Artenschutz ist eine wichtige Angelegenheit. Jeder Einzelne kann mit einfachen Maßnahmen zum Naturschutz beitragen. Sebastian Kolberg vom Naturschutzbund Nabu gibt Tipps.
Man muss kein Experte wie Sebastian Kolberg und seine Kollegen beim Naturschutzbund sein, um zu wissen, wie man den Artenschutz vor der eigenen Haustür vorantreiben kann. „Kleine Schritte können eine große Wirkung haben", sagt er. Der praktische Naturschutz vor der Haustür sei von großer Bedeutung für Natur- und Artenschutz. Und der fange schon bei kleinen Maßnahmen an: „Das Anbringen von Fledermausquartieren, Vogelnistkästen oder das Anlegen einer heimischen Blütenwiese gehört dazu, da gibt es viele unterschiedliche Möglichkeiten", sagt Kolberg. Auch die Unterstützung durch ein Engagement in einem der vielen Natur- und Umweltverbände oder in politischen Bewegungen könne viel bewirken. Und nicht zuletzt sei der Konsum jedes Einzelnen einer der wichtigsten ersten Schritte im Naturschutz: Plastik reduzieren, Wasser aus der Leitung zapfen, öfter mal das Fahrrad oder Fahrgemeinschaften und den öffentlichen Nahverkehr nutzen sowie Müll vermeiden.
Was selbstverständlich sein sollte, ist in der heutigen Zeit für viele noch immer eine hohe Hürde im Alltag. Doch vor allem die Industrie und der Massenkonsum gefährden Pflanzen und Tiere. Kolberg: „Viele der gefährdeten Arten leiden unter dem Mangel an geeignetem Lebensraum. Durch Intensivierung der Land- und Forstwirtschaft, die Ausweitung von Siedlungsgebieten und die Zerschneidung von Landschaften etwa durch Infrastruktur nimmt potenzieller Lebensraum immer weiter ab." Das sei besonders für Fledermäuse ein Problem. „Sie leiden derzeit unter Wohnungsnot. Deshalb hat es Sinn, Fledermausquartiere anzubieten", rät er. Viele Fledermäuse leben in Baumhöhlen. Unterstützen kann man die geflügelten Säuger, indem man einfache Fledermauskästen aus Holzbrettern baut und etwa im eigenen Garten oder im nächstgelegenen Waldstück aufhängt. Anleitungen dazu finden sich auf der Internetseite des Naturschutzbunds. Auf diese Art kann man auch Insekten helfen. „Da ist es sinnvoll, Strukturen wie ein Insektenhotel und auch Nahrungsgrundlagen wie das Anlegen heimischer Blütenwiesen zu fördern", sagt der Naturschützer.
Kleine Schritte, große Wirkung
Heimische Arten auszusäen und nicht der Schönheit der Pflanze wegen auf exotische Gewächse auszuweichen, sei deshalb wichtig, weil viele Insekten mit den fremden Blüten nichts anzufangen wissen. „Man stelle sich ein ökologisches Gleichgewicht auf kleinstem Raum vor", sagt Sebastian Kolbert. „Dazu braucht es viele verschiedene Kleinstrukturen, und wenn wir viele einheimische Pflanzen aussäen, fördert das die Artenvielfalt." Samenpakete mit speziell zusammengestellten heimischen Blütenpflanzen gibt es im Baumarkt. Verpönt sind inzwischen pflegeleichte Stein- und Schottergärten, die ein Alptraum für Insekten auf Nahrungssuche sind. Je mehr natürliche Dynamik der Gärtner zulässt, desto wertvoller ist der Garten als Lebensraum und Rückzugsraum der Natur. „Wie sehr letztlich gepflegt wird, muss aber jeder für sich entscheiden", sagt Naturschützer Kolbert.
Geht es nach der Politik, sollen Stein- und Schottergärten aber baldmöglichst der Vergangenheit angehören. Auf Initiative des Saarlandes beschlossen mehrere Landesumweltminister auf einem Treffen in Hamburg Mitte des Jahres, eine Kampagne gegen die toten Gärten anzustoßen. Man wolle Grundstücksbesitzer darüber aufklären, wie sie ihre Gärten insekten-freundlich gestalten könnten. Die Kampagne gegen Steingärten soll über das „Aktionsprogramm Insektenschutz" der Bundesregierung finanziert werden. Unterstützung erhielt der Antrag von Umweltminister Reinhold Jost durch seine Kollegen in Thüringen, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern.
