Jazzfest: Musikalische Begegnungen
Das Jazzfest Berlin erweist in diesem Jahr Anthony Braxton eine Hommage. Der 73-Jährige wird selbst das Festival mit dem Großprojekt „Sonic Genome" im Gropius-Bau eröffnen. 60 Musiker aus Australien, Deutschland, Großbritannien und den USA verwandeln das Haus für sechs Stunden in einen musikalischen Erfahrungskosmos.
Anthony Braxton ist Komponist, Multiinstrumentalist, Lehrer und Visionär. Sein Quartett der 70er-Jahre mit Chick Corea, Dave Holland und Barry Altschul gehört zu den wichtigen Gruppen des Creative Jazz. An diese Stilrichtung knüpft das Jazzfest an und setzt einen Fokus auf kollektive und internationale Begegnungen. Viele neue Stimmen feiern dort ihre Deutschlandpremiere.
Auch die Berliner Jazz-Szene steht auf der Bühne. Ein Auftragswerk der Gitarristin Julia Reidy wird am Freitag vom Australian Art Orchestra aufgeführt. Ebenfalls am Freitagabend bringt der Berliner Schlagzeuger Christian Lillinger sein Projekt „Open Form for Society" zur Aufführung, eine Symphonie aus Beats, Keyboard-Patterns und Streicher-Elementen. Eine Weltpremiere feiert mit einer genreübergreifenden Suite die in Berlin ansässige türkische Vokalistin Cansu Tanrıkulu zusammen mit ihrem neuen Trio Melez. Das 1964 als Jazztage gegründete Fest in Berlin ist eines der ältesten Jazzfestivals in Europa.
Jazztage: 31. Oktober bis 3. November, www.berlinerfestspiele.de/de/jazzfest-berlin/programm/2019/gesamt/termine.html
Krimimarathon
In diesem Jahr wird der Krimimarathon Berlin-Brandenburg zehn Jahre alt. Dieses alljährliche Lesefest hat eine erstaunliche Entwicklung hinter sich: Anfangs saßen sieben befreundete Autoren an einem einzigen Abend in einem Restaurant im Prenzlauer Berg und lasen vier Stunden lang, bis sie selbst völlig erschöpft waren – und das Publikum mit ihnen. Heute locken dutzende Veranstaltungen Tausende von Besuchern an. Es gibt Abende mit feinen Diners, mit Weinverkostungen und an ungewöhnlichen Orten wie etwa in der Pathologie. Die Autoren und Zuhörer kommen mittlerweile aus ganz Europa.
In diesem Jahr präsentieren die Organisatoren einen Länderschwerpunkt, der es schon zu Buchmesse-Ehren gebracht hat: Norwegen mit seinen vielen kriminell veranlagten Autoren. Aber auch die regionalen Kriminalschriftsteller zeigen, wie viel Lebendigkeit und Vielfalt in dem Genre steckt.
10. Krimimarathon, 4. bis 17. November, diverse Orte in Berlin und Brandenburg.Programm: www.krimimarathon.de
Kulturverführung vom 25.10.2019
Literatur: Fünf Jahre gibt es sie bereits – die sogenannte Brücke aus Papier, einen Austausch mit Schriftstellern aus der Ukraine. Das Projekt entstand, nachdem die Ukraine 2013/14 den Euromaidan und ein Bekenntnis zu Europa ausgerufen hatte. Seit 2014 dauert der Krieg an – und die Brücke aus Papier will dafür sorgen, dass man auch hierzulande mehr über die Situation im Land und die Arbeitsbedingungen für Autoren erfährt. Zwei Tage lang stehen daher nun im Literaturhaus Berlin Lesungen, Vorträge, literarische Spaziergänge auf dem Programm – sowie eine szenische Lesung von Natalia Voroschbits Stück „Zerstörte Straßen". Darin beleuchtet die in Kiew geborene Dramatikerin in sechs Szenen die Folgen eines Krieges, den die Welt fast vergessen zu haben scheint. „Eine Brücke aus Papier" – 5. Deutsch-Ukrainisches Schriftstellertreffen am Montag und Dienstag, 28. und 29. Oktober, im Literaturhaus Berlin. Weitere Infos: www.literaturhaus-berlin.de
Theater: Sein neuntes Stück mit dem Titel „Glaube, Liebe, Hoffnung" hatte der Dramatiker Ödon von Horváth unter Mitarbeit eines Gerichtsreporters geschrieben, als Anspielung auf den Bibeltext des Paulusbriefes. 1936 wurde das Drama uraufgeführt. Im Mittelpunkt steht die junge Elisabeth, trotz Rezession und Arbeitslosigkeit wild entschlossen, sich nicht unterkriegen zu lassen. Als Vertreterin plant sie ihr Glück, benötigt dazu einen Gewerbeschein. Der kostet Geld, das sie nicht hat – Elisabeth will daher ihre Leiche schon zu Lebzeiten dem Anatomischen Institut zur Verfügung stellen. Was zuerst erfolgversprechend scheint, scheitert, denn die junge Frau landet im Gefängnis, verliert ihren Geliebten, einen Polizisten. Und steht am Ende vor dem Nichts. „Glaube, Liebe, Hoffnung" am Sonntag, Montag und Donnerstag, 27., 28. und 31. Oktober, in den Kammerspielen des Deutschen Theaters. Weitere Infos: www.deutschestheater.de
Konzert: Sie gräbt sich in ihrem aktuellen Programm ziemlich tief durch die Hitparaden der 60er-Jahre – die Sängerin, Schauspielerin und Kabarettistin Maren Kroymann. Kein Wunder, dass es unter den vielfältigen Funden nicht nur „Edelsteine" gibt, sondern auch einiges Skurriles. Doch genau das gebe Aufschluss über eine Zeit, die sich aus heutiger Sicht als Ära des Aufbruchs, des Protests gegen Autoritäten, aber mitunter auch als ziemlich konservative und prüde Epoche darstelle, sagt Kroymann. Und sie zeigt im Spiegel der von ihr ausgewählten Oldies die Träume und Sehnsüchte von einst – oft haarscharf an der Grenze zwischen großem Gefühl und Kitsch. „In my Sixties" – Maren Kroymann und Band im Tipi am Kanzleramt: Termine sind am Donnerstag, 31. Oktober, sowie am Freitag und am Samstag, 1. und 2. November, jeweils um 20 Uhr. Weitere Informationen und Tickets gibt es unter www.tipi-am-kanzleramt.de im Internet. • Sabine Loeprick