnte der Fünffach-Champ Hamilton schon wieder Weltmeister werden (siehe Info-Kasten). „Für mich geht es nie darum, alles schnellstmöglich zu erreichen. Ich gehe auch nicht davon aus, dass es in Mexiko passieren wird. Bottas fährt dieses Jahr sehr gut und wird sicher auch in den nächsten Rennen gut in Form sein. Der Kampf geht also weiter, wohl über die nächsten Rennen hinweg", kündigte Hamilton etwas untertrieben an.
„Solange ich noch eine Chance habe, gebe ich nicht auf"
Nach Mexiko baut der Formel-1-Wanderzirkus seine Zelte ab und übersiedelt als „back-to-back- (alle acht Tage, von Woche zu Woche-)Rennen" in die USA nach Texas (Rennen am 3. November um 20.10 Uhr RTL/Sky). Die Rennstrecke in Austin, seit 2012 im Formel-1-Kalender, ist bisher Hamilton- und Mercedes-Terrain. Beim Premiere-Rennen gewann der Brite noch mit McLaren, 2014 bis 2017 viermal im Mercedes. Nur Sebastian Vettel (2013 Red Bull) und Kimi Räikkönen (2018) im Ferrari konnten dazwischengrätschen. Wenn nicht am Sonntag in Mexiko, dann vermutlich allerspätestens jedoch in Austin/Texas wird Mercedes-Überflieger Hamilton sechsmaliger Fahrer-Weltmeister werden.