Per se ist totes Material in Gärten allerdings nicht schlecht. „Laub, Reisighaufen und Totholz bieten vielen Tieren Lebensraum", erklärt Sebastian Kolberg und erläutert seinen Wunschgarten: „Hecken, Sträucher kleinräumig angepflanzt, eine kleine Wasserfläche und Steinhaufen, zudem ein ausreichendes Blütenangebot zur Förderung von bestäubenden Insekten. Die Liste ist lang, die Möglichkeiten sehr unterschiedlich."
Vorsicht gilt im eigenen Garten, wenn besonders schützenswerte Arten dort eine Heimat gefunden haben. Viele Tiere sind nach bestimmten Gesetzen, Verordnungen oder Richtlinien besonders oder streng geschützt. „Das passiert nicht zum Spaß, sondern aus dem Grund, die Populationen dieser Tierarten zu schützen und zu fördern", mahnt Kolberg. Denn die häufigste Ursache für Artenschutzprobleme sei der Mensch. „Man könnte sich also fragen, wie viel man selbst tun kann, um diesem Problem Rechnung zu tragen. Häufig stellt sich aber heraus, dass ein Miteinander einfacher ist, als zuvor gedacht." Sollte man etwa ein Wespennest im Garten haben, sei das nicht gleich ein Grund, es entfernen zu lassen. Genügend Abstand, keine heftigen Bewegungen, kein Anpusten, da Kohlendioxid als Alarmsignal für Wespen wirkt, und nicht die Flugbahn der Tiere versperren – schon klappt es mit dem friedlichen Miteinander zwischen Mensch und Wespe. „Weiter können Wespen auch von Kosmetika wie Cremes oder Parfums angezogen werden. Nahrungsmittel sollte man im Freien abgedeckt halten. Beachtet man dies, so entstehen die meisten Konflikte erst gar nicht", rät Kolberg.
Auf den eigenen Konsum achten
Viel angenehmere Gäste im eigenen Garten sind Vögel. Und auch ihnen kann man im Alltag helfen. Unsere heimischen Vogelarten haben unterschiedliche Vorlieben für die Brut und Aufzucht ihrer Jungen. Es gibt Höhlenbrüter, Halbhöhlenbrüter und Freibrüter, die man durch die Anlage von künstlichen Nistkästen oder Sträuchern und Hecken unterstützen kann. Auch das Anlegen von Nahrungsquellen hilft vielen Vogelarten. Sebastian Kolberg: „Dazu zählen fruchttragende Gehölze wie Birne, Kornelkirsche, Schlehe, Vogelbeere oder wilder Apfel. Auch Stauden wie Wegwarte, Diestel, Mädesüß, Flockenblume oder heimische Rosenarten. Sie bieten Refugien und ziehen Insekten an, die für Vögel als Nahrungsquelle dienen." Im Notfall tut es aber auch ein Meisenknödel, der den Vögeln Nahrung anbietet.
Zum Artenschutz, den jeder einzelne leben kann, gehört neben der aktiven Hilfe für Tiere auch, auf den eigenen Konsum zu achten und beim Einkaufen bewusster zu werden. Den Vorrang sollte man saisonalen und regionalen Erzeugnissen geben. „Das spart Pestizide und lange Transportwege und die damit verbundene Klimawirkung. Den Fleischkonsum sollte man außerdem möglichst reduzieren und darauf achten, nur Fleisch aus Freilandhaltung zu kaufen." Zwar könnte man den Fleischkonsum in erster Linie nicht für den Artenschutz, sondern für Naturschutz im Allgemeinen verantwortlich machen, doch Weidehaltung fördert Insekten. Die Weideflächen der Tiere werden zumeist nicht auf einmal abgemäht. Das gilt auch für Weidemilch. Den Honig sollte man beim Imker um die Ecke erstehen und Saft am besten aus Streuobstanbau kaufen. „Auf solchen Wiesen erfolgt kein Einsatz von Pestiziden, und die Bäume bieten vielen Vögeln, Insekten und Säugetieren Lebensraum", erklärt Kolberg. Und dann ist da noch das Plastik. „Plastik hat viele Nachteile beim Arten- und Umweltschutz. Das Einbringen von Plastik in die verschiedensten Lebensräume, vom Land bis in die Ozeane, hat enorme Nachteile und sehr negative Effekte auf die verschiedensten Organismen. Das reicht von der hormonellen und giftigen Wirkung von Mikroplastik bis zum Vermüllen von Gewässern und Meeren und den daraus entstehenden Folgen für das Ökosystem." Aus diesem Grund sei es unbedingt notwendig, den Plastikkonsum drastisch zu reduzieren, rät der Nabu: „Insbesondere Verpackungsmüll ist ein Hebel, an dem jeder ziehen kann."